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Die Gartenkunst — 15.1913

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Nr. 3
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Staehle, Karl: Der beamtete Gartenkünstler in Mittelstädten und die Ausbildungsfrage
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https://doi.org/10.11588/diglit.28103#0045

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XV, 3

DIE GARTENKUNST.

37

größtmögliche Sparsamkeit herrscht. Einen großen Teil
der Bevölkerung machen die einfach lebenden Bürger
aus. Meist sind sie nicht über das Weichbild ihres
Heimatortes hinausgekommen. Man kann es ihnen
nicht verübeln, wenn sie vorerst noch die Gartenanlagen
als einen Luxus betrachten. Die Erkenntnis der Not-
wendigkeit hygienischer und schönheitlicher Einrich-
tungen sickert erst allmählich von den gebildeten Stän-
den zum Proletariat hinab. Der Einrichtung von Garten-
anlagen zuliebe die Steuerschraube anzuziehen, schiene
ihnen ein Verbrechen. Und wenn selbst eine Majorität
im Stadtparlament für die Bewilligung der Mittel zu
gewinnen wäre, so ist die Tatsache doch wohl zu be-
denken, daß das persönliche Bekanntsein untereinander,
die biedere Lebensart keinen Gewaltakt bei der Ab-
stimmung herbeiführen wird. Eine versöhnliche Politik,
die möglichst allen Schichten der Bevölkerung gerecht
wird, ist meist geboten. Will man doch nachher einen
friedlichen Verkehr wieder pflegen. — Sparsamkeit ist
also vonnöten, wenn für den Ausbau von Grünan-
lagen Stimmung gefunden werden soll.

Diese Sparsamkeit hat zur Folge, daß auf Hilfs-
kräfte wie Techniker, Zeichner verzichtet werden muß.
Häufig ist der leitende Gartenbeamte gezwungen self-
made man zu sein. Ein ungeschultes Arbeiterpersonal,
gärtnerisch einseitig ausgebildete Gehilfen müssen erst
von ihm diszipliniert werden. Ein einfacher Arbeits-
mann oder Gärtner, er mag sehr tüchtig, sehr fleißig
und brav sein, er versteht erst allmählich den Sinn der
Anordnung seines Vorgesetzten. Geduld ist erforderlich
bis alles klappt, bis der Arm des Arbeiters so die Arbeit
verrichtet, als machte es der Vorgesetzte selbst. Wer
aber will seine Untergebenen unterweisen in den ein-
fachen Verrichtungen des gärtnerischen Berufs, wenn
er nicht selbst etwas davon versteht, wenn er nicht
jede Arbeitskraft, die ja doch einen wesentlichen Teil
seiner Etatsmittel ausmacht, aufs vorteilhafteste aus-
zunutzen weiß?

Es ist eine unwiderrufliche Tatsache, daß der
tüchtige Praktiker als Gartenbeamter selbst bei geringer
künstlerischer Begabung sich größeres Vertrauen bei
seiner Behörde erwirbt, als der Gartenkünstler, der
voller Ideen ist, diese Ideen in einwandfreier gärtnerischer
Ausführung aber nicht verwirklichen kann. Nicht die
Pläne und Perspektiven machen es hier aus, sondern
das, was vor aller Augen an Neuschöpfungen oder Um-
änderungen in den Gartenanlagen sich präsentiert.

Reiche allgemeine gärtnerische Kenntnisse sind
aber auch noch aus weiteren Gründen für den Garten-
beamten unbedingt erforderlich. In Mittelstädten wird
dem Gartenbeamten gern alles mit anvertraut, was nur
einigermaßen in sein Ressort hineinpaßt. Meist lohnt
es sich nicht, für bestimmte landwirtschaftliche und
forstliche Fragen einen besonderen Beamten zu halten.
Der Gartenbeamte wird Forstmann, wird Taxator für
Grundstücke, wird Obstkultivateur, legt Weidenplan-
tagen an. Und da er oft wirklich der einzige „Sach-
verständige" am Orte ist, so trägt er auch allein die

Verantwortung. Wer als Gartenbeamter für des Lebens
praktische Aufgaben kein Verständnis hat, muß hier
schweigen. Und das Schweigen fällt dann peinlich auf.

