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Heidelberger Zeitung (47) — 1905 (Januar bis Juni)

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Nr. 1-26 (2. Januar 1905 - 31. Januar 1905)
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https://doi.org/10.11588/diglit.16473#0081

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G»sch4tnt tDglich, GormtagS <mßg«wmm«N. Pret» mtt tzamilieniblLttern monatlich 80 Pfg. in'» HanS gebracht, b«i ber Ezpedition und d«n Zwelgstationen abgebolt 40 Pfg.

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«m bestimmten Tagen wird keine Verantwortlichkeit übernommen. — Anschlag Ler Jnserate auf den Plakattafeln der Heidelberger Zeitung u. den städt. Anschlagstellen. Fcrnspr. 8L.

Deutscher Reichstag.

Berlrn, 11. Januar.

Am Bundesratstische Staatssekretär Dr. Nteberding.
Tas Haus begrnnt die ziveite E t a t s b e r a t u n g.

Der Etat des Reichstags wirü debattelos erledigt; es folgt
der Iusrizetat uuter» Voranftelluu-g der Resolution Müller-
Memingen-Hauhmann, wonach die Gegenseitigkeit gemätz 8 102
und 103 des Strafgesetzbuches nur nach ordnungsmätzig ver-
öffentlichten Staatsverträgen und uur solchen Staaten,gewährt
ioerden soll, dercn innere Verfassung die Gegenseitigkeit ge-
währleistet! serner sollen über die Ausliefcrung von Ausläirdern
nur vom Reichc Staatsverträge/abgeschloffen werden dürfca
und die von den Einzclstaaten <tbgeschloffenen Auslicferun-gs-
verträge tunlichst bald getüirdigt werdcn.

ALg. M ü l I c r - Dteiningen (freis. Vp.) begründet dic Rc-
soluriou. Jm Königsberger Prozetz habcn sich
Sitaatsanwaltschaft und preutzifches Juftfzministicrium sehr
blaiuiert. (Präsident Graf Ballestrem ertlärt diesen Ausdruck
für .mzuläffig; Heiterkcit.) Redner hofft nachMveisen, datz
das Fusrizministc'.ium sich blatzgeftellt hat. (Heiterkeit.) Tie
ganze Affäre habc der Sozialdeinokratie über cine unangenchme
Situation hinwcggeholfen u. ilfr cin billiges Martyriuin verschafft.
Redncr geht nähcr auf den Prozctz ciu; kein anderer Staat stchc
Rutzland gegenüber auf einem solchen Standpunkt wie Deutfch-
land. Der Reichskanzler könnte eigentlich Anstunft darüber
geben, wic Deutfchland sich eine solche Behandluug gefallen
laffen tann. Dic Gegenfcitigkeitsfrage sei im Prozetz unge-
nügcnd gcprüft worden. Unser Antrag will diescn Uebelständen
abhclfen. Rutzland kann cine Gegcnseitigkeit im Sinne der

102 und 103 unseres Strafgesetzbuches überhaupt nicht ver-
bürgen, weil es kcin Rechtsstaat' ist, Wcil dort geheime Ukase
lÄesetz sirrd und eine Kontrolle nicht bestcht. Mehr noch als in
öcr auswärtigcn Politik ist Neutralität in dcr inucren Poiiti!
nonvcndig. Wer cin Land wic Rutzland liebevoll bchandclt,
betommt Schmutz an die Fingcr. Unferc Rcsolutiou will fcrncr
den preutzisch-russischen Anslieferungsvertrag von 1888 durch
eincn allen Anforderungen entsprechcnden Vcrtrag crsehcn.
Hessen alleiu hat in seinem Auslicfcrungsvertrag das Asylrccht
aufrechterhalien. Wir vcrlangen, datz einem Auszuwcisenden
jtets dic Wahl der Grenze freigeftcllt werde.

Siaatssclretär Dr. Nieberdirig: Er werdc auf dic An-
grisfe gcgcn den KönigÄberqer Prozetz nicht anüvortcn, da der
Prozetz noch beim Reichsgericht schwebc. Was die Refoluiion
betrefse, so würde sie die Aufhebung des § 102 und 103 crfor-
derlich machen, wodurch em Vakuum cntständc und ciu lvdcnk-
licher Zustand dcr Nechtiosigkeit. Die voii dcr Rcsinntwn gc-
stelltcn Bedingungen. bczü-lich -er Gegenscillgkeit befteheu bc-
reits. Die Fragc ist nur, ob fie aus dcn vom Vorrcducr dcutl'ch
bezeichnctcu Staat zutreffen. Bcziigl'ch der Auslieferungs«
»erträge kommt in Frage, ob sich Ler Reichskanzlcr in dic Rcchtc
ber Einzclstaatcn cimnischen kann; soweit cs dic Vcrhälinissc
im Reich gestattcn, wird dcr Rcichskanzlcr bcmiiht scin, solchc
Vcrträge Äbzuschlietzen, dic fich in Len Gverizen der Jilterciscn
dcs Rcichcs kcwegcn.

