MitLwoch, 4. Jarmar 1905
Erstes Vlatt,
47. Zahrgang. — Nr. 3.
-
tß-lich, SonntagS <nrkge.nomm«n. Pr«l» mit Familirrkblättern monatlich 50 Pfg. in's H-ruS gebracht, bet der Expedition und den Kveigstationen abgeholt 40 Pfg.
Durch die Post bezogen vierteljährlich 1,3b Mk. ausschlietzlich Zupellgeibühr.
Unzeigenpreiki 20 Pfg. für di« Ispaltig« Petitzeile oder deren Raum. Reklamezeile 40 Pfg. Für hiesige GeschäftS. u. Privatanzeigen ermätzigt. — Für di« Aufnahmc von Anzcigen
« brftimmten Tagen tvird keine Verantwortlichkeit überrwmmen. — Anschlag der Jnserate arrf den Plakattafeln der Heidelberger Zeitung u. den städt. Anfchlagstellen. Fernspr. 82.
Der Fall von Port Artliur und die Fort-
setzung des Krieges.
Da und dort ist der Gedanke aufgetaucht, der Fall von
V ortArthur könnte grmsti-g auf die baldige B e e n-
digung des 5? rieges iit Oftasien wirken. Der Ge-
dankengang, der dieser Auffassung zu Grunde liegt, ist
ober doch ein recht willkürlicher und gekünftelter. Jn
Amerika hat man einen Versuchsballon aufsteigen
iassen, allein cr findet keine g ü n st i g e Ausnahme. Es
liegen hicrüber solgende Nachrichten vor:
Newyork, 3. Jan. Eine Depesche der „Newyork
Tribune" aus Washmgton von -gbstern Abend besagt, Pra-
lrdent Roosevelt sei durchaus geneigt, seine gutcu
Dienste zur H e r st e 11 u n g des F r i e d e n s im fe r-
Ueu Osten anzuwenden. Rußland nnd Japan seien
bollkommen davon unterrichtet worden, daß er dies init
Freuden tun würde. Fndessen soi der Präsident durch dic
leit langem"feststehe'nde Politik gehindect, Vocichläge zu
wachen, ehe nicht gleichzeitrg beide kriegfüyrend - Parteien
e>n fhn herantreten. Die biegierung nahm heute Abend
«n, daß der Abschluß eines Waffenst'llstandeZ vor Ende
^ieser Woche gesichert sei. Jm dipiomatischeii Korpo
^errsche der Eindruck vor, daß Europa zur Vcrmeidung
^ner etivaigen Störung dcr bestehenden Einrracht es bei
^Neitem vorziehen würde, daß Washingtou der Schauplatz
^er endgültigen Regclung der Streittgkeite'i zwischem
'Hutzlan-d und Japan würdc. Es werde der Gedanke
^ngeregt, Frankreich könnte dre Mächte jondieren, wenn
d-er Vorschlag für Rutzland cmnchnibar erscheine.
Newyork, 3. -Jain. Man glaubt hier, dasz die
^ashingtoner Meldung der „Newyork Times" ünir
ventuelIe F r i e d e n s v e r ni i t t l u u g c n iu-
^iriert sei. Die Mitteitun-g ichlietzt wie folgti Weun
^ußland auf Gebietseroberungen verzichtet uud stch da-
-Nit begnügt, sich das dauernde Recht aus freien Zu-
2ung für den Handel zri Mser z» sichern, so müßte dies
hen Boden dcr Verständigung zwisckjen den beiden Kricg-
^'ihrenden zum beiderseitigen Nutzen uud zur beiderseiti-
--ien Ehre abgchen.
