Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Gartenkunst — 15.1913

DOI Heft:
Nr. 5
DOI Artikel:
Rasch, Edgar: Heitmatschutz
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.28103#0070

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
62

DIE GARTENKUNST.

XV, 5

liehe Gehölze, anderswo hat der Garten sein eigenes
Material. Die Kombination von Zier- und Nutzgarten
hat sich hier so, dort so entwickelt und dürfte kaum
so wie heute nach Schulregeln „entworfen“ sein.
Tradition. — Vielerorts zog man geschnittene Hecken-
lauben oder anderswo berankte Treillagen den Holz-
lauben vor. In manchen Gegenden ist das gebaute
verschließbare, ja heizbare Gartenhaus bodenständig
und wir suchen vergeblich nach der offenen Holzlaube.
Auch das geschlossene Gartenhaus ist z.B. im Bergischen
ein allerliebster, beschieferter Fachwerkbau, in Mittel-
deutschland Putzbau. Ob mit Schiefer- oder Ziegel-
dach, hängt wieder von der Gegend ab. Nord und Süd,
Ost und West zeigen charakteristische Unterschiede.
Ebenso ist die Anlage derartiger kleiner Gartenarchi-
tekturen sehr lehrreich, wenn man beobachtet, wie die
umliegende Gegend sie beeinflußt. Wie im Gebirge,
in der Ebene, in trockener oder gewässerreicher Gegend.
Mit den anderen Sachen, als Wasserbecken, Brunnen,
Gartenmöbeln, Sonnenuhren, Einfriedigungen und ande-
rem mehr kann man die gleiche Beobachtung machen.
Wer irgendwo einen Garten anlegen will, wird, wenn
er sich erst die „Gegend“ genau ansieht, schönere,
intimere und gehaltvollere Lösungen finden, als wenn
er es nur vom Büro aus besorgt.

Gerade dadurch, daß man sich etwas allzusehr
über das bisher an Ort und Stelle durch Jahrhunderte
gesund Entwickelte hinwegsetzte, haben wir soviel
daneben gehauen. Ich bin der Ansicht, daß bei Studien-
reisen vollends bei Schülerfahrten mehr Rücksicht auf
das Studium des Bodenständigen genommen werden
muß, soll die Gartenkunst nicht verflachen, son-
dern sich gesund entwickeln. Besonders die Schulen
sollten ihr Interesse nicht gar so ausschließlich den
„allerneuesten Errungenschaften“ zuwenden, sondern
auch der Art, die das gute Alte durch jahrhunderte-
lange Tradition und organische Entwickelung
herangereift ist. Das Reisen wird dann nicht
mehr zum Motivensammeln und Auswendiglernen,
sondern zum ernsten gründlichen Erleben und Er-
gründen. Hat ein Lehrer, vorausgesetzt, er hat das
Zeug dazu, seinen Schülern an 2—3 charakteristischen
alten gediegenen Beispielen an Ort und Stelle die Sache
erläutert, die Schüler eine Anlage vermessen, zeichnen
und erläutern lassen; ihnen eingehend Entwickelung,
örtliche Verhältnisse, geschichtliche und natürliche
Einflüsse erklärt, welche die Entwickelung beeinflußten,
daß es gerade so wurde, wie es ist; so hat der Schüler
mehr Nutzen, als wenn der Lehrer in der Schule den
Schülern sein Wissen aufpfropft. Zu derartigen Studien
findet sich in der Umgebung jeder Schule Gelegenheit
und es kommt mehr darauf an, daß weniges, aber
gründlich und erschöpfend behandelt wird. Dann wird
der Schüler später, er mag hinkommen wo er will,
genau wissen, worauf es ankommt.

Auch bei unseren Studienreisen wird zuviel gesehen
und die knappe Zeit läßt ein gründliches Studium
nicht zu.

Auch der Heimatschutz im produktiven Sinne
leidet darunter. An sich gute Neuanlagen passen meist
nicht recht in eine Gegend, weil ihre Planung und be-
sonders die Details keine Beziehungen zum Boden-
ständigen haben. Ausländer mit fremder Sprache.

Parallelen sind lehrreich. Besonders dann, wenn
man die Entwickelung selbst überall verfolgen kann. In
der Baukunst und im Kunstgewerbe zeigt sich dies sehr
scharf und deutlich. Die Geschichte lehrt uns, daß die
Gärten, vorausgesetzt, sie taugen etwas —, stets der Ent-
wickelung des Bauens parallel gingen und von der Bau-
kunst und dem Kunstgewerbe in vieler Beziehung be-
einflußt wurden.

Der platte, gleichmacherische „Modernismus“ und
Internationalismus des ausgehenden vorigen Jahrhunderts
ist noch klar vor unseren Augen. Die Baukunst pro-
duzierte da die nämliche Qualität und Art wie wir.
Nord, Süd, Ost, West, ja Europa, Amerika alles war
gleich. Man konnte hinkommen, wo man wollte, über-
all sah man das gleiche aus der Erde wachsen. Häuser
und Gärten, alles der gleiche Kitsch. Und seien wir
mal ehrlich, wir waren sogar stolz darauf. Und waren
vaterlandslose Gesellen. — Es ist keine Phrase, wenns
im Liede heißt:

Ans Vaterland ans teure schließ dich an;

Hier sind die Wurzeln deiner Kraft.

Im fremden Land stehst du allein,

Ein schwaches Rohr, das jeder Sturm zerbricht. —

Und es wurde anders, wir besannen uns darauf,
daß wir Deutsche waren und daß wir, um etwas
leisten zu können, deutsch denken und leben müssen.
Überall auch im Ausland gibts zu lernen; doch es ist
ein Unterschied zwischen jener platten Ausländerei
und einem klugen Lernen und Verarbeiten guter Fort-
schritte. Überall zeigen gute alte Arbeiten die Ein-
flüsse von außen, aber sie sind ins Deutsche über-
setzt. Ja wir haben in verschiedenen Gegenden
Deutschlands den völkischen Eigenarten entsprechend
ganz verschiedene Verarbeitung derselben Einflüsse.
Das friederizianische Barock ist anders als das Dres-
dener von Pöppelmann, und wieder anders als das
bayrische. Diese sind wieder ganz verschieden vom
bergischen, und an der Wasserkante bauten sie eben-
falls nach ihrem Schnabel. Man besaß eben Rasse-
gefühl. Und dieses Rassegefühl schmiedete die
deutsche Kaiserkrone. —

Glaubt man mit der lendenlahmen Schablone und Aus-
länderei das Gleiche zu erreichen? Gemach, wirbekommen
schon wieder, freilich langsam, Rassegefühl. Wir sehen
wieder, welche Schätze der deutsche Boden birgt. Nicht
wenige haben den Moralischen bereits überstanden.

Man baut in München heute anders als in Dresden und
Berlin. Auch in Hamburg und anderswo nehmen die Aller-
tüchtigsten die Tradition bewußt und mit feinem Ver-
ständnis für die Forderungen unserer neuen Verhältnisse
wieder auf. Von einem Verwenden des Alten ist da
keine Rede. Aber auch die sogenannten neuen Errungen-
schaften schätzt man nicht höher ein als sie es wert sind.
 
Annotationen