Wg. Lucas (natl.): Wir sind allc cinig, dah dcc KönigL-
bcrgcr Prozch kcin Ruhmcsblatt unsercr RcchtZpflcgc jst.
Der ZustanL gegenü'ber Ruhland ist unhaltbar. Tcc Schutz
der auswärtigen Staatsobcrhäuptcr hat scin Liorrclat in dcm
Dchutz dcr Staatsbürger im Ausland. Wir stimmen auch sür
dcn Punkt dcr Rcsolution bctrcffend die Ausliefcrungsverträge;
der jctzige Zustand ist cin Schlag ins Gesicht der Rcchts--
glcichheit.

Abg. Hase (Soz.); Das Schuldbekenntnis des Justiz-
ministers war nur ein teilweiscs. Ju dem Prozcsse zog dic
Staatsanwaltschaft in weitcm. Matzc dcn dolus cdcntualis
bssran; solche rcchtlichcn Anschauungrn aus politischcn Gründcn
könne sich Tcntschland nicht gcfallcn laffen. Das ganze Vcc-
fahrcn bcruhc auf krafsen Fälschungen dcs russischcn tzicneral-
konsnls, wclchc die Bchörden nicht nachprüftcn.

?1bg. Burlage (Ztr.) crklärt üie Zustinrmung scincr
Partci zu allen drci Punktcn dcr Rcsolution.

Ädbg. Graf L i m b u r g - S t i r u m (konf.) kanii nur
Ziffer 2 der Rcsokution zustimmcn.

Abg. Bcrnstcin (Sog.) bekämpst öeis dcutfchc Aus-
wcisungsverfahren.

staatssckretär Dr. Nieberding; Das Rcichsjnstizamt
sci für die Fremdcnpoli-zci nicht kompctcnt; dicsc gehörc zum
Etat des Jimern.

Abg. Lenzmann (freis. Vp.): Die Einlcitung des Vcr-
fahrens bcruhc auf ciner RechtSverletzung. Gr bchauptc, das
preutzische Justizministcrnrm habe zur Zcit dcr Eiutcitung des
Verfahrcns nicht nur die gefälfchte, sondcrn anch dic richtigc
Uebcrsetzung gckannt. Hoffcntlich fassc dcr sticichstag einen
einmütigcn Bcschluh, um-dcr Regicrung kkar zu mach!'n, dah wir
gogenüber cincm Bavbarenstaat wie Rutzland iricht länger in
ilntcrwürfigkeit verharren dürstu.

StaatSsekretär Dr. Nieberdi ng protcstiert namens dcs
Rcichskanzlcrs dagcgen, datz in dicscr Wcise von cincm Ltaake
gcsprochen wird, rnit dem uns internationakc Bczichungcn
vcrbindcn. Wcnn m irgcnd eincm ausländischen Parlamcnt
in solcher Form über Deutschland gesprochen würde, wäre ganz
Dcutschland cntrüstct.

Nach cincr Envidcrung dcs Abg. Lenzmann (fr. Vp.)
wivd die DiSkuffion übcr die Resolutionen gcschloffen; die Ab-
stimmung wird in der drittcn Lesung erfolgen.

Es folgt dic allgcmeine Beratung des Justizetats.

Abg. Erzberger (Ztr.) wirft. dem Buudesrat Langfaui-
keit vor.

Staatssekretär Dr. Nicbcrding erwidcrt auf die Aus-
fübrungen ücs Vorrcdncrs. Es schwcbtcn noch Bcrhandlungen
zwischcn Preuhen und den Reichsressorts. Die Vorlagc über
das Borrccht der Bauhandwerker sei fertig und werde dem
Bundesrat zugchcn, soKrld die Entschcidung des prcuhischen
Staatsministcriums getroffcn sei. Bezüglich dcr Gefängnis-
arbeit wünsche die Regierung eine Schädigung der Handwerker
zu vermeidcn.

Um halb 0 Uhr wird dic Weiterbcratung auf morgcn
vcrtagt.