In Mittelstädten gilt der einzelne Bürger mehr als
in Großstädten. Jeder glaubt an der Stadt Wohl mit-
arbeiten zu können. Er erlaubt sich versteckt und
öffentlich Kritik an allem, was offen an der Straße
liegt. Mag er etwas davon verstehen oder nicht, das
ist, ganz gleichgültig. Werden solche Kritiken in der
Tageszeitung ausgesprochen, dann nimmt die ernsthaf-
teren die Stadtverwaltung ad notam und schickt sie —
betrifft die öffentlichen Gartenanlagen — dem Garten-
beamten zur Äußerung zu. Sachliche Kritik schadet
nichts. Im Gegenteil — es ist erfreulich, wie sich das
Interesse der Bevölkerung an den Arbeiten der Garten-
verwaltug damit kundgibt. Zu den Kritikern werden
vor allem die am Orte seßhaften Gärtner gehören.
Wehe dem Beamten, der sich gärtnerische Unkenntnis
hat zu Schulden kommen lassen! Das rein Künstlerische
ist den Gärtnern nicht mehr vertraut als sonstigen Laien,
aber das rein Gärtnerische vermögen sie zu be- und
verurteilen. Die zu Recht bestehenden Beschuldigungen
können verhängnisvoll werden. Ist jedoch der Garten-
beamte den Gärtnern überlegen in praktischen Anord-
nungen, so werden die Gärtner in ihm einen Mann
sehen, der ihres vollsten Vertrauens würdig ist, und
sie werden all das Ihrige tun, seinen Vorlagen die nötige
Unterstützung zuteil werden zu lassen. Man weiß ja, daß
gute öffentliche Anlagen auf die Unterhaltung von Privat-
gärten anregend wirken, das bedeutet für die Handels-
gärtner eine Hebung ihres Verdienstes. Das „Hand in
Hand arbeiten“ gereicht daher zu beiderseitigem Vorteil.

Es gehört in den Mittelstädten zu einem besonderen
Ereignis, wenn einmal eine größere gartenkünstlerische
Aufgabe zur Bewilligung auf der Tagesordnung steht.
Jahre können oft vergehen, bis nennenswerte Neuanlagen
wieder zur Ausführung gelangen. Die Tätigkeit des
Gartenbeamten hat sich daher auf die Unterhaltung
vorhandener Anlagen zu beschränken. Im Streben der
jüngeren Kräfte liegt es stets, Neues bearbeiten zu dürfen,
eigene Ideen zu verwirklichen, da bedarf es einiger Zeit,
bis dieser Arbeitsdrang etwas gezügelt wird. Es er-
scheint zunächst die Unterhaltung als eine etwas gleich-
förmige Arbeit, die lange nicht so viel Reize bietet,
als etwas Neues. Was vermag aber eine fachmännisch
richtige Unterhaltung aus bestehenden Anlagen nicht
herauszuholen! Die ganze lange Perspektive, die Herr
Singer in dem Vortrag auf der Gartenbauwoche ent-
wickelt hat, für die Unterhaltung von Gartenanlagen
tut sich auf. Wie wohltuend wirkt es, wenn aus den
kleinen Beständen allmählich das gedachte Bild heraus-
wächst, wenn jedem der Pflänzlinge die richtige Pflege
zukommt. Erst eine gute Unterhaltung macht das
vollendete Kunstwerk aus. Zu diesem Gelingen gehören
umfassende praktische Kenntnisse, die sich auf Beob-
achtungen und Erfahrungen von Jahren stützen müssen.
Paart sich dann praktisches Können mit künstlerischem
Verständnis, so wird mit der Zeit die Unterhaltung der
 
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