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Die Gartenkunst — 15.1913

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Nr. 21
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Müller, J. F.: Neuere Anschauungen auf dem Gebiet der Gartengestaltung und ihre Bedeutung für die Unterrichtspraxis
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Heick, G.: Der Steinbrech (Saxifraga)
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https://doi.org/10.11588/diglit.28103#0335

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XV, 21

DIE GARTENKUNST.

327

Bei unserer Charakterisierung der Landschaft
scheint das Unterfangen diese uns umgebende ge-
waltige Natur nachzuahmen im Garten eitel und frucht-
los und das Problem in der Gartenkunst — land-
schaftlich oder architektonisch — wäre ohne Schwierig-
keit gelöst, wenn nicht noch die „idealisierte“
Landschaft bestünde. Die idealisierte Landschaft hat
insoweit mit künstlerischem Schaffen zu tun, als. sie
eine bestimmte Vorstellung vom „schönen Landschafts-
bild“ mit gärtnerischen Mitteln in die Wirklichkeit
übertragen will. Die Wiese wird zum Rasen, die
Baumvegetation zur wohlgeformten „Gruppe“, in der
Farbkontraste den Eindruck des Künstlerischen steigern
müssen.

Daß die Gartenkunst hiermit dem Maler ins
Handwerk pfuscht, kommt ihr nicht zum Bewußtsein.
Der Maler kann tatsächlich mit seinem Kunstwerk das
innere Erleben, das künstlerische Beschauen einer
Landschaft wiedergeben. Er bannt seine Erscheinung
auf die Leinwand. Er erlebt keine Illusionsstörung
beim Anschauen des Bildes, die Malkunst und die
Gartenkunst haben zwei verschiedene Arbeitsgebiete,
die voneinander abgegrenzt werden müssen. Die
Grenzen verwischen heißt eine heillose Verwirrung
heraufbeschwören. Die Landschaftsgärtner der älteren
Schule griffen das romantische Naturbild, die heroische
Landschaft der Maler auf, um sie lebend wiederzu-
geben, ein Teil der jüngeren bemüht sich die „paysage
intime“ der Franzosen nachzuahmen und wer weiß,
wann futuristisches Schauen auch in die Landschafts-
gärtnerei einzuziehen beginnt.

Nach alledem muß uns die Berechtigung einer
Landschaftsgärtnerei problematisch erscheinen. Ich
gebe zu, daß zu allen Zeiten in der Landschaft der
Reichtum, die Vielgestaltigkeit ihrer Erscheinung für
schön galt: Der einzelne, ausgewachsene Baum („Solitär“
der Landschaftsgärtnerei), das Wasser in der stillen
Ruhe des Teiches und in der belebteren Form des
Wasserfalls, die Farbenpracht der Gehölze, die sonnen-
beleuchtete Wiese — dies in einer Zusammenstellung
gezeigt, wird stets als Hintergrund zu einem „Garten“,
einem regelmäßigen Kunstwerk mehr bedeuten als ein
Stück Urwald. Im sogen, „deutschen Gartenstil“ hat
ja dann auch diese Gegenüberstellung ihren reinsten
Ausdruck gefunden. Nun muß aber betont werden,
daß der künstlerische Wert des regelmäßigen Teils
stets ein höherer sein muß als der d e s land-
schaftlichen, vorausgesetzt, daß die Gesetze der
regelmäßigen Gartenkunst gut angewandt sind, weil in
ihm ein konsequentes Stilisieren der Naturgegenstände
vor sich gegangen ist, während dies im landschaftlichen
unmöglich ist.

Im regelmäßigen Garten entnimmt die Stilisierung
ihre Grundformen dem tektonischen Gesamtschatz der
Menschheit. In ihnen sind die ewig gültigen Gesetze
der Proportion in Grund- und Aufriß, in Fläche und
Raum festgelegt, hier stehen wir beim inneren Zu-
sammenhang zwischen Baukunst und Gartenkunst. Auf

diese verschiedene künstlerische Wertung des Garten-
schaffens — und man darf wohl sagen, daß die oben
vorgetragene von vielen führenden Gartenfachleuten
geteilt wird — stützen sich nun meine Vorschläge,
die ich zur Unterrichtspraxis machen möchte.

Die künstlerische Erziehung des Gartenarchitekten
muß ihren Schwerpunkt auf die stilistische Seite des
Gartenschaffens verlegen. Im Einzelnen habe ich dazu in
Nr. 17 Jahrg. 1912 dieser Zeitschrift Vorschläge gemacht,
aus denen ersehen werden kann, wie reich der Stoff sich
hier aufdrängt. Es wäre also die Hausgartenfrage, die
Gartenkunst im Städtebau, überhaupt alle Gartenkunst
in Beziehung zur Architektur eingehend im Unterricht
zu behandeln. Mehr und mehr müßte demgegenüber
die „Landschaftsgärtnerei“ ein Fach zum Selbststudium
auf den höheren Gärtnerlehranstalten werden. Um in
dieser Art der Gartengestaltung künftig erfolgreich
tätig sein zu können, werden dem Schüler Fächer wie
Pflanzengeographie, Ökologie, Forstästhetik zur Vor-
bereitung dienen. Die verschiedenen landschaftlichen
Gestaltungstheorien sollte man aber nicht mehr so ein-
gehend behandeln, um Raum zu gewinnen zur Pflege
der eigentlichen Gartenkunst. Der große Irrtum von
der „Nachahmung der Natur“ in der Gartenkunst spukt
noch bedenklich in den Lehrplänen. Die „landschaft-
liche Naturkunde“ stammt ebenfalls aus diesen Gedanken-
komplexen. Wenn die Ausbildung des Gartenarchitekten
auf den höheren Lehranstalten ohne Hinzuziehen von
Kunstgewerbe- und Hochschulen erreicht werden soll
—■ und für die Selbständigkeit des Berufs wäre dies
meines Erachtens nur von Vorteil — dann kann das
nur erreicht werden, wenn Veränderungen im Lehrplan
stattfinden, die im Sinne obiger Ausführungen getroffen
werden müßten.

Der Steinbrech (Saxifraga).

Von Q. Heick, Kerpen.

Warum Steinbrech? Nun, es gibt Arten genug,
darunter, die nur in den Fels- und Steinspalten wachsen,
und anscheinend das Gestein durch ihre Wurzeln ge-
spalten, gebrochen haben. Einige unserer wildwachsen-
den Steinbrecharten zeichnen sich ja weniger durch
besondere Schönheit aus, sonst aber gibt es des Reizenden
genug unter ihnen zu finden, wie es die Staudenkulturen
bieten.

Das sind nun wieder die richtigen Felsengarten-
pflanzen, anschmiegende Polster, blühende Rasen,
lebende Blumenteppiche. Und dann geben sie so
manche Anregungen zu neuen, eigenartigen Bepflan-
zungen. Wie wunderbar mutet schon die blühende
Felsentreppe im Bilde an. Wie entzückend aber ist
sie erst in Wirklichkeit, in dem Felsengarten von
Georg Arends in Ronsdorf zu schauen! So mögen
auch die mit alpinen Pflanzen oder anderen niedrigen
Stauden bepflanzten Stein-Gartenwege entstanden sein.
Solche Wege haben vielleicht noch eine Zukunft,
können aber nur aus der Hand eines rechten Garten-
 
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