Berli n, 11. Ian. Die deuksche und die freisinnige
Vüikspartei brachten einen Antrag ein, im 8 1Ü6 des
Strafgesetzbuches (<A o t t e s l ä st e r n n g s p a r a -
graph) die Worte zu streichen: „oder wer öffenüich
eine der chriftlichen Kirchen oder eine andere mit Korpo-
rationsrechten innerhalb des Bundesgebietes ausgestattete
RellgionsgesellfäMft oder ihre Einrichtungen oder Ge-
bräuche beschimpst".

Die AnözeichrmllK Stössels nud Nogis.

B e rlin, 11. Ian. Die „Nordd. Allg. Ztg." schreibt:
Die Telcgram m e, die der Kaiser wogen Verlei'h-
nng des Ordens Pvur le Msrite an die Generale Stös-
s e l und N o g i den Kaisern von Rutzland und Japan
zugehen ließ, lanten:

An den K a i s e r von Rußland:

Die Verteidignng Port Arthnrs ivird sür immer
ein Bcispiel für Soldaten und alle VöÜ'er bleiben.
Der Held, der Deine treuen TruPPen kommandierte,
wird von der ganzen Welt bewundert, inZbesonHere in
meinem Heere und von mir. Um unsere Sympathie
und Bewnnderung für General Stössel und seine tvacke-
ren Truppen Ausdruck zu geben, hoffe ich auf Deine
Zustirnmung, wenn ich ihm unsere Höchste nrilitärische
Auszeichnung, den von Friedrich deni Grotzen gestifte-
ten Orden Pour le Mörite verleihe. Dieselbe Ehre
will ich seinem braven Gegner General Nogi erweisen.

An den K a i s e r von IaPan:

Die Belagerung und die Einnahme von Port
Arthur haben den General Nogi als einen tapfersn
und klugen Heerführer erlviesen, dessen Heldentaten
ebenso wie die seiner Truppen fiir immer^von allen
Soldaten, besonders von mir und meinem Heere wer-
den bewnndert werden. Jch hoffe, datz Majestät zustim-
men werden, wenn ich ihm als äußeres Zeichen unserer
Bewunderung die von meinem Vorfahren Friedrick
dem Großen stir Tapserkeit im Felde geftistetc grötzte
Preutzische militärische Auszeichnung, den Orden Pour
le Mtzrite verlekhe. Sein braver Gegner General
Stössel hat disselbe Auszeichnung erhalten.

Darauf sind von beiden Herrschern folgenbe Antworten
eiiigegangen:

Vom Kaiser von Rnßlond:

Fm Namen meines Heeres danke ich Dir sür dre hohe
AuSzeichnmig, die Du dem General Stössel verleihen
willst. Er tat an der Spitze d,er Lraven Garnison bis
zum Ende rapfer seinc Pflicht. Teine Sympathie,
wie dic Tcines Heeres, sowie Dcine Anerkennung
seiner Haltung, werden von mii ties einpstmden.

Vom Kaifer von I a P a n:

I'ch, bin sehr verbnnden fiir Ew. Majestät Bewunde-
rnng Wer die Einnahme Port Arthnrs. Was Ew.
Majestät gütige Wünsche betrifft, dem General Nogi
die höchste Anszeichnuiig des preutzischen HeereS zn ver-
leihen, so stimme ich mit Freuden zu.

Terüsches Reich.

— Ter O r L e n P o ur le m ä r i t e, der den Ge-
neralen Stössel und Nogi verliehen wurde, wurde im
Jahre 1740 von Fnedrich dem Grotzen gpstiftet. Er ist
die höchste, kriegerische Auszeichnuiig, die Preutzcn hat,
und wnrde seit 1870—71 nnr sehr wenige Male ver-
liehen, so dem Oberstleutnant v. Sch'ele für den Feldtzug
in Afrika, dem Korvetten-Kapitän LanS für die Erobe-
rung der Takn-Forts, dem Oberleutnant im Seebataillon
Grasen v. Soden fiir die Derteidigung der GesandtschafL
in Peking, dem Hauptmann Kremkow von der Feldhau-
bitzen-Wteilung für sein Verhalten bei den Peitang-
FortZ. Ausländer sind mit dem Orden Ponr le merite
seit Jahrzehnten nicht dekoriert worden.

-— Das Bild „e i n fideIe S G e f ä n g n i S", das
Hüssener und zwei andere Sträflinge zeigt, hät sich zum
Teil als eine Fälschu n g erwiesen, indem verschiedens
Partien aus dem Bilde heransgenommen nnd andere
wiWirlich hinzugefiigt wurden.

Baden.

