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Heidelberger Zeitung (47) — 1905 (Januar bis Juni)

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Nr. 1-26 (2. Januar 1905 - 31. Januar 1905)
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Dornrerstag, 3. Januar 1905

47. Zahrgang. — Nr. 4.

Eestes Blatt.

Grsch«i«t töglich, SormtagS «wSgenomman. Prei- mtt FamilieEättern monatlich 8V Pfg. in'S Hauk gebracht, bei ber Expedition unb b«n Fveigstationen abgeholt 4V Pfg.

Durch die Post bezogen vterteljährlich 1,38 Mk. ausschlietzlich ZustellgeLühr.

InzeigenpreiS: 26 Pfg. für di« Ispaltige Petitzeile oder deren Raum. Reklamezeile 46 Pfg. Für hiefige GeschäftS» u. Privatangeigen ermähigt. — Für die Aufnahme von Angeigen
« bestimmten Tagen Wird keine Verantwortlichkeit übernommen. — Anschlag der Jnserate auf den Plakattafekn der Heidelberger Zeitung u. -en städt. Anschlagstellen. Fernspr. 82.

MW.M-__ - ' > ..... » >i. ... > >

Der Wortlaut der Vedmgungen für die
Uebergabe Port Slrthurs.

Tokio, 4. Januar. Ein gestern Nachnüttag einge-
-gangenes Telegrmnni deZ Gmerels N o g i oibr den
Wortlaut der Kapi ^ ul , i i o n b e b i n g n n -
.g e n folgendermaßen an:

1. Alle russischen. Solöul e u und Freiwil 1. i-
g'en, ebenso die Regierungsbeamten, Lie zur Garnison
nnd dem Hafen von Port Artyur gebören, wcröen g e
sangen genommen.

2. Alle Forts, Batter : e u, K r r e g s s chiff e,
andere Schiffe und Boote, Munirion, Pferde, alles Ma-
terial, alle Regierungsgeoäude und alle der Regierung
gehörenden Gegenstände sollen der sapanischen Armee in
ihrem gegenwärtigen Zustande übergeoe n -werden.

3. Zu den vorste'henden Bedingungen nnd äls Sicher-
heit für ihre Einhaltung soll die B e s a tz u n g der
Aorts und Batterien von Jtzeschan, Schäho, An-
ruschan und Taantusä>an, sowie die aus der Hügelkette
südöstlich davon am Mittag des 3. Januar zurückge -
Zogen und der japani. schen Armee ausgeliefert
werden.

4. Sollte vermntel werden, daß russische Militär- und
Marinemannschaften in Artikel 2 aufgeführte Gegenständc
zerstört oder ihren Zustand, wie er zur Zeit der Un-

i terzetchnung des Vertrages war, verändevt haben, so
sollen die Verhandlungen als nicht bestehend be-
trachtet werden und der japanischen Armee wird freie
I Hand gelassen.

3. Die russischen Militär- nnd Marinebehör'den sollen
>, Erne Tasel vorbereitcn und der japanischen Armee über-
geben, die die B e f esti g u n g e n von Port Arthur
s wnd thre Lage wiedergibt, ebenso 5farten, die die Lage
don L a n d- nnd S e e m i n e n und alle gefährlichen
Gegenstände anzeigen, ferner eine Tabelle, die die Zusam-
mensetzung und Einterlung der Arinee- und Marinedien
sles in Port Arthnr angibt nnt dem Ncmen, Rang und
Dblisgenheiten der Osfiziere, eine Liste der Dampser,
Kriegsschi'ffe und anderen Schiffe nül der Zahl der
Mannschasten und schließlich eine Liste der Zivilisteü, die
dsren Zahl, Geschäft, Rasse nnd deren Beschäftigung an-
gibt.

6. Waffen, einschlietzlich derer, die Pevsonen bei
sich tragen, Munition, Kriegsmaterial, Regierungsge-
bäude, der Regierung gehörende Gegenstände, Pferds,
Kwiegsschiffe und andere Schiffe mit ihrem Jnhalt, aus-
schlietzlich des Privateigentums, sollen an ihrem augen-
hlicklichen Platze belassen werden und Kommissare des
russischen und japanisckien Heeres sollen Mer die Art
Und Weise ihrer Ansliefernng entscheiden.

