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Heidelberger Zeitung (47) — 1905 (Januar bis Juni)

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Nr. 1-26 (2. Januar 1905 - 31. Januar 1905)
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https://doi.org/10.11588/diglit.16473#0108

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Lippe-Detrnold.

— Der Graf-Regent erklärte 'durch einm Er-
taß, datz er bis zur gerichtlichen Entscheidung die Re-
gentschaft weiterführen werde in getreuer Erftil-
lung der von ihm geleisteten eidlichen Gelöbnisse. Hätten
Lippe-Biesterfeld und Schaurnburg-Lippe sich nicht ge°
einigt, ihren Streit einem Schiedsgericht zu unterbreiten,
so hätte der Graf-Regent jetzt nach dem unerwarteten
Äldleben des Fürsten Alexander die Regierung als Fürst
übernommen.

Aus -er KarLsru-er ^eitung.

Karlsruhe, 14. Jan. Heute Mittag halb 1 Uhr
traf Prinzessin Amelie zu Fürstenberg in Begleitung der
Freiin Marie von Nsven aus Baden-Baden hier ein. Die
Prinzessin nahm an der Mittagstasel der Höchsten Herr°
schaften teil und reiste nachmittags 4 Uhr 40 Minuten
wieder nach Baden zurück. Der Großherzog hörte im
Laufe des Nachmittags die Vorträge des Geheimerats
Dr. Freiherrn von Babo und des Legationsrats Dr. Seyb.
Von dem Prinzen Wikhelm von Schweden und Nor-
wsgen traf bei den Großhsrzoglichen Herrschaftm die er-
freuliche Nachricht ein, datz derselbe gut in Stockholm an-
gekommen ist.

Landesversammlmig der Jungliberalen
Vereine.

Freiburg, 15. Jan. Die Landesversarnmlung
der Jungliberalen Bereine gestaltete sich zu einer im-
posanten Parteikundgebung. Aus allen Teilen des Lan-
des waren die Delegierten zahlreich erschienen, die sich mit
den Freiburger Parteifreunden am Samstag Abend zu
einem Festbankett im Feierling-Saal zusammen-
fanden.

Der grotze Saal war Lberfüllt, als der Vorsitzen-de des
Jun-glideralen Vereins Freiburg, Dr. Eisenlohr, die Feier
nrit ciner Begrüßnngsansprachc kurz nach 8 Uhr eröffncte. Gleich
darauf nahin der Vorsitzende des LanidesverLandes, Landge-
cichtsrat Scherer, das Wort, uin in einer kurzen, packendcn
Ansprache die derinalige politische Situation zu kennzeichnen. Es
nrüsscn selbst, sagte er, allc Meinungsverschiedenheiten zurück-
trestri. Es genügt nicht, den liberalen Besitzstand gegen die
ultramontane Hochflut zu verteidigen, wir müssen auch in das
Zentrumslager eiirbrechen und durch zahlreiche Vcrsammlungen
und Aufklärung die Maffen des Volkes wieder zur liberaten
Fahne bringen. Besonders den Liberalen Freiburgs winit ein
schöner Lohn. Hier gilt es', die Hochburg des Zentrums zn er-
obern und die aufstrebende Universitätsstadt, die Perle des
Breisgaues, zurüötzugewinnen dem Liberalismus, dem Fort-
schritt, der Freiheit!