P a r i s, 3. Jan. Der „Demps" hat eineu Mitarbei-
zur hiesigen russts ch e u B otschask gesandr,
hier an zuständiger Quelle sich zu erkuudigen, willchen
^ in f -s ^ ß ,nan bem FalI c » o n P o r t r t h u r
"Brs den weitern Gang der Ereignisse in
F st a s i c n beimesse. Dem Mitarbeiter des Blattes
Airde verstchert, daß der Fall von Port Arthur ein Er-
°rgnis sei, das man längst schon bei früheren Erklärun-
rsen nmtlick>er russischer Seite über die Fortdauer des
.niieged in Rechnrmg gezogon habe. „D e r Krieg",
^utet die Erklärung der russischen Botschast weitcr, „wird,
veim die strenge Kälte nachgelassen hat, aufs neue bis zur
. utscheidung aufgeno m m e n werden. Kuro-
llEin wird im Laufe des Monats Januar z w ei ne u e
I weekorps evhalten, zwei weitere Armee-i-
s orp s nm den 10. Februar herum. Er wird demnach
ieckzs Wock)en über ein Hcer von 400 000 Mann ver-
Was die Verstärkung betrifft, die das He e r
Nogis der Amioc Oyamas bringen wird ,so darf man
nicht vergessen, daß die fiinf Divisionen,'die Port Arthur
seit sieben Monaten bclagerten, stark gelichtet und er°
schöpst sind durch die stirchtbaren Kämpse, die sie zu be-
stehen hatten. Da 5luropatkin nach Ansicht militärischer
Sachverständ-iger und namentlich des Obersten Lazarew
nur noch ein einziges Ziel im Auge -hat, n-ämlich die Be°
siegung Oyamas, so wird er eine größ-ere Freiheit für die
Kriegführurig und fiir seine Entschließungen erhalten,
als wenn zu den allgemeinen- strategrschen Gesichtspunkten
ftir ihn auch noch die Sorge um üie Entsetzung Port
Arthurs hinzukäme. Sie können darnach in der bestimm-
testen Weise erklären, daß in den Absichten R u ß-
lands keiuerlei Aenderung hervorgeru-
f e n wor-den ist und daß es mehr denn je entschlossen ist,
den Kvieg bis zur äußersten Entscheidung fortzuführcn.
Das muß gesagt werden am Tage nach dcm traurigen Er-
eignis, und das ist cs, wa-Z den tendenziösen Mitteilungeu
er-widert werden muß, die die Lage so darstellen, als
wäre Rußland zerstampst und müßte sich darin ergeben,
Frieden zu schließen. Wir werdcn von F r i e d e n er st
nachdcmSiegereden.
L o n d o n. 3. Jan. Reuter erfährt: Jn unter-
richteten Kreison Londons ist nichts belannt, was zu den
aus Newyork und Washington herrührenden Frie-
d e n s a n r e g u n g e n einen Anhalt geben könnte. Die
Fdee eines sofortigen Waffensüllstandss findet keinen
Glauben. Alle auf Frledensverhandlungen lautenden
Meldungen werden als so gänzlich verfrüht bezeichnet,
daß sie wenig Ausmerksamkeit ve-rdienen, insoferu als
von einer Vermittlung, die den Verhandlungen voran-
gohen muß, keine Rede sein könne, falls nicht beide krieg-
ftihrcnden Mächte einen solchen Wunsch äußern. Nach
London istll'eine Andeutung eines derartig beabsichtigten
Schritts gelangt.
DeuLsches Reich.
-— Das vielbesprochene Dessauer Kriegsge -
richtsurtei l, das gegen zwei Soldaten auf 6 Jahre
Zuchthaus erkanut hatte, weil sie einen betrunkonen Un-
teroffizier g'ehindert hatten, mit seiner Waffe Menschen-
lleben in Gefahr zu b-ringen, wird in der „Deutschen
Juristenzeitung" von dem Professor Mayer-Straßburg
einer Kritik imterzogen, die zu dem Schluß gelangt, daß
das Urteil nur iufo-Ige einer unrichtigen Anwendung des
G-ese'tzes zustaude kommen konnte. Prof. Mayer Letont,
daß von einer Z u s a m m e n r o t tu ng keineRede
sein kann.
Badkn.
K arlLru h e, 3. Jan. Prinz G u st av Adols
von Schweden tritt am Montag eine Reise nach Kairo
an, währeud sein jüngerer Bruder, Prinz Wilhelm.
nach Stockholm zurückkehrt.
Kys der Karlsruher ZeiLung.
— Scine Kömgliche Hoheit der Grotzherzog haben
dem Hauptmann- C h r i st i a n i doin 1. Scebataillon, Vorstair»
des Bekleidunysanites der Marinestation der Ostsee, -das Rit-
terkrcuz 2. Klasse mit Eichenlaub des Ordens vom Zühringcr
Lötven verliehen, Len lBahn-verwaltcr, Bahnhofinspeltor Karl
Schneider in Karlsruhe untcr Verleihung -dcs Titcls „Be-
trie-bsinspcktor" zum Zentralinspektor der Generaldircktion der
Staatseisenbahnen, den Betricbskontrolleur Otto Mörch in
Singen und den Stationskontrolleur Friedrich R a tz in Ding-
Ilngen zu Bahnberwaltern, un-d -den Stationsverwalter Josef
Martin in Basel zum Stationskontrolleur ernannt.
