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Heidelberger Zeitung (47) — 1905 (Januar bis Juni)

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Nr. 101-125 (1. Mai 1905 - 29. Mai 1905)
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Mittwoch, 3. Mai 1305

Erstes Vlatt.

47. Jahrgang. — Nr. 103.

»,sch«<nt täglich, SonntagS auSgenommen. Pr«i» mit AamMerMLttern monatlich 80 Pfg. in'» Hau» geLracht, tck d« «xpe-jU«, «ch Le« tzweWatimm» «chgcho» s» <W>

Durch di« Post bezogen vierteljährlich 1.38 Mk. auSschlietzlich ZnM-eSühr.

«n-eigenpreis: Lv Pfg. sür Lie Ispaltige Petitzeile oder deren Raum. ReklamezeUe 40 Pfg. gür hiesige Geschäft». u. PrivataW«g«a «rrnätzigt. — Kür 8i« Ausnahme
«« destimmten Tagen wird teine Verantwortlichieit übernommen. — Nnschlag der Jnsevate auf den Plakattaseln der HeidelLenger Zeitung u. den städt. Anschlagstellen. Fernspr. ».

Die Veschlüffe der Strasprozeß-Kommission.

Nach einer dankenswerten Uebersicht, Lte ein Koimms-
sionsmitglied der „Deutschen Juristen-zeitung" zur Ver-
Mgung gestsllt hat, sind die wichtigsten Punkte folgende:

1. G e r i ch t s v er f a s s u ng.

Die Kommisfion! war einstimmig der Meinung,
öaß die M i t w i r k u n g v o nLa i e n an der Straf-
rechtspflege — abgefehen von der RevisionsiUstanz^ —
nützlich und in größeren Sachen unentbehrlich! ist. Sie ent-
fchieh stch ferner einstimwig dafür, daß bie Mitwirknng
bon Laim nur in der Form ber S chö ff e n g er i cht e
erfolgen darf. Eine Beibehaltung der
Tchwurgerichte erschien a u s g e s chl o f se n.

Demgemätz follcn bei allen VerhaNdluN'gen Schöffcn mit-
fvirken. Nur iu Uebertrctungssachen und im abgelürZten Ver-
^ahren hielt man den Wegfall der Laien in erster Jnftanz für
Unbedenklich und wünschcnswert.

Mit grotzer Mehrheit beschlotz scrner die Kommission, gegen
«lle Endurteile evster Jnstanz die Berusung zuzulassen. Bei der
verhanülung un'd Entscheidung in der Berufungsinstanz sollen

allen Sachen iLchöffen mitwirken.

Als anerkennende Gcrichte werden vorgeschlagen:

Für die e rst e I n sta n z:

a) der Amtsrichter allein bei Uebertretungen und im abgc-
türzten Verfahren;

b) kleine Schöffengerichte (dercn Zuständigkeit erweitert
^verden foll): 1 Amtsrichter, 2 Schöffen;

c) mittlere Schoffengerichtc: 3 Landrichter, 4 Schvffen;

6) grotze Schöfsengerichte: 3 Landrichter, 6 Schöffen.

8. Zur Entscheidung über dic Berusung:

. s) gegerr dic Urteile des Arntsrichters in Uebertretungs-
lachen: 1 Landrichter, 2 Schöffen;

b) gegcn dic Urtci'lc Les Amtsrichtcrs in andercn Sachen
Urrd gegen die kleinen Schöffengerichte: dic mittleren Schöffen-
Arichte;

c) gegen dic Urteile üer mittleren Schöffcngerichte: die gro-
tzen Schöffengerichte;

6) gegen dre Urtetle 'der grotzen Schöffengerichte: 3 Landrich-
t«r, 8 Schöffen.

Alle Schöffengericksie, mit Ausnahme der kleinen,
ll>erden bei ben Landgerrchten gebildet.

2. Der G e r i ch t s sit a n d

loll zur Nermeidung unnötiger 'LransPorte auch bei dem
^Gericht der Ergreifung begründet fein; jedoch kann bas
Gericht auf Antrag eines Prozeßbeteiligten' die Sachen an
das nach §§ 7-—8 Str.-P.-«O. zuständige Gericht abgeben.