Eine weitere Ansprache hielt der nationalliberale Fräktions-
chef Abg. Dr. Wilckens. Es ist gut, wenn gleich von varn-
herein nach autzen hin dokumentiert wird, datz wir National-
liberale einig und geschlossen sind und datz wir daher getrosten
Muts den kommenden Ereignissen entgegcnschauen. Redner
gibt seiner Frcude Ausdruck über das taktischc Zusammengehcn
der lrberalcn Gruppen. Den Weg dazu hat die Berfaffüngs-
refornr geebnet, deren Verlauf auf dem- letzten Landtage den
Linksliberalen die Ueberzeugung verschaffte, datz cs uns wirk-
lich um eine freiheitliche Weiterentwicklung unserer Verfas-
fungsein-richtungen zu tun war. Allerdings sind die Einzelhei-
ten in einigen Bezirken noch nicht völlig geregelt, abcr über die
Grundlagen bestcht unter den Führcrn Uebereinstimmung und
ich hoffe daher zuverstchtlich, datz die vereinzelten Schwierigkei-
ten zu überwinden sein werden. Das Zentrnm rechnct jctzt
offenbar auf cin Zusammcngehen mit Len Konservativcn. Diese
Rechnung mag, soweit die Extremen in Frage kommen, zutref-
fend sein. Jch kann mir aMr nicht denken, üah die gemähigt
Konservativen die Hand dazu bieten wcrden, einer Partei in
den Sattel zu helfen, deren Sieg für unser Land nichts tveniger
als cin Glück Ledcuten würde. Die Anschauung mancher Kon-
servativen, datz wir der Sozialdemokratie gegcnüber zu entge-
genkommend seien, ist unbegründet. Wir müffen an vielen Or-
ten auch gegen die Sozialdemokratcn kämpfen, mit denen ein
Paktiercn für nns ausgeschlossen ist, solange sic die Grundlagen
unserer heutigen Staats- nnd Gcsellschaftsordnung negiercn.
Allevdings wollen wir die Sozialdemokratie nicht auf dem Wcge
der Ausnahmegesetzgebung bekämpfen. Wir wollen vielmehr
dem, was in der Arbeiterbetvegung berechtigt erscheint, anch un-
serevseits zu Erfüllung zu verhelfen suchcn. Jm übrigcn kann
man gewih ein entschiedener Gegner der Sozialdemvkratie sein
And doch zugleich die Meinung haben, dah bei den bevorstehendeu
Lanidtagswählen, l>ei denen es sich nicht um die grotzen nationa-
len Fragen handelt, wie solche im Reichstage zu erledigen sind,
sondern lcdiglich nm kulturellc Fragen, nm solche der Freiheit,
von Wissenschaft und Kunst, um die Fernhaltung klerikaler
Bevormundung von Staat, Gemeinden und Einzelnen, ja sogar
von Pfarrämtern (stürmische Heiterkeit!), vor allem äber um
die Schule, der Kampf gegen die Sozialdemokratie in zweiter
Reihe steht und dah die Gesahren, die uns von der Zentrums-
seite her drohen, diesmal die gröheren sind. Die mit grohem
Beifall aufgenonimene Rede klang in ein Hoch auf den Grotz-
herzog aus. Gencralfekretär Breithaupt überbrachte die
Grütze des Zentralvorstandes der nationalliberalen Partci,
Generalsekretär Zimmermann die Grühe des Reichsver-
bandes der nationalliberalen Jugendvereine.

Alsdann bestieg, mit Händcklatschen begrützt, Abg. Obkir-
che r die Tribüne nnd zollte üen Jungliberalen grohes Lob für
ihre ersprietzliche Mitarbeit im Dienste der Partei u. des Vater-
landes. Jn vorzüglicher, init feinem Humor und bilderreichen
Vergleichen gewürzter Rede schildert sodann Partcisekrctär
Ziegler das Verhältnis zwischen Alt und Jung und wies in
scharfumg-renzter Darstellung darouf hin, was denÄiberalismus
Not tut, um seine frühere Volkstümlichkeit wieder zurückzuge-
winnen. Der ganze Abend verlief in schönster Harmonic und
sÄvungvoller Begeisternng.

Die geschäftlichen Beratungen eröffnete Landge-
richtsrat Scherer am Sonntag Vormittag kurz nach 11 Uhr.
Die Feststcllung der Präzensliste ergab folgenden Mitglieder-
stand der einzelnen Vereine: Baden 115, Bruchsal 170, Durlach
90, Eppingen (?), Ettlingen 52, Freiburg 500, Heidelbcrg 487,
Hornberg (?), Karlsruhe 793, Konstanz 520, Lahr 218, Lörrach
150, Mannheim 420, Metzkirch (?), Offenlburg 130, Oppenau
24, Pforzheim 330, Psullendorf (?), Rastatt 55, Schwetzingen
(?), Villingen 75, Waldshut 56.

