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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 45.1931-1932

DOI Heft:
Heft 12 (Septemberheft 1932)
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Burckhardt, Carl Jacob: Über Robert Faesi: ein Brief an den Herausgeber des Kunstwarts
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https://doi.org/10.11588/diglit.8819#0852

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RoberL Faesi deshalb beglückend, weil hier aus dem schönen Gleichgewichk
einer gükigen NaLur nnd aus den Umsiänden einer behüLeLen HeimaL ein ge-
lassenes, auf sich beruhendes und völlig präLensionsloses Kunsischaffen er-
wächsi. Wir haben es verlerni, die GeisiigkeiL der bürgerlichen GemeinschafL
zu crchLen, weil der Bürger selbsi gemeinhin dem ängsilichen IrrLum ver-
fallen isi, es mangle ihm GeisiigkeiL und Spannung. Wie wenig mangelLe
sie ihm, da er noch gemeinsam bauLe, ein Wirken, von dem nichL nur unsere
Dome Zeugnis ablegen! Wir kennen das eingeordneLe Schaffen heuLe nur
noch in inselhafLen parLikularen Überbleibseln, in den IkniversiLäLen eLwa, deren
univsrsiLÄZ allerdings auch mehr als Forderung und Erinnerung im Nümen,
denn als wirkende WirklichkeiL beslehL. Wir gehn an diesen Reslen vor-
über und sind aus der SchwierigkeiL unserer heuLigen Lage heraus fast ver-
suchL, im KollekLiven atonal zu suchen, was einmal doch polyphon und har-
monisch in unsern deuLschen StadLkulLuren wirkLe und immer noch aufklingL
nnLer uns. Denn nichLs Lebendiges verschwindeL jemals ganz, es LriLL nur
hinLer die Hüllen znrück, es gehL nur noch in Zeichen unLer nns um; wohl
dem, der sie verstehL, nichL die Zeichen der Zeit, sondern die Zeichen der Zeiten,
die vom Llnvergänglichen des Vergangenen künden.

In Faesis „Opferspiel", dem zentralen Werk seiner ProdnkLion, ist dieses
vollklingende Zusammenwirken ins Religiöse gesteigert, in den Massen des
Kirchenbaus, den erprobten MiLLeln des miLLelalterlichen Nckysterienspiels ist
es erhoben zum Mysterium des Opfers, der Sühne, die das Ungemäße,
VerirrLe wieder zurückzuführen haben zur großen, erlösenden Ordnung.
Durch Faesis ganzes ArbeiLen gehL unablässig dieser Trieb nach Ordnnng,
Ausgleich, Versöhnung, im Opferspiel giyfelL dieses Streben, geläuterL nach
den harten Proben der europäischen Schicksalsjahre. Aber dies ist schon eine
Krönung, wir möchten auf die Llnfänge hinweisen.

Dieser Sinn für ProporLion nnd Ordnung kommL, in den Formen seiner
Bewegung und Gegenbewegung den Tänzen des siebzehnten IahrhunderLs
vergleichbar, in den früheren ArbeiLen des DichLers zum Ausdruck. Ia, dieses
Kommen und Gehn zierlicher und doch fester, fein ausgewogener Figuren in
der „Zürcher Idylle", das Wandeln kleiner Gestirne um die großen lenchten-
den GestalLen unserer LiLeraLnr hernm, all dies wirkL miL der Sicherheit und
behenden Schicklichkeit eines Spiels, das Lieferen Sinn sinnvoll verbirgL.
Hier herrscht noch völlig eine schuldlose WelL des Idyllischen.

Aber bereits in dem vom AuLor als „Stildrama" bezeichneten Stück „Odys-
seus und Nausikaa" bricht nun in die geschlossene WelL die all die leichten
Kreise zerstörende GewalL von außen, das harte Entweder-Oder aus dem
Allerpersönlichsten, die KräfLe der LeidenschafL werden beschworen, dann aber
darüber hinans — das Stück ist 1907 geschrieben — bereits das Borgefühk
der WelLkaLastrophe in ihrer alles Gemeinsame, alle Ordnungen in Frage
stellenden FurchLbarkeiL.

Wie dann der WelLkrieg auf den DichLer wirkte, ist aufgezeichneL in der
GedichLsammlung „Aus der Brandung". Wie überaus seltsam wird nun
seine Lage hier: nun stehL der von GemeinschafLsgefühl GeLragene miL seinem
völlig intakt gebliebenen GerechLigkeiLs- nnd Erziehungswillen in einer für
die Brüder draußen längst aus den Fugen gehobenen WelL. Seine Haltung

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