dichte, Briefe und die ganze Prosa des Dichters wiedergibt,* macht nicht weniger
aufmerken.
Die Übertragung hat ihrem Verfasser den deutfchen Übersetzerpreis eingetragen.
Eine Art TapferkeitSmedaille. Denn es bedarf großen Mutes, die Übersetzung die-
ser jedes Ziel mit so wahnwitziger Schnelligkeit des Wachsens überschreitenden Kunst
zu wagen. Was heißt überhaupt hier, bei den „Illuminstions" z. B-, lllbersetzen?
Wo selbfl in der Ursprache die Wörter klarsten Falls rmr noch oder erst die Wirk-
lichkeit von Schatten unsichtbarer Gestalten haben. Wo der Ausdruck Brücke scheint
in einen unendlichen Raum hinaus, plötzlich abbrechende Brücke, von der jeder Sinn
hinabstürzt ins Sinnlose, daraus er gekommen. Es gibt Alterswerke solcher Entgei-
sterung, aber in ihnen folgen wir dem Weq ihres irmeren Werdens fast bis zu Ende.
Wir kennen die Gestalt, deren Verzehrung fie sind. Aber Rimbaud! Wie den Weg
ermessen, der hier blitzgleich immer wieder durchfahren wird, von Kindheit zur Reife,
kaum währender, nur atemschneller Reife, und zu Vergehen? Wie dieses Kind, das
eine ganze Kunst zu sagen verdammt war, fassen? Gewiß ist wahr, was Fournier
mit einem Seitenblick auf seine eigene doppelgesichtige Kunst sagt: „Nimbaud, der
Mensch, der zuerst spürte, daß es eine andere Landschaft gab, die dem schwindeln-
den Eindruck entsprach, den er von einem Sommermorgen hatte. Sicher sind es
Traumerscheinungen, die er beschreibt, aber sie haben nichts Krankhaftes, sie sind die
Eindrücke, die wir alle gehabt haben von einem Sommermorgen, einem Festabend,
einer sehr alten Kindheitserinnerung — aber so stark diesmal, daß sie sich ausdrückten,
daß sie sich b e s ch r i e b e n." Gewiß fühlen wir immer wieder die tiefe Wahrheit
dieser Gesichte, nie gewußte Wirklichkeiten unseres Jchs finden ihre Sprache in
ihnen, aber eS bleibt so viel Dunkles, so viel Schillerndes, daß es einer genialen
Behutsamkeit bedarf, solche Last in eine fremde Sprache zu tragen. Seltsamerweise
ist die Aufgabe für die Gedichte Rimbauds fast leichter als für die Prosa, es ist,
als hätte der Vers zu größerer „Klarheit" gezwungen. Die abgekürzte und
gleichsam nur in andeutenden Symbolen schreitende Sprache Rimbauds hat im
Vers die Kürze des Endgültigen erreicht, während sie in der Prosa absichtlich den
Charakter der Notierung behält, sie scheint das ganz passive Mittel, mit dem sich
der Traum selbst niederschreibt. Die Prosa liest sich in der Llbersetzung sehr ein-
gängig, und erst der Vergleich mit dem Original enthüllt zugleich die Schwierig?-
keit und die Freiheit, um nicht zu sagen Willkür der Übersetzung. Doch handelt es
sich da in vielen Fällen um eine Frage der Entscheidung und der Auffassung, in der
man dem Verfasser dann Vertrauen schenken mag, wenn er sich in der Über-
setzung der ganz eindeutigen Werke dichterischer Treue ausgewiesen hat. Schauew
wir also einmal Wolfensteins Übertragung der Verse RimbandS an.
N 1si886r3i 1e vent baiAner rna iete nue.
Es badet der Wind mein nacktes Gesicht, erplätschert laut.
Oepni^ bnit four8, j'avLis äeebirö rn68 bottines
Lux cLilloux cles etiernins; j'entrai a EIiLrleroi.
iLu LslrAret Vert fe äernanclLi 6es tartines
Üe beurre et clu jeunlron qui küt a inoitie kroicl.
Acht Tage lang zerriß ich mir die Schuhe
Auf steinigen Straßen, endlich trat ich ein
Jns Grüne Cabaret, Charleroi. Ah, fein —!
Butterbrot! Schinken! Dieses war die Ruhe.
* Rimbaud, „Leben, Werk, Briefe". Znternationale Biblwthek, Berlin igZo.