K a r l s r n h e, 10. Jan. Der Großherzog ist
erkältet und mnh einige Tage das Zimmer histen. —
Das Befinden des Prinzen K a r l l>at sich so sehr ge-
bessert, datz derselbe den grötztcn Teil des TageS außerhalb-
deS Bettes znbringen kann.

Kavlsr n h e, 11. Jan. In Würdigiuig der wirl
schaftlichen.nnd sozialen Bedeutung eines sich guf ein

Stadttheater.

Heidelbcrg, 12. Janucrr.

„Die Wildenke", Schauspiel. in 8 Aktcn von Henrik
abscn.

Fbsen gehört ohne Zwcifcl'nicht zu dcncn, dic lcugnen, datz
cS idcal« Zielc der INcnschheit gcibc, datz ideale Forderungen be-
stehcn ader fich vielmehr vor dcm Menschen. aüfrichten. Noch zri-
letzt L-urch seine jüngst verössenklichten 'Briefe ist es ofscnkun-
dig gewordcn, mit wclcher Klarheit und Tapfcrkeit cr fcsthält
«M deu allgemcinen Grundlagen sittlicher Bildung. Datz die
Tugcnd dcr Wahrhaftigkeit untcr Mcnschcn g-cübt wcrdcn soll,
leutznct Jbsen gewitz nicht. -Abcr strafend uttd mahnend hebt
«c die deutende Hund und vcrkünidct: das engc, schmutzige,
dumpffc Leben zcrmiürbt die 'Mcnschcu, dah sie daS Beste vcr-
lieren, dic Krast uird Einfalt der Ratur, datz sie brüchig lverden
durch und durch, ewig im Schein lciben, sich eine künstliche Wclt
zurecht machcn, von der sic zehrcn, an dic sic sich klammcrn, um
stch im Dasein zu erhaitcn. Dic Lcbenslü-ge ist «ine Schutz-
Waffe im Kampfe des Lebens. Bci einem vcrkom-menen Thco-
lvgen z. B. hat sich die ftxe Jdee festgcsetzt, er sci dämonisch.
Das erhält ihu, dcr sonst a-n Selbstverzweiflung und Ver-achtung
untergogatigcn wärc, am Lcben. Hjalmar. Ekdal lebt von dcr
Suggesticm, ein grotzer Erfindcr zu sein und eiue neue Epochc
in der Blüte seines HauseS heraufzuführen-. Solchen zerbroche-
nen Jn-dividuen mit dcr Forderung, sie sollen wahrhaftig scin
gegen- sich und andere, entgegenzutrcten, ibedeutet cin Charla-
tau s«,n. Jdeale Fordcrungcn kanu man nur an gerade, von
-der Lüge noch nicht zersteffcnc Menschen- stellcn. Wer den Blin-
dcn bchandclt, als könne er sebcn, Ler ist ein Starr und Quack-
sallbcr. Die Prätcnfion, die sich in allcs mischt, üie Wcisen vom
SchllM dcs Gregor Wcrle, dte kcincn Schritt im wirklichen
Leben sichcr tun, sie am wcmgsten sind geschickt, üie Menschen
so zu fördern, dah sie sich zurück findcn zur Wahrhcit. Hjal-
»wr und Grcgor sind dtc Hairptpevsoncn. Doch was es mit

