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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 45.1931-1932

DOI Heft:
Heft 10 (Juliheft 1932)
DOI Artikel:
Leskov, Nikolaj S.: Das Tier
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https://doi.org/10.11588/diglit.8819#0708

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Als dre Geschichle, von der ich jeHL erzcchlen will, passierke, war ich erst fünf
Icchre alL.

WinLer war es, und zwar ein sehr harLer WinLer. Die KälLe war so slreng,
daß die Schase nachLs in den SLällen ersroren und Sperlinge nnd Dohlen er-
slarrL aus die harLgefrorene Erde herabsielen. Mein Vater besand sich damals
in ArnLsgeschäsLen in Ielez und konnLe es nichL einmal ermöglichen, zum Weih-
nachLsLage nach Hause zu kommen, so beschloß denn meine MnLLer, zu ihm
hinzusahren, damiL er cm diesem schönen und fröhlichen FestLag nichL einsam sei.
Der enLsetzlichen KälLe wegen nahm MuLLer mich nichL aus die lange Reise
miL, sondern ließ mich bei ihrer Schwester, meiner TanLe, zurück, die die Frau
eines GuLsbesiHers ans dem Orlowschen war, über den die LenLe nichL gerade
guL sprachen. Er war schr reich, alL und harLherzig. BosheiL und NnerbiLL-
lichkeiL waren die hervorstechendsten Züge seines CharakLers, aber das bedrückLe
ihn nicht im geringsten, im Gegenteil, er prahlte sogar miL diesen Eigenschaften,
die seiner Meinnng nach ein Ausdruck männlicher Krast und unbengsamer
Seelenstärke waren.

cklnd darum versuchte er anch, seine Kinder, unter denen ein Knabe in meinem
AlLer war, zu der gleichen MännlichkeiL und StandhasLigkeiL zu erziehen.

Alle sürchteLen den Onkel, ich aber sürchLeLe ihn noch mehr als die anderen,
da er auch in mir ,MännlichkeiL entwickelrck wollte; ich war erst drei Iahre
alL, als er mich einmal, während eines surchLbaren GewiLLers, vor dem ich große
Angst haLLe, aus den Balkon sperrte, dessen Türe er verschloß; mit dieser Lehre
wollLe er mir die FurchL vor dem GewiLLer abgewöhnen.

Es ist begreislich, daß ich in seinem Hause nur nngern und voller Schen zu Gast
weilLe, aber ich wiederhole, ich war damals erst süns Iahre alt, und meinen
Wünschen wurde vor dem Zwang so gewichLiger Umstände, wie sie für meine
ElLern vorlagen, nichL Rechnung geLragen.

2

Aus dem GuL meines Onkels befand sich ein mächLiges steinernes Gebäude, das
sast einem Schloß glich. Es war ein ansprnchsvoller, aber nnschöner, sa sogar
häßlicher Bau miL zwei Stockwerken, einer runden Kuppel und einem Turm,
von dem man allerhand Schreckliches zu erzählen wußLe. Dort haLLe einst der
wahnsinnige VaLer des jeHigen GuLsherrn gelebt, nach seinem Tode aber waren
jene Zimmer als ApoLheke eingerichtet worden. Auch dieser Llmstand wirkte
aus irgendeinem Grunde grauenerregend und unheimlich; das Unheimlichste je-
doch war, daß oben im Turm über eine rnnde Fensterössnung Saiten gespannt
waren, so daß sich nun da in der Höhe eine richtige ,ÄolsharjV besand. Wenn
der Wind durch die SaiLen dieses eigenwilligen InstrumenLes strich, gab es
ebenso unerwarLete wie selLsame Töne von sich, die von einem leisen Liesen Grol-
len zn unruhigem, unharmonischem Stöhnen übergingen und sich osL in einen
rasenden Lärm auslösten, als slögen ganze Scharen von FurchL geheHLer be-
sessener Geister dorL vorüber. Niemand im Hause liebLe diese Harfe, denn man
dachLe, sie spräche zu dem gestrengen Hausherrn, dieser aber wage nicht, ihr zu
anLworLen, und werde daher immer unbarmherziger, immer noch grausamer...
Denn man haLLe schon häusig die BeobachLung gemachL, daß, wenn nachts ein
SLurm losbrach und die Harse so lauL LönLe, daß ihre Klänge über Park und
Teiche bis zum Dorf hrnüberslogen, der Herr keinen Schlaf sand, morgens fin-

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