594
aufmerken.
Die Übertragung hat ihrem Verfasser den deutfchen Übersetzerpreis eingetragen.
Eine Art TapferkeitSmedaille. Denn es bedarf großen Mutes, die Übersetzung die-
ser jedes Ziel mit so wahnwitziger Schnelligkeit des Wachsens überschreitenden Kunst
zu wagen. Was heißt überhaupt hier, bei den „Illuminstions" z. B-, lllbersetzen?
Wo selbfl in der Ursprache die Wörter klarsten Falls rmr noch oder erst die Wirk-
lichkeit von Schatten unsichtbarer Gestalten haben. Wo der Ausdruck Brücke scheint
in einen unendlichen Raum hinaus, plötzlich abbrechende Brücke, von der jeder Sinn
hinabstürzt ins Sinnlose, daraus er gekommen. Es gibt Alterswerke solcher Entgei-
sterung, aber in ihnen folgen wir dem Weq ihres irmeren Werdens fast bis zu Ende.
Wir kennen die Gestalt, deren Verzehrung fie sind. Aber Rimbaud! Wie den Weg
ermessen, der hier blitzgleich immer wieder durchfahren wird, von Kindheit zur Reife,
kaum währender, nur atemschneller Reife, und zu Vergehen? Wie dieses Kind, das
eine ganze Kunst zu sagen verdammt war, fassen? Gewiß ist wahr, was Fournier
mit einem Seitenblick auf seine eigene doppelgesichtige Kunst sagt: „Nimbaud, der
Mensch, der zuerst spürte, daß es eine andere Landschaft gab, die dem schwindeln-
den Eindruck entsprach, den er von einem Sommermorgen hatte. Sicher sind es
Traumerscheinungen, die er beschreibt, aber sie haben nichts Krankhaftes, sie sind die
Eindrücke, die wir alle gehabt haben von einem Sommermorgen, einem Festabend,
einer sehr alten Kindheitserinnerung — aber so stark diesmal, daß sie sich ausdrückten,
daß sie sich b e s ch r i e b e n." Gewiß fühlen wir immer wieder die tiefe Wahrheit
dieser Gesichte, nie gewußte Wirklichkeiten unseres Jchs finden ihre Sprache in
ihnen, aber eS bleibt so viel Dunkles, so viel Schillerndes, daß es einer genialen
Behutsamkeit bedarf, solche Last in eine fremde Sprache zu tragen. Seltsamerweise
ist die Aufgabe für die Gedichte Rimbauds fast leichter als für die Prosa, es ist,
als hätte der Vers zu größerer „Klarheit" gezwungen. Die abgekürzte und
gleichsam nur in andeutenden Symbolen schreitende Sprache Rimbauds hat im
Vers die Kürze des Endgültigen erreicht, während sie in der Prosa absichtlich den
Charakter der Notierung behält, sie scheint das ganz passive Mittel, mit dem sich
der Traum selbst niederschreibt. Die Prosa liest sich in der Llbersetzung sehr ein-
gängig, und erst der Vergleich mit dem Original enthüllt zugleich die Schwierig?-
keit und die Freiheit, um nicht zu sagen Willkür der Übersetzung. Doch handelt es
sich da in vielen Fällen um eine Frage der Entscheidung und der Auffassung, in der
man dem Verfasser dann Vertrauen schenken mag, wenn er sich in der Über-
setzung der ganz eindeutigen Werke dichterischer Treue ausgewiesen hat. Schauew
wir also einmal Wolfensteins Übertragung der Verse RimbandS an.
N 1si886r3i 1e vent baiAner rna iete nue.
Es badet der Wind mein nacktes Gesicht, erplätschert laut.
Oepni^ bnit four8, j'avLis äeebirö rn68 bottines
Lux cLilloux cles etiernins; j'entrai a EIiLrleroi.
iLu LslrAret Vert fe äernanclLi 6es tartines
Üe beurre et clu jeunlron qui küt a inoitie kroicl.
Acht Tage lang zerriß ich mir die Schuhe
Auf steinigen Straßen, endlich trat ich ein
Jns Grüne Cabaret, Charleroi. Ah, fein —!
Butterbrot! Schinken! Dieses war die Ruhe.
* Rimbaud, „Leben, Werk, Briefe". Znternationale Biblwthek, Berlin igZo.
594