ihnen aus sich hat, kann nur eine Darlegung- des 'Sachverhalts
ergeben, Grotzhän-dler Werle und Leutnant Ekdal hattcn dro-
ben, wo die grohcn Wälder siiw, cin- Tcrrain evworbcn und
Ekdal war hinaufgcgangen, um Karten irufzunehmen und dcu
Holzschlag zu leiten. Das alle» geschah unzuverlassig, un-
pünktlich, unrcdlich. StaatSeigentum war verletzt worden,
Werlc und Ekdol vevsetzte man- in Anllagezustand. Ekdal wurde
vcrurtcilt u. üurste'seine Leutnantsuniform uicht mehr anziehcn
(was bei Leutcn vom Schlage Ekdal Vater und Gdal -Sohn
eine Hauptsache ist, Ilniform), Werle wurde freigesprochen. Ek-
Lal fristete dann sein Leben von eincr kleinen Pension, die ihm
Werle ausfctzte, cr leistete Kopierarbeit für das Kontor von
Werle und ist Gelegenheitslrinker, d. b. er triutt, iveun er eUvaS
hat. Hjalmar, scin Soh», Ivar cin hübschcr Bursche mit krau-
sem, blondem Haar, Schnurubart, rot und -weih, hatte das
lcicht gerührtc Gemüt u.ud den hcrzgewiuneirdcn Ton in der
Stimme. Er liebte es, in Efisellschaften zu deklamiercn und
galt für cin grotzes Lum.cn, was eiu Uuglück für ihn war. Nach
dcm Zusamnieirbruch der Firma richtete Werle ihm, da cr das
Studium aufgab, ein photographisches Atelier eiu und 18 J-ahre
bctätigte sich Hjalmar -als Lichtbildner. Ungern und selten.
Die cigentliche Arbeit besorgcn Gina, scin Weib, und Hcdwig,
seine Tochter. Hjalmar nennt sich einen Mmin mit' seürigem
Gemüt, deffen Ausgabe. kann es natürlich mcht-sein, vo-n .Kreti
und Pleti Mldcr aufzunehmeu. „Als ich beschlossen hatte, mich
der Photographie zu opfern, gefihah es nicht, um hier still zu
sitzen und von allerhand Alltagsmeiffchen Poriräts aufzuneh-
men." Trotzdcm siebt cr eß, sich als den Märtyrer der Familic
hingustellcn. Es ist am besten, wenn cr allco zusainmen allein
macht, „solange die Kräste ausreichen". Rach dem Mittag-
effen Pflegt Hjalmar fich zurückzugiehcn, „nm- Aer -seiire- Er-
findung nachzndcnken". D-cnn cr hat beschlosfiu,-- „die merck-
würdige Erfin-dung zu nrachcn". Der Frage, worauf sie
hinausläuft, iveicht er aus, ..Einzelheiten «rforderten Zeit".
Er hat der armen- Hedwig' verckprochen, si« zn imterrickiten, weil

sie ihrer Augc-n wegen- keine Sckute besuchen darf. Aber er har
keine Zeit dazu gcfundeu. Er gibt sich auch nfiht viel »nt
Leseu ab. Doch sichcrlich ausreichend, »m cin wohil afforiiertcs-
Lager töncnder Phraseu an üer Hand zu haben. Sein Äpezial--
genre ist auch die schönc, dekorative Pose. Er stcllt stch uud
tut dann bedeutend den- Mund auf: mcin armer Batcr, bcr-
yitzt Du dcn> Grcis im Silberhaar? Das Heiin de» armer
Photograp'hen hat zwar ciu nicdrigcs Dacki, ich weitz es tvohl,
aber ich bin ein Erfindcr und zngleich ciu Familicnvcrsorgcr
— Ein fiiger, schlaffcr Kerl, cin Lügner: der Berliner har
daftir den kurzcn ?lusdruck: Fauler Koppl

Gregor Wcrle, der Sohu des alten Werlc, lebtc üic gauze
Zeit Lroben. un-d, da er gespannt mit scinem Bater war, t'am
er nic nach der Hauptstadt. Jn sciucm Bewutztssin lebt
Hjalmar alS eine Art isonnen'held fork. Als Grcgor nun gc-
legcntlich entdeckt, datz Hjalniar die frühere Gelicbtc Les alteu
Wcrlc geheiratci hat, erschcint ihm dies ganz ungcl>cucrlick'.
Datz Giua für Hsalmar sich plagt, spart, abrackert, übcrfiehr
ein Gregor, dah Mnttcr mid Kind oft mil ganz scknnalcr Kosl
vorlieb nehmen, un, dcm Mannc scinc Lcckerci, rcichlichc srische
Butter, zu vcrschaffen, daS übcrficht ciu Gregor. Er sicht nur,
datz 'sich hier einc Wildentc, die untevgegangcn ist, im Boden-
kraut fcstgebiffen- -hat, datz dcr Edclmensch Hjalmar im Schlamm
dieser Ehe vergchi. Wie, tvenn cr dem Blinden den Strmr
stäche, wenn cs an den Tag käme, dqtz Gina einst des alteir
Werle Lrebste ivar, datz Hedwig -vielleicht dcs altcn Bfirlc Kiiid
ist! Welch' ungeheure Wirkung mühte das aus Hjalmar tun!
Mit welchem Auffchwung würd« der gesesselte Aar den Sumpf
vcrlassen und cmporstveiben zu einsamcm Flug!

AlS Hjattnar alles «rfährt, wirft er mit eiii paar Redeiis-
arten um sich, trcibt sich zwcmzig -stundcn mit Rellin-g nnd
Molvig herum, konimt ermudet, ohne Hut, beschmützt heim und
ist froh, fich an GinaS sincher gedeckten Tisch setzen zu köniien,
Er wi«lt sich allerdingS, alS Gregvr cintriit, i.ii eincn 'grotzeu
 
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