Den ersten Vortraa hielt Amtsrichtcr Dr. Koch - Mannheim
über den Zusammenschluh der libevalen Palstqien gegen die Re-
aktion.

Jn der anschließenden Diskufsion erklärte Abg. Dr. Wil -
ckens, datz die Aussührungen des Referenten im grotzcn gon-
zen den Anschanungen der Parteileitung entsprechen (Bravo).

Renner - Rastatt betonte, datz die Sozialdemokratie ' bei
den bevorstehenden Wahlen für uns die geringere Gefahr dar-
stelle. Taraus sollte sich jeder Liberal« den notwendigen Schluh
^iehen.

Lohr - Konstang: Unsere Losung mutz nach Wackerschem
Rezept heitzen: Unbedingt gegen das Zentrum!

Abg. Dr. Wilckens: Unter den Führern der liberalen
Parteien herrscht Einverständnis darüber, datz beim Zusam -
mengehen volle Gegenseitigkeit herrschen
mutz. Sclbstverstänülich kämpfen wir nicht gegen die katholische
Kirche, sondern gegen üas Zentvum und den Ultramontanis-
mus.

Thorbecke - Bruchsal: Wir wollen uns der Sozialdemo-
kratie nicht an den Hals werfen, aber den Kampf gegen sie so
führen, datz bei den Stichwahlen eine Verständigung möglich
ist. Auf eine Anfrage Thorbecke's betont Dr. Wilckens nochmals,
datz ein Pakticren der nationalliberalen Partei mit den So-
zialdemokraten ausgeschkossen- sei. Was im Fall der Stichwahl
zu geschehen habe, wenn es sich um die Wahl cines Zcntrnms-
mannes oder eines Sozialdemokraten handle, sei Sache der lo-
kalen Ovganisationen und der einzelnen liberalen Wählcr,
welche darüber nach Maßgabe der besonderen Verhültnisse des
betreffenden Falles zn befinden hätten.

Damit schlietzt die Diskussion. Nach einem Schlutzwort des
Referenten behandelt Kaufmann Clautz - Mannheim in grotz-
zügiger, wohldurchdachter Rede erschöpfend die Wohnungsfrage.
Er empfiehlt u. a. Evbpacht-, Wertzuwachssteuer, ReichAwoh-
nungsgesetz. Auch an diesen Vortrag knüpfte sich eine anregende
Diskussion, in der Abg. Dr. Wilckens die Leitsätze des Referen-
ten bei der Ansstellung des neuen Parteiprograrnms in Evwä-
gung zu ziehen versprach (Bravol). Folgende von Dr. Koch-
Mannheim vorgeschlagene Resolution wurde einstimmig ange-
nommen:

Der Landesverband der bad. jungliber. Vereine erkennt an,
üah die Lösung der Wohnungssrage cine der wichtigsten so-
zialpolitischen Ausgaben ist und cmpfiehlt den jungliberalen
Vereinen, sich mit dieser Frage eingehend zu beschäftigen und
in ihrern Wirkungskreise für praktischc Wohnungsreform ein-
zutreten.

Nach einer krrrzcn Pause reserierte sodann Larrdgerichts-
rat Schwörer - Freiburg über die Schulfrage. Sein Stand-
punkt deckte sich im wesentlichen mit der Haltung, tvelche die
nationallrbcrale Landtags-Fraktion zu der Eingabe der bad.
Lehrerschaft eingenornmen hat.

Der Antrag Psorzheim betr. Einführung einer Wehrftener
wurd« wegen vorgeschrittener Zeit von der Tagesorünung abge-
setzt. Jn den Gesamtvorstand wurden per Akklamation wieder-
k«zw. neu gewählt: Scherer, 1. Vors., Koch, 2. Vorf, Frei,
Schristführer, Kölsch, Rechner, Dorn-Hetdelberg, Kölblin-Ba-
den, Eisenlohr-Freiburg, Lohr.Konstanz, Katz-Offenburg, Lang-
Pforzheim, Gebhardt-Lahr als Beisitzer und Wüst, Sulzberger
und Bnrckhardt als Ersatzmänner. Jn den Engeren Älusschutz
der nationalliberälen Partei wurden delegiert: Schcrer, Koch,
Lohr, Schwörer. Die Landesversammlung für 1906 finidet in
Pforzheim statt; für eine ctwaige auherordentliche Tagung in
diesem Jahvc ist Konstanz in Aussicht genommen.