— Tem Bahnverwalter Otto Mörch wurdc das Stations-
amt Singen, dem -Bahnverwaltcr Friedrich Ratz das Stations-
anit Dinglingen ii-bertragen, Stationskontrollcur Georg Hau-
ser mit Versehung dcs StationSamtcS Mannhcim Rangier-
bahnhof betraut und Stationskontrolleur Joseph Martin dem
Stationsamt Basel zugeteilt.
— Aintsaktuar Adam Probst beim lBezirksamt Metzkirch
wurde zum Registrator daselbst ernannl.
— Forstpraktikant. Auf Grund der im Dezeinber 1004
vorgenommenen Staatsprüfung im Forstfache ist der Kandidat
Hubcrt Zirchcr aus Stühlingen untcr dic Zahl der Forst-
praktikanten aufgenommen worden.
Ausland.
Schweiz.
— Jn Genf haben am Donnerstag steben Sol-
ü a t e n, die kürzlich wegen Werweigerung der Dienst-
pslicht mit Arrest bestraft worden waren, im Arsenal ihre
Wafsen abgegeben nnd erklärt, daß ste nicht weiterdienen
wollten, weil ste ungerecht bestraft worden seien. Der
Zeughausverwalter Major Grivc-l stcllte ihnen die Folgen
ihres Schrittes vor, sie aber beharrten aus ihrer Erklä-
nung, nie mehr eine Unisorm tragen zu wollen; sie lie-
ßen ihre Waffen im Stich und entsernten sich. >Der
stellvertretende Militärdirektor Staatsrat Odier erlietz
gegen die streikenden Vaterlandsverteidiger Haftbefehle
und benachrichtigte den Bundesrat niit der Bitte um Fn-
strnktion,
Rußiaoü.
Petersburg, 3. Januar. Das Gerücht, an dis
Stelle des Moskauer Generalgouverneurs trete
der S t a d t h a u p t m a n n F ü r st G a l i tz i n, be-
stätigt sich. Jn Moskau ist in dieser Angelegenheit der
Direttor des Departements der allgemeinen Angelegen-
heiten des Ministeriums des Jnnern, Vatazzi, eingetrof-
fen. Die Bedeutun-g dieser Nachricht liegt darin, daß der
G e n e r a l g o uv e r n e u r niemand anders ist, als der
Großfürst Sergius Alexandrowitsch, der
Oheim und Schwager des Zauen. Er gilt als eine der
festesten Stützen der Regierungsform, die durch den er-
inordeten Minister v. Plehwe ihren ausgeprägtenl Cha-
rakter erhalten hatte, und sonüt als Lodfeind aller libe-
ralen Gedanken. Nicht nur die Forderungcn, welche die
gebildeten Kreise jetzt zum Teil überlaut erheben, sondern
nuch die Ziclle des neuen Ministers des Jnnern Fürst
Swiatopolk-Rfirski sind ihm und seinem Kreise stets als
verwerflich erschienen. Nun haben sich neuerdings in
Moskau Worgänge abgespielt, die keinen Zweifel daran
ließen, daß in diesem Mittelpunkt der moskowitischen
Bewegung dieselbe furchtbare Erbitterungl
gegen die Büreaukratie b esteht, wie in
Die SylvesteLnacht in Verlin»
Die „Lllöln. Ztg." erzählt:
Der groteske Anblick, der dein Berlluer Sylvestcr-
^iberi cigen ist, daß närnlich in den Abendstundcn dic
ll^"bfitraßen — Leipzigerstraße, Friedrichsstraße --- cher
'En Anblick einer Stadt bieten, die von einer Katastrophe
sptroffc,, jst, fehlte auch diesmal nicht. Die Weinstuben
o ^ Mschlossen, die E-afös haben ihrc Rollläden herunter-
^lsen, die großen Bogenlampen vor den Restaurationen
' pd Schouläden-sind erloschen. Dunkle Menschengruppen,
^ rhre Schatten auf den frischgefallsnen Schnee w-erfen,
-rvkle Straßen und überall blinkende Schutzmannshelme.
erli». bereitet sich auf die Sylvesternacht vor, wie auf
^klagerun-gszustand, dcn es ja auch gewissermaßen
^dhüit, dem Mob gegenüber, der um die Mitternachts-
' Wdx nom Zentrum und Osten her nach der Gegend der
, strönrt. Schon um 5 Uhr sch'loß das große Wein-
al Kempinski in der Leipzigerstraße seine Pfortcn,
tz^.andere folgten; gegen 9 Uhr schlossen die großen
^ st'Z: n, tzbi meisten Bierrestaurants war der Zntritt
i'nd Lösun-g einer Karte möglich, alles Debattieren
Parlamenfieren mit dem Pförtner half da nichts.