3. Z e u g e n u n d S a ch v e r st ä n d i g e.

Zur Vermei'dung üb e r fl ü f s i g e r Beeidi-
6 n n g e n kann die Beeidigung unterbleiben: bei Ueber-
tretungen, wenn Staatsanwalt und Angeklagter damit
oinverstanden find; in Privatklagesachen, wenn die Par-
veien damit einverstanden stnd' und kein Gerichtsmitglied
^ie Beeidigung verlangt; in allen übrigen Sachen dann,
^venn das Gericht die Äusfage einstimmig für unerheblich
stäit und die Prozeßbeteiligten mit der Unterlassung ein-
bcrstanden sind.

Die Beeidigung soll beiZeugen nach der
^ernehmung, bei Sachverständigen in der' Regel
^orher erfolgen.

Cine Beftrafung falscher uneidlicher Aussagen hült

Kommtssion nicht sür angezeigt.

Der Z 54 ist dahin zu erweitern, daß der Zeuge zur
Z e u g n i s v e r w ei g -er u n g auch dann berechtigt ist,
wenn nach den Umständen des Falles die Gefahr bestcht,
daß er 'selbst wegen der strafbaren Handlung, die den Ge-
genstand des Verfahrens bildet, als Täter oder Teil-
nehmer 'strafgerichtlich' verfolgt werden wird. Hierdurch
wird der derantwortliche Redakteur von der Zeugnispflicht
befreit, wenn er gentäß! 8 20 Abf. 2 des Preßgesetzes als
Täter haftet.

4. Die Unterfuchungshaft
darf wegen Fluchtverdachits nur danu verhängt werden,
wenn beftimmte, diesen Verdachs rechtsertigende, akten-
kundig zu machönde TatfacheN' vorliegen. Der § 112
Abs. 2, wonach' der Muchtverdacht in bestimmten Fällen
keiner Begründung bedarf, fällt weg.

5. Die Verteidigung.

Auch vor Eröffnung des Hauptverfahrens (Anberan-
mung des Hauptverhand'lungstermins' oder Erlaß 'Les
Befchlusfes, daß Hauptverhan'dlung stattzufinden häbe)
ist dem verhasteten Befchnldigteni unbeaufstchtigter münd-
lichsr Verkehr mit dem Verteidiger geftattet, der Rtchter
auch weder berechtigt, lEinstcht in> den Briefwechfel des
Verhasteten mit dem Verteidiger zu verlangen, noch be-
fugt, Mitteilungen zurückzuweisen, deren 'Eiusicht ihm
nicht gestattet wird.

6. Das L e g a I i t ä t s P r i n zi p
ist beizubehalten, jedoch mit der Beschränkung, daß das
Ein'schreiten mangels öffent'lichen Jnteresfes unterbleiben
kann, wenn es sich entweder nur um eine Uebertretung
oder um die Verfolgung einer Person unter' 14 Jahren
handelt und im letzteren Falle der Verletzte mit dem
Unterbleiben der Strafverfolgung -etnverstanden ist.

7. Vor - und Z w i 'f ch e n v e r f a h r e n.

Die Kommisfion hat die Vorschkäge, chelche eine Um-
gestaltung des eigentlichen Vorverfahrens (des Er-
mittelungsverfahrens und der Voruntersuchung), insbe-
fondere die Einführung eines mündlichen kondrattktori-
schen Verfahrens namentlich iu allen Haftsachen be-
zweckteu, abgelehu t. Dagegen soll das Z w i s ch e n-
verfahren völlig umgestaltet werden. Der
Grundgedanke ist der, daß in der großen Mehrzahl der
Fälle das meist wertlose und verzögernde Schreibwerk des
Strafkammerbefchlusses beseitigt wird, daZegeri in den
größeren Sachen sowohl bei M'einungsverschiedenheiten
zwischen Staatsanwalt und Untersuchungsrichter als auf
Antrag des Angeschuldigten ein mündliches Er-
ö s f n u n g s v e r f a h r e n (regelmäßig ohne Beweis-
erhebungen) stattfindet. Erachtet der Staatsanwalt die
Aburteilung dnrch das anerkennende Gericht sür gsboten,
so reicht er — falls die Verhandlung und Entscheidung
der Sache dem- Schöffengericht überwiesen werden soll,
beim Amtsgericht, sonst beim Landgericht — die An-
klageschrift ein. Diese hat Ort, Zeit und Tatumftände
der Straftat zu bezeichnen und in den nicksi vor den klei-
nen Sch'öffengerichten zu verhandelnden Sachen auch an-
zugeben, in welchen Tatsachen die einzelnen gefetzlichen
Merkmale der Straftat gefunden werden.