Aus Lradt und Land.

Heidelberg, 16. Januvr.

-f- Bon der Univcrsität. Zum Prorektor unserer Uni-
versttät für das Studicnsahr 1905—06 wurde in dcr Sitzung
des Grotzen Senatcs am Samstag Rachmittag der Ordinarius
fiir Chemie und Direktor des chemischen Laboratoriums, Geh.
Rat Prof. Dr. Theodor Curtius, gewählt. Geh. Rat Cur-
tius gehört dem Lehrkörper unserer Univevsität seit dein Jähre
1897 an, als Nachsolger des so plötzlich ans dem Leben geschie-
denen Victor Meyer. Er ist der berühmte Entdecker des Hydra-
zin (1887) und der Stickstoff-Wafferstosfiänre (1890). Am 27.
Mai 1857 zu Duisburg a. Rh geboren, hat cr zncrst in Leip-
zig Philosophie, Musik nnd Naturwiffenschasten studiert, dann
in Heidelberg und München speziell Chemic. 1886 habiliticrte
er sich auf Grund seiner epochcmachenden Arbeiten über Diazo-
verbindungen der Fettrcihe an üer Universität Erlangen, wnrde
1889 als ordentlicher Proseffor nach Kiel, von da 1896 nach
Bonn und kaum, datz er dort Kekule's Nachfolge angetretcu
hatte, 1897 an die Rupcrto-Cvrola berufen. Er beschäftigte
fich vornehnUich mit dem Glycocoll, dev Synthese von Keton-
säureäthern und Len Diazoverbindungen der Fettreihc. — Prof.
Dr. Bezold wird am nächsten Dcmnerstag, 19. ds. Mts., im
Kaufinännischen Verein in Mann,heim einen Vortrag (mit
Lichtbildern) halten über „Die weltgeschichtliche Bcdentung der
babylonisch-assyrtschen K-ultur".

-fi Der erste städtische Maskenball (Redoute) sindet, wie be-
reits kurz angeiündigt, anr Samstag, den 28. ds. Mts., in den
sämtlichen Räumen der Stadthalle statt. Der kleine Ballsaal
und der Lesesaal sind auch dieses Mal für die Wirfichaft
bestimmt, jedoch wird hier zu den Speisen imr Wein verab-
reicht, in dcn anüeren Wirtschafisräumen auch Bier. Der
Ausschank von Sekt ist in den unteren Räumen in der „Rosen-
laube". Der Ansan-g des Balles ist auf halb 9 Uhr, das Ende
auf halb 5 Uhr sestgesttzt. Der Kartenverkauf ist bei den seit-
herigen Stellen, wozu noch eine solche bei Herrn Metzger,
Brückenstraße 19, im Stadtteil Neuenheim, treten wird. Der
Eintrittspreis in den Ballsälen ist 3 Mark die Person, für Dal-
konplätze 5 Mark für die ersten 2 Reihen nnd 4 Mart für die
übrigen. ,An der Abendiaffe kosten alle Karten eine Mark
mehr. Äm Ballaibend nach 1 Uhr werden keine Karten mehr
ausgegeben. Die Ballnmsik stellt der verstärtte Orcheslerverein,
un-ter Leitung des Herrn Kapellmeister Lehmann. — Was
nun den Charakter der „Redoute" betrisft, >so unterscheidet sich
solche insoferu etwas von dem Maskenball, als bci der Redoute
im allgemeinen vielleicht ettvas mehr „intvigniert" und geflir-
tet, als getanzt wird, obgleich dies natürlich der Laune der ein-
zelnen Ballbesnchcr überlaffen bleibt. Neben den Kostnmen ist
jedoch den elegantrn Dominos (nicht Kuiten) wie in den Grotz-
städten Wien, München, Paris eine besondere Rolle zngedacht,
und werden die den Ball bcsnchenden Damen darübcr alles Wis-
senswerte bei den Modiftinnen und Schneiderinnen sehr leicht
ersahren könncn. Für die elegantesten und originellstcn Domi-
nos sind 5 Geldpreise Vvn 100 Mark, 80, 50 und zweimal je 40
Mari ausgesetzt, Damit jedoch die „Jnlrigue" nicht zu lange
dauert, findet um Mittcrnacht allgemeine Demaskierung ftatr.
Diejenigen Herren und Damen, die sich weder des Domino's
noch der Maske bedienen wollen, erscheinen im Ballanzug mit
Maskenabzeichen.