F ^/tnzelnen Tisckze in Len beliebten Weinrestaürants —
Winzer Wcinstuben, Lraube — waren schon
fiir diesen Abend belegt, drinnen huiter den
nmossenen Türen herrschte ein tolliP Leben; da flogen
k
5ie Papierschlangen, knallten die Sektpfropfen, fiedelten
die Kapellen mnntere Weisen. Die Theater waren von
eincm eleganten Publit'um erftillt; sie boten den für Ber-
lin ungewohnten Anblick, daß die Hercenwelt znm größten
Teil in Frack oder Smoking zu sehen war, die Damen in
ausgeschnittener Toilette. Die meisten begaben sich nach-
her in eine Gesellschaft oder ein Reftaurant. Die twr-
nehmsten aus Verlin blieben natürlich überhaupt zu
Hause; sür sie ist die Gegend der Linden in dieser Nacht
ein Ort des Schreckens. Die Menschenansammlungen be-
gannen 'hier etwa um 10 Uhr; dann zogen lange Züge
von Menschen die Friedrichsstraße hinab 'bis in die Gegend
der Leipziger Straße. Die eigentlich radaulüstigen Eele-
mente erschienen aber wie gewöhnlich erst gegen Mitter-
nacht, etwa aus der Gegend des Zentrums her. Das trok-
kene Wetter, das sreilich von scharfer Kälte begleitet war,
begünstigte die Menschenansammlungen. Berlin hatte
an diesem letztcn Tage des Jahres einen sehr empfindlichen
Witterungsnmschlag erlebt; nach dem heftigen Sturm und
Regen der vörhargehenden Tage war ganz plötzlich starke
Kälte gefolgt. Wie gewöhnlich in dcr Sylvesternacht
waren starke Massen von Schutzleuten aufgeboten, die ge-
nügten, um die Qrdnung anfreckst zu erhalten. Seit man
die frü'here Praxis aufgegeben hat, die Leute, die Lärm
machen, nach der Wache zn fiihren und dann zu entlassen,
und seit die Besttafung wegen groben Unfirgs drohend im
Hintergrunde steht, haben die Ruhestörungen sehr nach-
gelassen. Um Mitternacht, als die Glocken läuteten, be-
gann das Hurrarufen und Prosit Neujahr-Schreien, das
sich dann durch alle Stadtteile fortpflanzte. Die Menge,
besonders in der Friedrichsstraße, nahm da erst verhält-
nismäßig zu. Noch um 4 und 6 Uhr morgens sah nran
hier große Menschenniengen, die Mühe hatten, sich irgend-
wo einen Trunk oder eine Evfrischung zu verschaffen,
deun auch in den Nebenstraßen der Friedrichstraße waren
die meisten Lokale geschlossen. Für den Verkehr war ge-
sorgt, die Hochbahn fuhr die ganze Nackst unnnterbro-
chen durch, die Wannseebahn hatte einige Züge eingelegt,
und die Straßenbahnen nahmcn schon uni fünf Uhr mor-
gens wieder dichte Massen von Fahrgästen auf. Von
privatcr Seite fanden verschiedene Festlichkeiten in dieser
Nacht statt; die „Bösen Buben" feisrten Sylvester mit
einem humoristischen Cabaret-Abend in der Schlarafia
am Enkeplatz, in der Philharmonie war großer Masken-
ball, und mehrere Cabarets schlossen das alte Jahr mit
ebenso erbaulichen Couplets, wie sie es angefangen hatten.
So konnte sich jeder auf seine Weise vergnügen, und es
ist als eine Besserung der Zeiten zu betrachten, daß die
Radaulust in der Sylvesternacht immer weniger zu Worte
kommt.
Doppelsinnig. A.: „. . . Den Vcrgleich: -die Zigarette rst
dic Braut, die Zigarr« die Fr-Vu, finde ich reizendl" —- B.:
„Gcarz richtig : -meine kohlt!"