8. D i e Gr -u n d f ä tz e über die Hauptver -
handIung

bleiben, da sie sich im allgemöinen bewährt haben, be-
stchen.

9. B e r u f u n g s i n st an z.

1. Auch nach Ablauf der Berüfungsfrift ist Anfchluß-
Lerufung zulässig. Man hofft, datz der Angeklagte sich
von der Einlegung einer unbegründeten Berufung eher
abhalten lafsen wird, wenn er weiß, öaß dsr Staatsan-
wält auch nach Fristablauf durch' Ansch'Iußberufung eine
höhere Bestrasung herbeiführen kann.

2. Jn der Hauptverhandlung soll die Mündlich °
keit strenger durchigeführt werden, als nach heutigem
Recht. Eine Berichterstattung soll ntcht erfolgen.

10. R ev i s i o n s i n ft a n z.

Der § 380 Str.-Pr.-O., wonach gegen dte in der Be»
rufungsinstanz erlassenen ttr'teile der Landgerichte die
Revision wegen Verletzung des Berfährens nur auf Ver--
letzung dss § 398 gestützt werden kann, wird gefttichen.

11. Das abgekürzte Verfahren
vor dem Amtsrichter als Einzelrichter foll zulässig fein:

1. bei Uebertretungen ohne weitere Voraussetzung^
2. bei Vergehen, wenn der Beschuldigte u) auf frischer
Tat bettoffen und vorläufig fe'stgenommen ist, auch dann^
wenn sich der vorläufigen FeftN'ahme der Erlaß eines
Hastbefchls anschließt, b) sich zum 'Zwecke der Aburteilung
freiwillig ftellt, e) die ihm zur Laft gelegte Tat einge-
fteht, ä) die Ein'Iestung des abgekürzten Verfahrens be--
antragt, s) in den Mllen des § 10 Str.-Pr.-O. einem da--
iruch zuständigen Gericht vorgeführt wird.

12. Die Privatklage.

,Hat der Staatsanwalt die Erhebung der öffentlichtw
Klage abgelehnt, fo darf die Privvtklage nur inner --
halb einer dreimonatigenFrist von der Zu-
stelluug an erhoben werden.

13. Die Wie 8 eraufnahme
eines durch rechtskräftiges Urteil gefchlvssenen VeriahrenK
zn Gunsten dss Angeklagten konnte nach Ausdehnung der
Berufüng, entsprechend dem § 436^ Mil.-Str.-G.-O., ein-
gefch-ränkt werden. Sis 'soll deshälb ^rn Falle des Z 399^
Str.-P.-O. nnr dann stattfinden, wenn aus den neu bei--
gebrachten Tatsachen oder BSweismitteln sich die Unschuld
des Nerurteilten 'bezüglich der ihm zur Last gÄegten Tak
überhaupt oder bezüglich eines erschwerenden Umstandes
ergibt oder doch dargetan wird, daß ein begründeter Ver--
dacht gegen den Angeklagten nicht mehr vorliegt.

Die Entfchädigungsür unschuldig er--
Ii t t e n e U n t e r s u ch u n g s h a f t soll nach Maßgabe
des Gesetzes vom 14. 'JuIi 1904 auch den Befchuldigten
geiväbrt werden, gegsn die das Werfahren vor Klageer-
hebung eingestellt ift.

Einen Ersatz der bedingten Begnadigung
durch die bedingte Verurteilung empfiehlt dte Korymission
nicht.

ringern die Gefahr der Erkranknng für sich und die mit
ihnen in Berührung kommenden Personen durch peinlichste
Sauberkeit, namentlich- der Hände, und durch desinfi-
zierende Ausspülungen des Hälfes und- der Näfe. Hierzrr
eignen sich z. B. schwache Lösungen von Menthol, Wafser-
stoffsuperoxyd u. dergl.

