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Die Gartenkunst — 15.1913

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Nr. 9
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Maasz, Harry: Grünfläche und Volkspark
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https://doi.org/10.11588/diglit.28103#0135

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XV, 9

DIE GARTENKUNST.

127

Für den Volkspark unserer Großstädte scheint mir
der überlieferte Grünplatz, die ehemalige Freiweide,
der Brink oder die „Wisch“, die Urform, von der
ausgehend nun der neue Organismus „Volkspark“ ent-
wickelt werden kann. Ob reich, ob einfach gestaltet,
das wird sich ganz nach den obwaltenden Umständen
und Verhältnissen zu richten haben, sowie nach den
zu stellenden Anforderungen und Ansprüchen. Jeden-
falls aber werden dem zu schaffenden Parkorganismus
zuvor rein sachliche und zweckdienliche Tendenzen
zugrundegelegt werden müssen; wenn nicht überhaupt
die Grünanlage, der Volkspark zuvor wie eine Art
„Reservat“, gleich oder ähnlich den überlieferten Frei-
weiden und Grünflächen des Mittelalters, im Stadt-
bebauungsplan ausgespart wird.

Für kleinere Verhältnisse werden Alleen die Flächen
umfangen, größeren Komplexen gibt man Umrandung
und Teilung durch waldartig aufgepflanzte Baumpartien,
die jung gepflanzt bald heranwachsen und in verhältnis-
mäßig wenigen Jahren Schutz vor Wind und Sonne
geben. Eine waldartig, nach forsttechnischen Gesichts-
punkten aufgeschulte Pflanzung treibt sich bekanntlich
schnell und üppig in die Flöhe.

Die Kosten eines derartigen Verfahrens sind ver-
hältnismäßig gering und nicht empfindlich, somit dem
Entstehen der Anlage nicht hinderlich. Vielerwärts
versäumen die Behörden großer wie mittelgroßer Städte
in der Regel ob der allzuhohen Kosten die rechtzeitige
Anlage von Volksparks und sozialen Grünplätzen.

Nach Lage zur Flimmelsrichtung, nach Größe und
Ausdehnung, nach Bodenlage und Bodenbeschaffenheit
lassen sich charakteristische Formenprägungen dem
Organismus auferlegen. Seine rhythmische Gliederung
wird durch Einbringung von Zweck- und Nutzungs-
formen bedingt.

Ich bringe hierneben den Grundplan und eine
Vogelschauskizze eines für Lübecker Verhältnisse zu-
geschnittenen Volksparks in einer vornehmlich von
arbeitender Bevölkerung bewohnten Vorstadt. Es ent-
sprach dem Wesen der ehemaligen Parkpolitik, daß
Stadtviertel mit minder begüterter Bevölkerung garnicht
oder doch nur sehr spärlich mit Anlagen bedacht wurden,
der Park war eben in der Hauptsache für die mehr
begüterten Stadtviertel bestimmt, so auch in diesem
Falle. Heute macht sich die Forderung nach einem
Volkspark in starkem Maße bemerkbar und glücklicher-
weise liegen die Verhältnisse für die Schaffung eines
solchen äußerst günstig. In städtischem Besitz befind-
liches Terrain steht in reichem Maße zur Verfügung.
Seine Bebauung ist der Tiefenlage wegen ausge-
schlossen und nach seinem nordöstlichen Ende zu, an
einer Hauptverkehrsstraße befindet sich bereits alter
Baumbestand, der Park eines ehemaligen Gutshofes.

An diesen Park, der in seiner jetzigen Gestalt unter
wenigen Veränderungen beizubehalten ist, gliedert sich
nach Westen hin das Volksparkterrain an in einer
Länge von etwa 900 m und einer Breite von 400 m.
Das rings den neuen Park umgebende Gelände liegt

wieder so hoch genug, um eine Entwässerung der
Grundstücke, einen Anschluß an die Sielleitung zu er-
möglichen, um also der Bebauung erschlossen werden
zu können. Das sehr feuchte Wiesenland muß ent-
feuchtet werden, um es nutzbar zu machen. Dazu
dient der 20 m breite. Kanal, der an Stelle eines heute
dort fließenden Flutgrabens gelegt ist und in ein rundes
Wasserbecken einmündet, das von einer Doppelreihe
. von Kastanien umgeben ist. Die Grünfläche wird in
ihrem ganzen Umfange waldartig umforstet, so daß
neben sonnigen Weide- und Wiesenflächen, Waldpartien
entstehen mit schattigen Wegen und Plätzen.

Wie die Vogelschauskizze es zeigt, wird sich in
späteren Jahren einmal der Volkspark heranbilden.

Am östlichen Ende, der stark verbreiterten, von
Kastanienalleen monumental umfangenen Wasserachse
gruppieren sich die Parkgebäude. Ein Gesellschafts-
haus mit Turnhalle und Versammlungssälen, mit Biblio-
thek und Lesezimmern, mit Kegelbahnen und den
Hallen, welche um Freiluft- und Sonnenbäder herum-
liegen, einen geräumigen Konzert- und Versammlungs-
platz anderseitig begrenzend.

Dem Park sind in der Nähe der Baulichkeiten
ein Rosen- und Blumengarten eingegliedert. Ferner
ist an einem besonders günstigen Platz mit bestehendem
Teich und deren wuchernder üppiger Sumpfvegetation
der botanische Schulgarten untergebracht.

Dieser hier in Bild und Wort skizzierte Volks-
/parktyp klingt leise an die von Heicke in Nr. 24 der
Gartenkunst des Jahres 1912 wiedergegebenen Volks-
parkform für Frankfurt a. M. „auf dem Huth" an.
Weite geräumige Wiesenflächen, die hier von Wald-
partien umsäumt sind statt von Alleen. Hiezu kommt
der aus den Verhältnissen heraus entstandene Kanal
für Wassersport und winterlichen Schlittschuhsport.
Unterschiedlich von dem Heickeschen Projekt aber ist
das für Lübeck in Vorschlag gebrachte Volkspark-
projekt im wesentlich dadurch, daß hier Grünflächen,
Wald, Wasser in rhythmischer Gesetzmäßigkeit zuein-
ander in Beziehung gebracht worden sind, wie denn
auch die Einzeleinordnungen von Blumengärten, Schul-
garten,Gebäudegruppen und das von Kastanien umgrenzte
Rundbassin zur bewußt rhythmischen Formengebung er-
höht beitragen. An einem wohl abgewogenen Ausgleich
der Verhältnisse zueinander sollte man es, wenn es die
Verhältnisse irgendwie erlauben, selbst bei der nüchtern-
sten Parkform, unserem Volkspark, nicht fehlen lassen.

„Aus ihrem Nutzwert heraus entwickelt sich
ihre besondere, nicht selten monumentale Schönheit“,
sagt zum Heickeschen prächtig großzügigen und schab-
lonenfreien Volksparkprojekt Victor Zobel. Um wie-
vieles mehr aber steigert sich die monumentale Schön-
heit, der monumentale Wert durch zielbewußte Formen-
gebung, durch eine durchaus klare Formensprache aller
den Organismus bildender Faktoren, insonderheit aber
der zur Anwendung gelangenden Pflanzung, der Raum-
bildnerin.
 
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