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Die Gartenkunst — 15.1913

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Encke, Fritz: Über den Wert der Anpflanzungen auf Schulhöfen
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https://doi.org/10.11588/diglit.28103#0021

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XV, 1

DIE GARTENKUNST.

13

Klein-Trianon: Blick vom Schlößchen nach dem Gartenpavillon.
Aufnahme von Gartendirektor Berthold, Wiesbaden.

Maße zeigt. Dieser Einwand ist jedoch leicht zu ent-
kräften. Der Besuch des Schul- oder botanischen Gar-
tens kann erfahrungsgemäß nur selten erfolgen, da er
für die entfernter liegenden Schulen sehr zeitraubend ist.
Auch dürfte es bei der Größe der meisten Klassen schwer
sein, bei einem solchen gelegentlichen Besuch eingehende
Beobachtungen so zu machen, daß alle oder doch die
Mehrzahl der Schüler wirklichen Gewinn davon haben.
Die auf dem Schulhof wachsende Pflanze kann dagegen
von dem einzelnen Schüler in jeder Unterrichtspause,
von der Klasse ohne großen Zeitverlust während der Unter-
richtsstunden betrachtet werden.

Nun ergibt sich umgekehrt aus der
richtigen Benutzung der Schulhof-
pflanzung ein Gewinn für den Besuch
des Schulgartens; denn die an Na-
turbeobachtung gewöhnten Kinder
werden die schönen Sammlungen
von Pflanzen viel verständnisvoller
betrachten als solche, für welche
der Spaziergang in den Schulgarten
die einzige Gelegenheit zum Stu-
dium der lebenden Pflanze bietet.

Hiergegen ließe sich einwenden,
daß ich die Lieferung von Pflan-
zenexemplaren, welche vom Schul-
garten aus den ganzen Sommer hin-
durch erfolgt, außer acht gelassen
habe. Es wäre töricht, wollte ich
deren Wert irgendwie in Abrede
stellen. Die gelieferte Pflanze in der
Hand des Schülers ermöglicht die

Beschreibung der einzelnen Pflanzen-
teile, wie Stamm, Blatt, Blüte und
Frucht usw. Aber es darf nicht ver-
gessen werden, daß diese Pflanzen-
exemplare Leichen sind, oft schon
halbverwelkt und immer der Schön-
heit entbehrend, welche allein eine
im Boden wachsende , lebendige
Pflanze aufweist. Ästhetisch sind
diese Pflanzenlieferungen deshalb
fast ganz bedeutungslos. Aber auch
für den Lehrbetrieb ersetzen sie die
Schulhofpflanze nicht vollständig,
da sich eine Menge wichtiger und
äußerst interessanter Beobachtungen
nur an der lebenden Pflanze machen
läßt, welche nicht nur vorüber-
gehend, sondern fortlaufend gezeigt
werden kann. Hier soll die Pflan-
zung auf dem Schulhof ergänzend
eintreten.

Einige ohne Zusammenhang her-
ausgegriffene Beispiele mögen dar-
tun, welche Beobachtungen ich im
Auge habe. Sie werden auch er-
kennen lassen, daß schon eine be-
schränkte Anzahl sorgsam ausgewählter Pflanzen zu
wertvollen Studien Gelegenheit geben kann.

Bei Arum maculatum (gefleckter Aronstab), Tro-
paeolum majus (Kapuzinerkresse) bilden die Blätter eine
zentrifugale Ableitung des Regenwassers; bei Colchicum
autumnale (Herbstzeitlose), einigen Kohlarten, Helianthus
annuus (Sonnenblume), Taraxacum officinale (Löwen-
zahn), Verbascum phlomoides (Königskerze) bilden sie
eine zentripetale Wasserleitung, entsprechend dem
durch die Wurzelart bedingten Bewässerungsbedürfnis.

Pulmonaria officinalis (Lungenkraut) hat im tiefen

Klein-Trianon mit dem Vorhof. Aufnahme von R. Hoemann, Düsseldorf.
 
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