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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 45.1931-1932

DOI Heft:
Heft 12 (Septemberheft 1932)
DOI Artikel:
Bauer, Clemens: Kapitalistische Wirtschaftsordnung?
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https://doi.org/10.11588/diglit.8819#0881

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Oberbegrisf gestatten, sondern ein Durck>einander und Nebeneinander von rvesent-
lichen und peripheren, von dauernden und vorübergehenden Merkmalen. Das eine
Mal ist von einem viel zu umfassenden Begriff des Kapitalismus als Erscheinung
der Gesamtkultur und der Geschichte ausgegangen, wie in den meisten Fällen
bei den Historikern, die ihn zunächst in seiner geschichtlichen Jndi'vidualität, d. h.
in seiner Einmaligkeit als Glied des Geschichtsablaufes betrachten. Das andere Mal
stehen die sozialen Begleiterscheinungen des Kapitalismus bzw. die ihm entsprechende
Gesellschaftsordnung im Dordergrund, wie bei der Begriffsbildung der Sozialpoli-
tiker. Und für den Politiker handelt eö sich im wesentlichen um ernen polemischen
Begriff, der seinen konkreten Jnhalt je nach der Situation erhält. Demgegenüber
versucht die theoretische Sozialökonomie eine wesentlich ökonomische Begriffsbil-
dung, ohne indes ihrerseits zu einem einheitlichen Begriff „Kapitalismus" zu ge-
langen. Auch hier ist schon vorgeschlagen worden, auf den Begriff überhaupt zu
verzichten.

Es handelt sich aber wirklich nicht um eine reine Frage der Begriffsbestimmung,
welche die Erkenntnisprobleme der Wirtschaft nicht wesentlich berührte, sondern die
sinnvolle ökonomische Begriffsbestimmung des KapitalismuS ermöglicht erst eine
volle Erkenntnis der heutigen Wirtschaft und ihrer GeseHmäßigkeiten. Es fragt
sich, ob nicht einerseits von zu speziellen, zu stark wandelbaren Erscheinungen deS
konkreten Wirtschaftslebens induktiv ausgegangen und ob nicht andererseits aus der
klassischen ökonomischen Theorie deduktiv der Begriff der Konkurrenzwirtschaft als
Inbegriff des KapitalismuS schlechthin übernommen wurde. Damit wäre auch
die Uneinheitlichkeit m der sozialökonomischen Theorie erklärt. Jedenfallö ist neben
erner Klärung des Kapitalismusbegriffes eine Prüfung und Analyse unserer heu-
tigen Wirtschaft und ihrer konkreten Struktur auf ihre wesentlichen Elemente hin
unbedingt notwendig, eine begriffliche Durchleuchtung dieser Elemente und ihres
wechselseitigen Verhältnisses. Erst dann wird es auch möglich sein, in dem Streit,
ob die augenblickliche Wirtschaft überhaupt noch als kapitalistisch anzusprechen
sei, Stellung zu nehmen; natürlich nach dem Grundsatz: „n potiori iit äenomi-
ngtio", d. h. die Begriffsbildung erfolgt nach dem vorwiegenden Element.

II. Kapitalismus als WirLschasLsordnung
Der w i r t s ch a f t l i ch e Begriff

Eine Begriffsbestimmung des Kapitalismus muß zunächst völlig im Dkonomischen
blsiben und darf nicht Merkmale heranziehen, die bereits den sozialen und kultu-
rellen Parallel- und Folgeerscheinungen entnommen sind. KapitalismuS ist m erster
Linie eine WirtschaftSverfassung, d. h. eine bestimmte Ordnung der
arbeitsteiligen Sozialwirtschaft, eine Ordnung der Produktion sowohl wie der
Verteilung. GesamtwirtschaftlicheS Ordnungsprinzip ist der M a r k t. Bei einer
grundsätzlichen Trennung von Haus- (als reiner Verbrauchs-) und Erwerbs- bzw.
ProduktionSwirtschaft funktioniert der Markt als zentraler Negler von Produktion
und Verteilung, er stellt die Verbindung von Produktion und Konsumtion her.
Jeder Wirtschafter tritt an diesem universalen Markt als Anbieter von Gütern
und Dienstleistungen auf und andererseits als Käufer, entsprechend dem ihm zur
Berfügung stehenden Geldeinkommen. Die Bereitstellung der für die Produktion er-
forderlichen Güter und Dienste erfolgt genau so am Markt wie der Absatz. Jeder
tritt am Arbeits-, am Kapital- oder am Warenmarkt als Marktpartei auf. Und
das Oneinandergreifen der Märkte, ihr Funktionieren wird bewirkt durch die PreiS-
bildung. Je freier, je „natürlicher" die Preisgestaltung auf diesen drei Marktsektoren
erfolgt, um so reibungsloser und sicherer erfolgt die Selbstordnung bzw. Selbst-
steuerung der Gesamtwirtschaft.

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