Die hestige NsMMer «Mjaßt drei BlLLLer, zusammcu 12 Seiteu
Erstes Vlatt,
47. Zahrgang. — Nr. 3.
-
tß-lich, SonntagS <nrkge.nomm«n. Pr«l» mit Familirrkblättern monatlich 50 Pfg. in's H-ruS gebracht, bet der Expedition und den Kveigstationen abgeholt 40 Pfg.
Durch die Post bezogen vierteljährlich 1,3b Mk. ausschlietzlich Zupellgeibühr.
Unzeigenpreiki 20 Pfg. für di« Ispaltig« Petitzeile oder deren Raum. Reklamezeile 40 Pfg. Für hiesige GeschäftS. u. Privatanzeigen ermätzigt. — Für di« Aufnahmc von Anzcigen
« brftimmten Tagen tvird keine Verantwortlichkeit überrwmmen. — Anschlag der Jnserate arrf den Plakattafeln der Heidelberger Zeitung u. den städt. Anfchlagstellen. Fernspr. 82.
Der Fall von Port Artliur und die Fort-
setzung des Krieges.
Da und dort ist der Gedanke aufgetaucht, der Fall von
V ortArthur könnte grmsti-g auf die baldige B e e n-
digung des 5? rieges iit Oftasien wirken. Der Ge-
dankengang, der dieser Auffassung zu Grunde liegt, ist
ober doch ein recht willkürlicher und gekünftelter. Jn
Amerika hat man einen Versuchsballon aufsteigen
iassen, allein cr findet keine g ü n st i g e Ausnahme. Es
liegen hicrüber solgende Nachrichten vor:
Newyork, 3. Jan. Eine Depesche der „Newyork
Tribune" aus Washmgton von -gbstern Abend besagt, Pra-
lrdent Roosevelt sei durchaus geneigt, seine gutcu
Dienste zur H e r st e 11 u n g des F r i e d e n s im fe r-
Ueu Osten anzuwenden. Rußland nnd Japan seien
bollkommen davon unterrichtet worden, daß er dies init
Freuden tun würde. Fndessen soi der Präsident durch dic
leit langem"feststehe'nde Politik gehindect, Vocichläge zu
wachen, ehe nicht gleichzeitrg beide kriegfüyrend - Parteien
e>n fhn herantreten. Die biegierung nahm heute Abend
«n, daß der Abschluß eines Waffenst'llstandeZ vor Ende
^ieser Woche gesichert sei. Jm dipiomatischeii Korpo
^errsche der Eindruck vor, daß Europa zur Vcrmeidung
^ner etivaigen Störung dcr bestehenden Einrracht es bei
^Neitem vorziehen würde, daß Washingtou der Schauplatz
^er endgültigen Regclung der Streittgkeite'i zwischem
'Hutzlan-d und Japan würdc. Es werde der Gedanke
^ngeregt, Frankreich könnte dre Mächte jondieren, wenn
d-er Vorschlag für Rutzland cmnchnibar erscheine.
Newyork, 3. -Jain. Man glaubt hier, dasz die
^ashingtoner Meldung der „Newyork Times" ünir
ventuelIe F r i e d e n s v e r ni i t t l u u g c n iu-
^iriert sei. Die Mitteitun-g ichlietzt wie folgti Weun
^ußland auf Gebietseroberungen verzichtet uud stch da-
-Nit begnügt, sich das dauernde Recht aus freien Zu-
2ung für den Handel zri Mser z» sichern, so müßte dies
hen Boden dcr Verständigung zwisckjen den beiden Kricg-
^'ihrenden zum beiderseitigen Nutzen uud zur beiderseiti-
--ien Ehre abgchen.