7. Jn Anbetrackst des tapferen Widerstandes, den die
russische Armee geleistet 'hat, wird den Offizieren der
russischen Armee nnd Flotte und ebenjo den zu ihnen ge-
üörenden Beamten gestattet werden, ihre Degen zu be-
Üälten und i'hr Eigenttim, soweit es zum Lebensunterhalt
strekt ersorderlich ist, mit sich Zn nehmen. Die zuvor aus-

geführten 'Offiziere, Beamten und Frerwilligen, die sich
schriftlich auf ihr Ehrenwort verpslichten, bis
zur Beendigung des K-rieges nicht die Waffen zu ergrei-
fen nnd keine gegen die japanischen Jnteressen verstoßende
Handlung zu begshen, werden die Erlaubnis- erhalten„ in
ihreHe i m a t z u r ü ck z u ck e 'h r s n. Jedem. Offizier
des Heeres und der Marine wird gestaüet werden, einen
Diener mit sich zu nehmen; dieser soll gegen Unter-
Zeichnung einer ehrenwörtlichen Verpslichtung besonders
freigelassen werden.

8. U n t e r o f f i z i e r e und Gemeine des Hee-
res nnd der Flotte, ebenso Freiwillige, dürfen ihre Uni-
sorm tragen und sollm sich mit ihren tragbaren Zelten
und ihrem persönlichen Eigentum an einem von dem
jupanischen Heere anzuwersenden Platz versammeln. Die
japanischen Kommissare werden die weiteren ersorderlichen
Einzelheiten angeben.

9. Das Sanitätskorps und die Zahlmeister, die znr
russischen Armee und Motte gehören, werden von den
Japanern zurückbehalten werden, so lange rhre Dienste
als nötig angesehen werden znni Zwecke der Pflege von
Kranken, Verwundeten und Gefangenen und während
dieser Zeit soll dieses Korps unter Leitung von Japanern
Sanitätskorps- nnd Zahlmeisterdienfte tun.

10. Die Vestimmungen über die Behandlung der
Bücher und Dokumente, ebenso die zur Durchführnng der
Bestinnnungen dieses Vertrages erforderlichen Urkunden
sollen in einem Ergänzungsantrag niedergelegt werden,
der dieselbe Geltung? haben soll, wie dieser Verrrag.

11. Fe eine Unterschrift dieses Abkomrnens soll von
der japanischen und der russischen Armee vorbereites wer-
den und sofort' rnit Unterzeichnung Wirksamkeit er-
lantzen.

Die V erha n d lungen über dte Kapitula -
t i o n dauerten zwischen den beiderseitigen Vertretcrn am
Montag von 1 Vis nach 8 Uhr abends, wo das Abkom-
rnen über die Bedingungen unterzeichnet wurde. Anfäng-
lich l-atten die Fapaner auf bedingungsloser Uebergabe
bestanden, die aber verweigert wurde, worauf sich dann
die Verhandlnngen in die Länge zogen. Die Japaner
erkannten mitWärme die Tapferkeit und Entschlossen-
heit des rnssischen Heeres an. Die Verhandlun-
gen wurden überhaupt mit durchaus freund-
licher Höflichkeit geführt. Nach Unterzeichnung der Be-
dingungen folgte ein gemeinsames Abendessen. Knrz
vor 8 Uhr 4var General Stössel selbst nnter Parlamentär-
flagge auf dem Fort Adlernest, wo die Verhandlungen ge-
führt wnrden, eingetroffen. Kapitän Essen, der das Mon-
tag Nachmittag zerstörte Schlachtschiff „Sebastopol" kom-
mandiert haüe, befehligte neuerdings in den Wersten bei
Liaotteschan und lietz dort im Laufe des Tages unter der
irrigen Auffassung, die Japaner lietzen, gegen die Verein-
barnng, Truppen marschieren, noch einnial das Feuer
eröffnen, was sich aber sehr bäld als Mißverständnis
herausstellte. Sonst entwickelte sich während der Wafsen-
ruhe zwischen den Offizieren und den Soldaten der Krieg-
führenden, die bisher im besten Falle nur Kriegsneckereien

getrieben hasten, ein ganz gnnütliches Verhältnis. Man>
chcs Glas wnrde genreinfani geleert.