—Dein bad. Verein für BoltSkunde ist das Ministerium
der Justiz, >d«s Kultus und Unterrichts als „Gönner" bcstetre-
ten und hat die Unterstützung grötzerer selbständiger VorSffcnt-
lichungen zugesagt.

— Die freiwillige Feuerivehr hielt am Samstag Adend ihre
Weihnachtsfeier im grotzcn Saal dcr Stadt-Halle ab. Dieselbe
war sehr g»t,besucht und nahm einen hübschcn Verlauf. Nähe-
ren Bericht bringen wir morgen.

— Bvrttge-Konzert. Meister Boettge hat wicder cinmal wie
mit magnetischer Kraft das Publikum angezogen. Schon lange
nicht mehr war die Stadthalle so mit Konzertbesuchern gefüllt,
wie gestern. Um 5 Uhr begann das Konzert und nm> hal-b 5 Uhr
konnte man nur noch init Mühe und Not ein Plätzchen erobern.
Alle, die gekommen waren, unterhielten sich aufs beste, nament-
lich die heiteren Stücke fanden eine sehr üankbare Zuhörerschaft.
Mefiter Boettge ist inrmer der -umsichtige Kapcllmeister, alles
klappt und geht wie am Schnürchen. Die Zuhörer spendeten
begeisterten Beisall, für den Boettge mit manchen Dreingaben
dankte. Das Konzert dehnte sich auf 21h Stunden- aus.

(I) Eifenbahuunfälle. Am Samstag Abend fuhr der von
Würzburg kommende Personenzug Nr. 366 am Bahnübergang
in der Rohrbacherstrahe auf eine Dampfiägemaschine auf und
zertrümmerte sie. Die Dampfiägc war, kurz bevor >dcr Zug

passteren mutzte, auf dem Gleise stehen geblieben und konnte
nicht mehr heruntergeschoben werden. An demselben Uebergang
lictz am Samstag der Eisenbckhnwärter in dem Augenblick die
Barriere herunter, als cin Wagen der elektrischen Bahn darun-
ter himvegfuhr. Die Barricre ritz an dem elektrfichen Wagen
den Leitungsbogen ab, sie selbst brach ebenfalls entzwei.

8^ Auf einc schrecklichc Art kam das 5 Jahre alte Söhnchen
des Malernieisters Adolf Hacker ums Leben. Während die
Mutter am Samstag Nachmittag ein Bad vorbereiten nrvd kal-
tes Wasser holen und in die mit kochendem Wasser gefMlc
Badewanne schütten wollte, machte sich der Kleine an dcr Bade
wanne zu schfifen und stürzte in dieselbe. Schrecklich verbrüht
wurde das bedaucrnswertc Kind nach dem akademischen Kran-
kenhaus verhracht, wo es noch in der Nacht seinen Vertetznngei»
erlag.

I—I Einbruch. Heute Nacht wuvde bet dem Kalitineniwict
in der Kaserne eingebrochen und ein grötzerer Geldbetrag ge-
stohlen.

