Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Gartenkunst — 15.1913

DOI issue:
Nr. 10
DOI article:
Rasch, Edgar: Landsitz des Freiherrn Max von Heyl
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.28103#0150

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
142

DIE GARTENKUNST.

XV, 10

Köpfe bekommen. Bedenken wir, wie leicht uns heute
durch die Fachpresse, die Literatur und Ausstellungen
das Lernen gemacht wird, so ist keine Beurteilung
unserer Arbeiten zu streng.

Und gerade deshalb möchte ich gar viele garten-
künstlerische Erzeugnisse von heute erheblich niedriger
zensieren, als es sonst üblich ist. Bei den Hilfsmitteln,
die uns heute zu Gebote stehen, müssen die höchsten
Ansprüche an die Arbeit gestellt werden.

Was uns bis jetzt noch fehlt, was von unseren
Tüchtigsten angestrebt wird, parallel der Baukunst, ist der
ausgereifte Stil, welcher unserer Zeit und Kunst genügt.

Eines ist sicher; wir haben ihn noch nicht. Der
Weg zu ihm ist den Tüchtigsten wohl bekannt und
wird zielbewußt verfolgt.

Bei Betrachtung mancher Wettbewerbsarbeiten ist
dies durchaus klar und bestimmt erkennbar.

Eins verwirrt den Unkundigen, die Verschieden-
heit des Ausdrucks. Es sind dies völlig berechtigte
persönliche Eigenheiten der Betreffenden, gerade wie
bei den Architekten und anderen Künstlern. Der
Oberflächliche hält eben das sekundäre Ausdrucks-
mittel für das Wesen der Sache.

Es ist hier in der „Gartenkunst“ schon oft gesagt,
daß wir das Wesen des Gartens, wie ihn die neue
Zeit erfordert, nur dann verstehen können, wenn wir
das Wesen des gesamten Kunstschaffens unserer
Zeit verstanden haben. Künstler, Architekten,
Städtebauer haben in der „Gartenkunst“ seit Jahren
gesprochen. Die Nutzanwendung der Lehren zeigt sich
wohl in äußerlichen Formen sekundärer Art; Arbeiten,
die von wirklichem Vers tändnis zeugen, sind jedoch
noch bitter selten.

Auch heute herrscht noch die Ansicht, daß die
Gartenkunst eine dekorative Betätigung ist. Genau
so, wie man früher in der Innenarchitektur nur etwas
„Verschönerndes“ erblickte, welches sich die Wohl-
habenden leisteten. Wenn man sieht, wie die meisten
privaten und öffentlichen Neuanlagen „gärtnerisch ver-
schönert“ werden, wird man verstehen, wie langsam
es bei uns vorwärts geht.

Für „Luxus“-Anlagen ist selbst in der vornehmsten
Baukunst kein Sinn vorhanden. Wir würden wohl mehr
Erfolg haben, wenn wir den Garten vielmehr als „Ge-
brauch sge g e n st an d“ behandeln. Nicht nur des-
halb, weil dann das Publikum gesündere Begriffe unserer
Arbeit bekommt und die Gärten vernünftiger gestaltet
würden; sondern weil dies der einzige Weg ist, welcher
uns zum Ziel führt.

Eine schöne Gestaltung einer Sache hat nichts
mit „Verzierung“ zu tun. Verzierung ist nur ein Auf-
putzen eines Gegenstandes, welcher ohne dies Drum
und Dran unbefriedigend wirken würde.

Ein Garten, welcher erst Blumenbeete, schöne
Sträucher und Gartenarchitekturen braucht, um zu „ge-
fallen“, ist eine völlig verfehlte Anlage.

Wir kommen hier ganz auf denselben Punkt, von
dem aus die Bewegung in der neueren Kunst ausgeht.

Zur Lösung jeder Aufgabe ist allein der Zweck be-
stimmend. Stellen wir uns auf den gleichen Stand-
punkt in der Lösung unserer Gartenaufgaben, so werden
meist ganz andere Ergebnisse herauskommen.

Ich leugne es nicht, das dies bereits vielerorts ge-
schieht. Niemand aber wird bestreiten, daß in der
allgemeinen Praxis kaum etwas davon zu bemerken ist.

Man betrachte nur die Hausgärten. Haben die-
selben weiter keinen Zweck, als ein nettes Bild für
den Beschauer zu bieten oder Gelegenheit zum „Spa-
zierengehen“? Hält man die Menschheit für so be-
schränkt, daß ihr der Garten weiter nichts zu bieten hat?
Als besondere Dokumente unserer Zeit möchte ich weiter
die Vorgärten an der Straße einer Prüfung unterbreiten.

Welchen Zweck sollen diese elenden Machwerke
verfolgen? Auch hier sieht man, daß Reformen ganz
wo anders einsetzen müssen als beim Detail. Die
ganzen Grund 1 agen als baupolizeiliche Vorschriften,
Bodenpolitik sind veraltet und müssen auf vernünf-
tigen Grundlagen neu aufgebaut werden, welche den
Zweck dieser Anlagen zu erfüllen bestrebt sind. Die
Architektur ist da schon im Hausbau tüchtig vorange-
gangen und hat mit den veralteten Schutzmannsweis-
heiten und Polizeiästhetiken zum großen Teil aufgeräumt.

Eine Arbeit, die bei uns von unseren beamteten
Kollegen schon lange besorgt sein müßte.

Zur Ausgestaltung eines Straßenzuges der Stadt
durch Grün gehört eben eine einheitliche Anlage und
keine zusammenhanglose geschmacklos eingefriedigte,
meist sinnlos bepflanzte und verwahrloste Reihe von
Gärtchen, die als Aufenthalt für den Eigentümer gar
nicht in Frage kommen. Gärten, die weder die dazu-
gehörigen Häuser schmücken (angeblich sollen sie es
nach polizeilicher Vorschrift) noch weniger die Straße,
die ganze Sache ist stillos.

Bedenken wir doch nur, daß eine gute Gesamt-
anlage der Vorgärten selbst die elendesten Architek-
turenfronten aus der letzten vorigen Jahrhunderthälfte
zu einem leidlichen Straßenbild zusammenziehen könnte.

Wir sehen, daß wahre Schönheit zu allererst in
der strengen Erfüllung des Gebrauchszweckes beginnt.
Die Lösung einer Aufgabe ist nur dann gut, wenn sie
klipp und klar erkennen läßt, daß sie den Kern der
Sache richtig getroffen hat.

Auch der private Hausgarten hat ganz banale
Zwecke zu erfüllen, wenn er dauernd befriedigen soll.
Wir kommen daher weiter, wenn wir z. B. aus unserem
Bauherrn ausforschen, wie er sich das Leben in
seinem Garten vorstellt. Ob er längere Zeit darin
hin und her (spazieren) geht, ob er gern auf der Bank
sitzt und träumt. Ob er seine Arbeit mit hinausnimmt,
um dort zu schreiben und auch bei ungünstigem Wetter
im Gartenhaus sitzt. Ob er dort ißt und trinkt und
so weiter, da formen sich ganz bestimmte Bilder und
Details, welche bessere Lösungen ergeben als manche
Wunschzettel mit allerlei hübschen Sachen, die dann
zu einer „Zieranlage“ zusammengestellt werden, oder
zu einem „Nutzgarten“ oder einer „gemischten Anlage“.
 
Annotationen