P a r i s, 3. Jan. Der „Demps" hat eineu Mitarbei-
zur hiesigen russts ch e u B otschask gesandr,
hier an zuständiger Quelle sich zu erkuudigen, willchen
^ in f -s ^ ß ,nan bem FalI c » o n P o r t r t h u r
"Brs den weitern Gang der Ereignisse in
F st a s i c n beimesse. Dem Mitarbeiter des Blattes
Airde verstchert, daß der Fall von Port Arthur ein Er-
°rgnis sei, das man längst schon bei früheren Erklärun-
rsen nmtlick>er russischer Seite über die Fortdauer des
.niieged in Rechnrmg gezogon habe. „D e r Krieg",
^utet die Erklärung der russischen Botschast weitcr, „wird,
veim die strenge Kälte nachgelassen hat, aufs neue bis zur
. utscheidung aufgeno m m e n werden. Kuro-
llEin wird im Laufe des Monats Januar z w ei ne u e
I weekorps evhalten, zwei weitere Armee-i-
s orp s nm den 10. Februar herum. Er wird demnach
ieckzs Wock)en über ein Hcer von 400 000 Mann ver-
Was die Verstärkung betrifft, die das He e r
Nogis der Amioc Oyamas bringen wird ,so darf man
nicht vergessen, daß die fiinf Divisionen,'die Port Arthur
seit sieben Monaten bclagerten, stark gelichtet und er°
schöpst sind durch die stirchtbaren Kämpse, die sie zu be-
stehen hatten. Da 5luropatkin nach Ansicht militärischer
Sachverständ-iger und namentlich des Obersten Lazarew
nur noch ein einziges Ziel im Auge -hat, n-ämlich die Be°
siegung Oyamas, so wird er eine größ-ere Freiheit für die
Kriegführurig und fiir seine Entschließungen erhalten,
als wenn zu den allgemeinen- strategrschen Gesichtspunkten
ftir ihn auch noch die Sorge um üie Entsetzung Port
Arthurs hinzukäme. Sie können darnach in der bestimm-
testen Weise erklären, daß in den Absichten R u ß-
lands keiuerlei Aenderung hervorgeru-
f e n wor-den ist und daß es mehr denn je entschlossen ist,
den Kvieg bis zur äußersten Entscheidung fortzuführcn.
Das muß gesagt werden am Tage nach dcm traurigen Er-
eignis, und das ist cs, wa-Z den tendenziösen Mitteilungeu
er-widert werden muß, die die Lage so darstellen, als
wäre Rußland zerstampst und müßte sich darin ergeben,
Frieden zu schließen. Wir werdcn von F r i e d e n er st
nachdcmSiegereden.
L o n d o n. 3. Jan. Reuter erfährt: Jn unter-
richteten Kreison Londons ist nichts belannt, was zu den
aus Newyork und Washington herrührenden Frie-
d e n s a n r e g u n g e n einen Anhalt geben könnte. Die
Fdee eines sofortigen Waffensüllstandss findet keinen
Glauben. Alle auf Frledensverhandlungen lautenden
Meldungen werden als so gänzlich verfrüht bezeichnet,
daß sie wenig Ausmerksamkeit ve-rdienen, insoferu als
von einer Vermittlung, die den Verhandlungen voran-
gohen muß, keine Rede sein könne, falls nicht beide krieg-
ftihrcnden Mächte einen solchen Wunsch äußern. Nach
London istll'eine Andeutung eines derartig beabsichtigten
Schritts gelangt.
DeuLsches Reich.
-— Das vielbesprochene Dessauer Kriegsge -
richtsurtei l, das gegen zwei Soldaten auf 6 Jahre
Zuchthaus erkanut hatte, weil sie einen betrunkonen Un-
teroffizier g'ehindert hatten, mit seiner Waffe Menschen-
lleben in Gefahr zu b-ringen, wird in der „Deutschen
Juristenzeitung" von dem Professor Mayer-Straßburg
einer Kritik imterzogen, die zu dem Schluß gelangt, daß
das Urteil nur iufo-Ige einer unrichtigen Anwendung des
G-ese'tzes zustaude kommen konnte. Prof. Mayer Letont,
daß von einer Z u s a m m e n r o t tu ng keineRede
sein kann.
Badkn.
K arlLru h e, 3. Jan. Prinz G u st av Adols
von Schweden tritt am Montag eine Reise nach Kairo
an, währeud sein jüngerer Bruder, Prinz Wilhelm.
nach Stockholm zurückkehrt.
Kys der Karlsruher ZeiLung.
— Scine Kömgliche Hoheit der Grotzherzog haben
dem Hauptmann- C h r i st i a n i doin 1. Scebataillon, Vorstair»
des Bekleidunysanites der Marinestation der Ostsee, -das Rit-
terkrcuz 2. Klasse mit Eichenlaub des Ordens vom Zühringcr
Lötven verliehen, Len lBahn-verwaltcr, Bahnhofinspeltor Karl
Schneider in Karlsruhe untcr Verleihung -dcs Titcls „Be-
trie-bsinspcktor" zum Zentralinspektor der Generaldircktion der
Staatseisenbahnen, den Betricbskontrolleur Otto Mörch in
Singen und den Stationskontrolleur Friedrich R a tz in Ding-
Ilngen zu Bahnberwaltern, un-d -den Stationsverwalter Josef
Martin in Basel zum Stationskontrolleur ernannt.
