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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 45.1931-1932

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Heft 9 (Juniheft 1932)
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Einstein, Alfred: Situation der Oper
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https://doi.org/10.11588/diglit.8819#0630

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ist schüld daran, daß es sür immer tot bleiben wird. Zwei ähnliche Werke,
Hindemiths „Neues vom Tage" und selbst der „Fächer" von Ernst Toch
find dem „Ionny" an Kunstwert, Ersindung, Musiksülle weit überlegen,
aber ohne seine operngeschichtliche und Situationsbedeutung. Ia, man muß
sogar sagen, daß bei Hindemith die Ilngleichmäßigkeit von Tert und Musik
zum Verhängnis für den Erfolg geworden ist: das kabarettistische Libretto
ist für den Tag gedachk, die künstlerische, solide, bei aller Lustigkeit treulich
und peinlich gearbeitete Musik für die Dauer. Das Libretto wendet sich
an das Publikum, die Musik an den Musiker. Das hat das Publikum sofort
gemerkt.

Krenek ist seinen Weg ganz folgerichtig weitergegangen und hat, nach ein paar
einaktigen Nebenwerken, sein „Leben des Orest" geschrieben. Er heißt es
eine „Große Oper". Das ist es dem Stoff und Ilmfang nach; aber im
Grund ist es tragisches Kabarett und, troH des antiken Stoffes, reinste Zeit-
oper. Die Antike, der bekannte Vorgang, ist ihm nur ein Vehikel, den riesen-
haften Vorwurf dramatisch zu meistern. Aber in Wirklichkeit ist er ihm
ein Gleichnis für persönliches Erlebnis, für „Heimkehr", Umkehr, wie für
Erlebnis der Gegenwart: Krieg und Revolution. Es klingt parador; aber
das „Leben des Orest" ist oder war eins unserer besten Kriegs- und Nüch-
kriegsstücke. Es ist „Große Oper" und zugleich Gegenwartsoper, auf brei-
teste und unmittelbarste Wirkung angelegt. Daß es diese Wirkung nicht
erreicht hat, hängt mit seinem Stoff und Stil zusammen; wenn es Krenek
gelänge, Gegenwärtiges an einem Stoff der Gegenwart auszusprechen, einen
einheitlichen musikalifchen Stil zu finden, wäre er am Ziele.

Nrben diesem Versuch, Gegenwartsoper zu schreiben, in die Breite zu wir-
ken, gibt es natürlich auch volkstümliche, mehr oder weniger echte oder?
falsche Volksoper. Als falsche „soziale Oper" nenne ich den „Maschinist
Hopkins" von Mar Brand. Eine Kinohandlung, vom verbrecherischen 2luf-
stieg eines Arbeikerführers; der Gegenspieler und echte Führer bringt ihn zu
Fall und verkündigt den Massen den „neuen Tag der Arbeit". Nmn, der
„Maschinist Hopkins" ist nichks weniger als die Oper des Lechnischen ZeiE
alters, des sozialen Gedankens. Er ist einfach skrupellose Filmoper, und er
ist im Grunde älteste Romantik. Der „Dämon" Hopkins ist ein posierender
und pathetischer Popanz, so eine Art Samiel oder Vampyr mit moralischem
Vorzeichen. Die Maschinenhalle im Dunkel der Nücht, die menschliche
Stimme gewinnt, ist wirkungssichere Romantik, so eine Art moderne Wolfs-
schlucht, nur daß statt gruselig schimmernder fauler Baumstümpfe, Eulen-
augen und Irrlichter, statt der berühmten Gespenster-Wildsau Metallteile
blinken, Räder, Schrauben, Kolben, elektrische Augen von Schalttafeln un-
heimlich tuendes Theater spielen.

Dagegen ist der „Schwanda" von Iaromir Weinberger zum mindesten als
Volksoper halbecht; Nachblüte eines ganz echten Werks wie Smetanas „Ver-
kaufte Braut"; Märchenstück; Verwirklichung der Gattung, die Siegfried
Wagner immer so gern erfolgreich gepflegt hätte. Nür mit Gegenwart hat
der „Schwanda" nichts zu Lun, er ist lediglich — und das ist allerdings nicht
wenig — ein glücklicher Zuwachs zum Repertoire. Ich wüßte nur ein einziges
Beispiel einer 2lrt von aktueller und mehr als aktueller neuer Volksoper an-

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