Die ritterliche Anerkennung der Tapferkeit der Rus-
sen durch die siegreichen Japaner macht einen schr guten
Eindruck; desgleichen die praktische Seite derselben, die
darrn besteht, daß die russischen Offiziere ihren Degen
bchalten und auf Ehrenwort heimkehren dürfen. Viele
sind es ja 'nicht, denn die furchtbaren Käinpfe haben un-
ter der an sich kleinen Zahl stark aufgcräumt.

Jn M etz wnrden am 20. August 1870 nicht weniger
als 173 000 Mann sranzösischer Truppen eingeschloffen
und bei der Kapitulation am 27. Oktober gerieten noch
170 OOOMann, darnnter 20 MOKranke inGefangenschast,
^wdbei die Deutschen 876 Festungs-, 622 Feldgeschütze, 72
Mitrailleusen und 260 000 Handfeuerwaffen erbeuteten.
Bei der Uebergabe von Paris am 2. Fanuar 1871
wurde die gesamte Besatzung — etwa 400 000 Mann —-
für kriegsgefangen erklärt, aber nicht abgcführt. Ein
Vergleich diescr Ziffern mit den jetzt aus Port Arthur ge-
meldeten (6000 Kombattanten) ist nicht ohne Jnteresse.

DeuLsches Reich.

— Die Hochzeit des K r o npr ! n z e n wird nach den
neuesten Bestimmungen definitiv in der zweite'n
Maihälfte stattsinden.

Koburg-Gotha.

Wie die „Koburger Zeitung" berichtet, hat die
Herzogin Alexandriue der Stadt Koburg
zu Wohltätigkeitszürecken etwa eine halbe Milliou ver-
macht, darunter 120 000 Mark zur Errichtung eines
Volksbades. Tie Alexandrinenschule erhielt 50 000 Mk.
Die gesamte Dienerschast wurde von der Fürstin reichlich
bedacht. Die verstorbene Herzogin hat somit ihren Ruf
als Wohltäterin großen Stils noch im Sterben dauernd
gewahrt.

Aus der Karlsrulrer Zeituug.

— Bctriebsfekretär Karl Speer in Rheirxiu wurde zun:
Gliterexpeditor üaselbst crnannt.

— BetriebSaffistent Albert Wchrle in Freiburg wurde
nach Dinglingen versetzt.

Karlsruhe, 4. Fanuar. Dle Prinzen Gustav und
WHelm von Schweden und Norwegen begaben stch heute
früh 6 A'hr 50 Minuten nach Zwingenberg, um zu jagen.
Dieselben kehrten heute Mend nach 9 Uhr wieder hisr-
her znrück.

Aus Stadt und Land.

Hcidelberg, 5. Jami-ir.

— Von der Univcrsität. Privatdozcnt der Philofophie Dr.
Theodor Elscnhans, wird im nächften Monat tn Lud-
wigsha'fcn a. Rh., auf Veranlassung dcs dortigen Kauf-
männischcn Vereins und Gcwcrkschaftskartells, an sechs Aben-
ben einen Volkshochschulkurs abhaltcn nber das The-
ma: „Jugenderziehnng und -unterricht".

" Bon der Eisenbahn. Vom 1. Januar 1965 sind sämtlichc
übcr Wasel Luzcrn lautcnde Fahrtausweise nach Brunnen, Bcl-
linzona, Chiasso, Luino nnd allen italienischen Stationen ohnc

Zu Anselm Feuerbachs 25. Todeslag.

Nürnberg, 4. Fanuar 1905.

Er verkündet es begeiftert
Was er schante traumiverloren
Doch? dcn nächften Morgcn fand man
Fhn ctm Puibltttrni crfroven.

(Adolf Pichler.)

Luf unserem chrwürdigen F o h a n n i s k i r ch h o s,
ünf Schritte von 'Albrecht Dürers Grab, steht eine niüde
Trauerwerde und hält die Wacht an eines Großen letzter
dtu'heslütt. Ein Medaillon zeigt den wnndervollen Kopf
kines Mannes in der vollsten Blüte, mit unendlich feineni
Gestcht und herrlichem Haar, nnd darunter steht in
tührender Einfachheit: Anselm Feuerbach, geb.

i2. Sept. 1829, gest. 4. Fan. 1880. Einige Jähre vor
lernem Tod hatte er sich in Venedig eine Grabfchrift ge-
k'ichtet:

Hier liegt Anselm Feuerbach,

Der im Leben manches malte
Fern dem Vaterlande, ach!