— Tem Bahnverwalter Otto Mörch wurdc das Stations-
amt Singen, dem -Bahnverwaltcr Friedrich Ratz das Stations-
anit Dinglingen ii-bertragen, Stationskontrollcur Georg Hau-
ser mit Versehung dcs StationSamtcS Mannhcim Rangier-
bahnhof betraut und Stationskontrolleur Joseph Martin dem
Stationsamt Basel zugeteilt.
— Aintsaktuar Adam Probst beim lBezirksamt Metzkirch
wurde zum Registrator daselbst ernannl.
— Forstpraktikant. Auf Grund der im Dezeinber 1004
vorgenommenen Staatsprüfung im Forstfache ist der Kandidat
Hubcrt Zirchcr aus Stühlingen untcr dic Zahl der Forst-
praktikanten aufgenommen worden.
Ausland.
Schweiz.
— Jn Genf haben am Donnerstag steben Sol-
ü a t e n, die kürzlich wegen Werweigerung der Dienst-
pslicht mit Arrest bestraft worden waren, im Arsenal ihre
Wafsen abgegeben nnd erklärt, daß ste nicht weiterdienen
wollten, weil ste ungerecht bestraft worden seien. Der
Zeughausverwalter Major Grivc-l stcllte ihnen die Folgen
ihres Schrittes vor, sie aber beharrten aus ihrer Erklä-
nung, nie mehr eine Unisorm tragen zu wollen; sie lie-
ßen ihre Waffen im Stich und entsernten sich. >Der
stellvertretende Militärdirektor Staatsrat Odier erlietz
gegen die streikenden Vaterlandsverteidiger Haftbefehle
und benachrichtigte den Bundesrat niit der Bitte um Fn-
strnktion,
Rußiaoü.
Petersburg, 3. Januar. Das Gerücht, an dis
Stelle des Moskauer Generalgouverneurs trete
der S t a d t h a u p t m a n n F ü r st G a l i tz i n, be-
stätigt sich. Jn Moskau ist in dieser Angelegenheit der
Direttor des Departements der allgemeinen Angelegen-
heiten des Ministeriums des Jnnern, Vatazzi, eingetrof-
fen. Die Bedeutun-g dieser Nachricht liegt darin, daß der
G e n e r a l g o uv e r n e u r niemand anders ist, als der
Großfürst Sergius Alexandrowitsch, der
Oheim und Schwager des Zauen. Er gilt als eine der
festesten Stützen der Regierungsform, die durch den er-
inordeten Minister v. Plehwe ihren ausgeprägtenl Cha-
rakter erhalten hatte, und sonüt als Lodfeind aller libe-
ralen Gedanken. Nicht nur die Forderungcn, welche die
gebildeten Kreise jetzt zum Teil überlaut erheben, sondern
nuch die Ziclle des neuen Ministers des Jnnern Fürst
Swiatopolk-Rfirski sind ihm und seinem Kreise stets als
verwerflich erschienen. Nun haben sich neuerdings in
Moskau Worgänge abgespielt, die keinen Zweifel daran
ließen, daß in diesem Mittelpunkt der moskowitischen
Bewegung dieselbe furchtbare Erbitterungl
gegen die Büreaukratie b esteht, wie in
Die SylvesteLnacht in Verlin»
Die „Lllöln. Ztg." erzählt:
Der groteske Anblick, der dein Berlluer Sylvestcr-
^iberi cigen ist, daß närnlich in den Abendstundcn dic
ll^"bfitraßen — Leipzigerstraße, Friedrichsstraße --- cher
'En Anblick einer Stadt bieten, die von einer Katastrophe
sptroffc,, jst, fehlte auch diesmal nicht. Die Weinstuben
o ^ Mschlossen, die E-afös haben ihrc Rollläden herunter-
^lsen, die großen Bogenlampen vor den Restaurationen
' pd Schouläden-sind erloschen. Dunkle Menschengruppen,
^ rhre Schatten auf den frischgefallsnen Schnee w-erfen,
-rvkle Straßen und überall blinkende Schutzmannshelme.
erli». bereitet sich auf die Sylvesternacht vor, wie auf
^klagerun-gszustand, dcn es ja auch gewissermaßen
^dhüit, dem Mob gegenüber, der um die Mitternachts-
' Wdx nom Zentrum und Osten her nach der Gegend der
, strönrt. Schon um 5 Uhr sch'loß das große Wein-
al Kempinski in der Leipzigerstraße seine Pfortcn,
tz^.andere folgten; gegen 9 Uhr schlossen die großen
^ st'Z: n, tzbi meisten Bierrestaurants war der Zntritt
i'nd Lösun-g einer Karte möglich, alles Debattieren
Parlamenfieren mit dem Pförtner half da nichts.