Für dis Pflege Genickstarrekranker sind fol-gendc Vor-
fchriften zu beachten:

t. Die mit der Pslege der Kmnken betrauten Perso-
nen 'haben stch der Pflege anderer Kranken tunlichst zu
enthaltsn. 2. Das Pflegepersonal soll waschbare Ueber-
kleider bezw. möglichst große Schürzen ttagen. TaK
Pflegepersonal soll behufs Dermeidung der An'steckung;
fich bei der Krankenpflege so stellen, daß es von den
Scksieimbläschen, die die Kranken beim Sprechen, Husten
und Niesen von sich verbreiten, nicht getrvffen werde. 3.
Jm Krankenzimmer soll das zum Reinigen der Hände
Erforderliche (Waschschstssel, Lysollöfung, Handtücher)
ftets bereit ftshen. 4. Die Abgänge der Kranksn (Spei-
chel, Auswurf, Gurgelwaffer) stnd sofort zn desinfizieren.
6. Es ift für regelmäßige Desinfektion der von den
Kranken benutzten Täschentücher, sowie Leib- und Bett»
wäsche zu forgen. 6. Dasfelbe gilt von dsn Eß- und
Trinkgeräten, bevor sie aus dem Krankenzimmer entfernt
werden. 7. Nahrungs- und Genußmittel, WÄche für an»
Lere bestimmt sind, dürfen im Krankenzimmer nicht aufbe-
wahrt werden. 8. Vor dem jed'ssmattgen Derlassen der

14 Seiten.

Merkblatt für die Genickstarre.

Der Dezernent sür das Gefundheitswesen beim kgl.
. Ezeipräsidium in Berlin, Regierungs- und Medizinal-
Tr. Nese m a n n, weist auf ein Merkblatt über die
^^emtsche Genickstarre und ihre Bekämpfung hin, das
Mtmirkung des Geheimen Ob'ermedizmalrates
Dr. Kirchner für den Regierungsbezirk Oppeln
aufgcstellt worden ist und zur allgemein'en Ver-
desa !^hr empfoh'len werden kann. Das Merkblait

Die epidemische Genickstarre ist eine a n st e ck e n d e
i ^?.^hsit, welche durch das Eindringen eines belebten,
Krankhettskeimes, des fogenannten Menin-
. o^cuz intracellularis entsteht.

O Die Krankheit beginnt in der Re-gel plötzlich mit
^^O't Schüttelfrvst), wütmdsu Kopfschmerzerl,
eiinnlichfeit und häufig mit Erbrechen. Hierzu rtitt
I" ^ dtagel eine eigentümliche Starre der Muskulatur
,'"^ckens, des Rückens der Bsine u. der Arme. Jn einer
^icht geringen Za'HI von Fällen tritt schon nach wenigen
äägen der Tod ein.

. o- Die Ansteckung wird in der Regel durch den Nasen-
o er Rachenschleim der an Genickstarre erkrankten Perso-
En l^wirkt. Auch gefunde Personen aus der nächsten
tingebnng Ler Kranken und solche, welche mtt diesen
Perionen in B-erührung kommen, können die Errsger dev

Krankheit im Nafen- oder Rachenfchleim mit sich führen
un-d hierdurch zur Weiterverbreitung der Krankheit bsi-
tragen.

Enge, überfüllte und fchlecht gelüstets Wohnungen
begünftigen die Verbreitung der Krankheit.

6. Die S ch u tz m a ß r e g e'I n zu ihrer Verhütung
sind:

u) 'S chI e u n i ge A n ze i g e p f l i cht jedes
Jalles von Genickstarre und jeder verdächtigen Er-
krankung bei der Polizeibehörde.

b) Strenge A b s o n d e r u n g d e s Erkrank»
ten und der der Genickstarre verdächtig'sn Perfonen in
ein geeignetes Kraukenhaus, falls eiue genügende W-
fonderung in ihrer Wohnung nicht möglich oder für aus-
reichende Pflege daselbst nicht gesorgt ist. — Der Traus-
port der Krankeu zum Krankenhaus darf in Droschken
oder anderem öfsentlichen Juhrwerk nicht erfo'lgen. Läßt
sich dies in Notfällen nicht vermeiden, fo sind die benutzten
Fuhrwerke nach denr Gebrauch Zu desinfizieren.

e) Die Ds s i n s e k t i o n dcr W o h n u n g fofort
nachi Ileberführung der Kranken in ein Krankenhvus bezw.
nach Ablauf der Kraukheit.

ck) G ef u n d e S ch u l k i n d e r, welche miti den Er-
krankten in dem'selben Haufe wohnen', sind von der Schule
fern zu halten, bis der Kreisarzt d-en Schn'Ibesuch wieder
für zulässig erklärt.

s) Me Angehörigen der Erkrankten ver-

Die heutige Nurnrrrer umfaßt drei Vlätter zusarnmen
 
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