Das ihn sinmer schlecht bezahlte.

Doch das Schicksal, im fremden Lande zu ruhen, tras
ll)ir, der seine Heimat trotz den ungezählten trüben Tagen,
-ie sie ihn erleben lietz, noch immer glühend liebte, dank
den Bestimmnngen seiner Mütter nicht. Als ihn am
4. Janucrr in Venedig, ernsam in einem Hotelzim-
Mer, der Herzschlag dahinraffte, ließ jene hohe Frau, die
->ur ftir ihn gelebt hat und nie den Manben an den Ge-

nius in ihrem Sohn ver'lor, die Leiche nach Nürn b erg
überführen und tröstete sich, von Ansbach — dort hatte
sie sich danernd niedergelassen —- das Grab Anselms,
wo „ihre Hoffnungen lagen", in st'infzig Minuten er-
reickzen zu können.

Nach der ehrenvollen und großarttgen Beisetzung
äußerte sein treuer Freund und Biograph Allgeyer:
„'Sein Grab war mit Lorbeer bedeckt. Den einzigen Lor-
beerkranz, den der Lebendc erhielt, und den ich in
seinem Raritätenschränklein in Nürnberg aufbewährt
fand, erhielt er zu seinem 50. Geburtstag für den Ti-
tanenstnrz von m i r."

Wir wollen heute, wo längst die Kämpfe schiveigen
und die Zeit den großen Toten e'hrt, nicht in Bitterkeit
gedenken, wie schwer ftch seine Zeitgenossen an ihm ver-
sündigt 'haben. Man muß anch die Brtefe an seine
Mutter, der er sich bts in die letzten Winkel feines Künst-
lerinnern durch Jahrzchute 'hindurch offenbarte, man muß
die treffliche, aus treuestem Freundesherzen und ttefem
Künstlergeist geschriebene Biographie Allgeyers lesen, um
zu sehen, welch ein unfäglich trauriges, owig gehetztes
Dasein ihn die Welt leben ließ zum Dank für die Werke,
die er ihr schenkte. Dort wird man auch finden, daß
nicht in chm n. seinem Verhalten zur Welt die Wurzel sei-
nes Unglücks lag, daß er sich nicht etwa als das „verkannte
Genie" unnahbar abschloß gegen solche, die es ernst mit
ihm meinten, daß er mir verlangte, er selbst sein zu dür-
fen. und sich im übrigen nicht störrrsch gegen die jcwei-

ligen Nerhältnisse spreizte. Nur Ge'hör wollte er: Die
Welt hat es ihm versagt.

Aber heute nicht davon! Wir wollen keine Vorwürfe
bringen; seine Zeitgenossen-Hatten ebenso das Recht, chren
Bedürfnissen und Jnteressen enffpreckjende Arbeiten zu
krönen, wenn man ihnen diese brachte, den Lorbeer und
den klingenden Lohn zu spenden. F-ür den, der einsam
trotz den Lockungen die Treue gegen sich selbst bewahrte,
blieb dann freilich keine Teilnahme m-ehr. Aber welche
Gründe waren es denn, daß man zeit seines Schaffens
seiner Eigenart ablehnend gegenüberstand?

Feuerbachs 'Kunst süebte von Anbeginn danach, sich
in monumentaler Gestaltungsart auszuleben. Er tvar
zum Monumentalfften geboren, wie kein zweiter neben
ihm. „Eine dionystisch-apollinische Natur, in dem Sinne,
wie Frtedrich Nietzsche es versteht, mit einer gleichgeitig
zum Tragischen und Erhabenen, wis zum Heitern ge-
stimmten Seele, lag ihre eigentliche geistige Heimat rm
Gebiete des iNythos und der hohen Tragödie; Kraft und
Leben aber sog sie mit all ihren Organen aus dem blichen-
den Reiche der Anschauungswelt." So charakterisiert
Allgeyer in unübertrefflicher Weise sein Wesen. Das
war nun allerdings nicht die Richtung, die damäls im
Schwunge war, und in der die geachtefften Maler ihre
Werke schufen, die damals Riesentaien galten — und
schon heute in den iGallerien kaum noch ein historisches
Jnteresse erwecken. Wohl pflegte man anch dort den
großen Stil, mo-numcntales Erhebeu des Geschichtlichen
 
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