F ^/tnzelnen Tisckze in Len beliebten Weinrestaürants —
Winzer Wcinstuben, Lraube — waren schon
fiir diesen Abend belegt, drinnen huiter den
nmossenen Türen herrschte ein tolliP Leben; da flogen
k
5ie Papierschlangen, knallten die Sektpfropfen, fiedelten
die Kapellen mnntere Weisen. Die Theater waren von
eincm eleganten Publit'um erftillt; sie boten den für Ber-
lin ungewohnten Anblick, daß die Hercenwelt znm größten
Teil in Frack oder Smoking zu sehen war, die Damen in
ausgeschnittener Toilette. Die meisten begaben sich nach-
her in eine Gesellschaft oder ein Reftaurant. Die twr-
nehmsten aus Verlin blieben natürlich überhaupt zu
Hause; sür sie ist die Gegend der Linden in dieser Nacht
ein Ort des Schreckens. Die Menschenansammlungen be-
gannen 'hier etwa um 10 Uhr; dann zogen lange Züge
von Menschen die Friedrichsstraße hinab 'bis in die Gegend
der Leipziger Straße. Die eigentlich radaulüstigen Eele-
mente erschienen aber wie gewöhnlich erst gegen Mitter-
nacht, etwa aus der Gegend des Zentrums her. Das trok-
kene Wetter, das sreilich von scharfer Kälte begleitet war,
begünstigte die Menschenansammlungen. Berlin hatte
an diesem letztcn Tage des Jahres einen sehr empfindlichen
Witterungsnmschlag erlebt; nach dem heftigen Sturm und
Regen der vörhargehenden Tage war ganz plötzlich starke
Kälte gefolgt. Wie gewöhnlich in dcr Sylvesternacht
waren starke Massen von Schutzleuten aufgeboten, die ge-
nügten, um die Qrdnung anfreckst zu erhalten. Seit man
die frü'here Praxis aufgegeben hat, die Leute, die Lärm
machen, nach der Wache zn fiihren und dann zu entlassen,
und seit die Besttafung wegen groben Unfirgs drohend im
Hintergrunde steht, haben die Ruhestörungen sehr nach-
gelassen. Um Mitternacht, als die Glocken läuteten, be-
gann das Hurrarufen und Prosit Neujahr-Schreien, das
sich dann durch alle Stadtteile fortpflanzte. Die Menge,
besonders in der Friedrichsstraße, nahm da erst verhält-
nismäßig zu. Noch um 4 und 6 Uhr morgens sah nran
hier große Menschenniengen, die Mühe hatten, sich irgend-
wo einen Trunk oder eine Evfrischung zu verschaffen,
deun auch in den Nebenstraßen der Friedrichstraße waren
die meisten Lokale geschlossen. Für den Verkehr war ge-
sorgt, die Hochbahn fuhr die ganze Nackst unnnterbro-
chen durch, die Wannseebahn hatte einige Züge eingelegt,
und die Straßenbahnen nahmcn schon uni fünf Uhr mor-
gens wieder dichte Massen von Fahrgästen auf. Von
privatcr Seite fanden verschiedene Festlichkeiten in dieser
Nacht statt; die „Bösen Buben" feisrten Sylvester mit
einem humoristischen Cabaret-Abend in der Schlarafia
am Enkeplatz, in der Philharmonie war großer Masken-
ball, und mehrere Cabarets schlossen das alte Jahr mit
ebenso erbaulichen Couplets, wie sie es angefangen hatten.
So konnte sich jeder auf seine Weise vergnügen, und es
ist als eine Besserung der Zeiten zu betrachten, daß die
Radaulust in der Sylvesternacht immer weniger zu Worte
kommt.
Doppelsinnig. A.: „. . . Den Vcrgleich: -die Zigarette rst
dic Braut, die Zigarr« die Fr-Vu, finde ich reizendl" —- B.:
„Gcarz richtig : -meine kohlt!"
Die hestige NsMMer «Mjaßt drei BlLLLer, zusammcu 12 Seiteu