O Weinheiin, 15. Jan. (V e r u n g l ü ck t.) Jn dem eine
Biertelstunde von Niederliebersbach cnfiernten Balzenbach ist
der verheiratete Bruder des Landtags- und Reichstagsabgeord-
neten Müller von Heiligkreuz namens Nikolaus Müller, 42
Jahre aü, auf einc schreckliche Wefie ums Leben gekomanen.
Derselbe fuhr mit einem mit Schlempe beladenen Wagen vo:>
Großsachscn nach Hansc und kam unterwegs unter den schrver
beladencn Wagen, wobei er dic tötlichen Verletzungen erlitt,

IV Svmmerau (Schwarzwald), 15. Jan. (Schnee.) Hier
liegt der Schnee 50—60 Zenfiimeter hoch. Es ist somit eine
schöne Schlittenbahn und Gelegenheit zum Skilausen vorhcrndeu.

O Konstanz, 15. Jan. (Zum Ableben Handlosers.)
Der Großherzog von Baden und der Kaiser häben ans Anlatz
dcs Ablebens des Dlusikdircktors Handloser deffen Angehürigen
telcgraphisch ihre Teilnahine ausgesprochen. Die Teilnahme
ist eine allgemeine. Auch die schlveizerischen Blätter widmcn
dem Dahingeschiedenen lange herzliche Nachrufe. Handkoser
wurde bekanntlich scherz-weisc „Schweizer Kapellmeister" ge-
nannt, weil er sehr häufig in der Schweiz seine Kunst ausübte.

Aus Baden. Jn Altlutzhcim erschotz sich der 46 Jahre
alte Wirt und Weinhändler Engelhorn wahrscheinlich im Zu-
stande geisfiger Umnachbung.

Sport.

— Morgen, Dienstag, Nachmittag drei Uhr, ftndet:
auf dcm Sportplatze an der Rohrbacherstratze ein Hockeywett-
spiel zwischen einer aus Damen und Herren zusammengesetzten
Mannschast des atademischen Sport-Clubs und einer «bensolchen
von Heidelberg College stafi.

Der Krieg in Ostasien.

Der russischen HeeresleitunF ist von >verschievenen
Seiten, und offestbar mit vollem Necht, der Vorwurf ge-
macht worden, 'daß sie im bisherigen Verlauf des Feld-
zngs von ihrer ungeheuren U e b e r l e g e n h e i t an
Kavallerie — sie hat mindestens so viele Reiter-
Divisionen zur 'Versügung wie der Gegner Regimenter
—- nicht in der geeigneien Weise Gebrauch gemacht habe,
obwoh-I es ihr auch an hervorragend tüchtigen Reiterfüh-
rern (es seien nur die Namen Rennenkanrpf und Bftscht-
schenko genannt) keineswegs fshlte. Jeht endlich ist die
russische Kavallerie lebendig geworden, wie 'das säwn die
am Samsiag veröffentlichten Nachrichten erkennen lie-
ßen. Da die Meldungen von jabanischer Seite kommen,
so darf man annehmen, daß sie die tatsächlichen Erfolge
der Russen nicht übertreiben. Gemeldet wird:

Rnsstsche Kcwallerieeibteilungen en-tfalten südwestlich vorl
Liaojang eine lebhafte Tätigkeit. Sie wollen offenbar die
Eisenbahnverbindungen abschneiden unü die Armce Rogis,
welche die Armee Oyamas verstärken soll, ermüden. Am Mifi-
woch Vormittag tras eine japanische Kavallerieabteilnng weft-
lich von Tangmasas und südwestlich von Liaojang
auf vier russische Kompamen. Es entspann sich ein hefttges Ge-
stcht, das bis halb 3 U'hr nachmittags daucrte. Die Russen wur-
den schlietzlich mit starkcn Verlusten zurückgeschlagen. Anr
Mtttwoch waren die Ruffcn jedoch schon bis znr Eisendahn ge-
langt und hatten die Sttecke zwischen Antschanfichan und Hai-
tscheng, soivie zwischcn Jnkou und Taschitschiao mehfiach zer-
stört. Nachdem die Strccken fofort ansgebeffert wordgn irxrreu,
konnte -der Verkehr schon am sclben Nachmittag wieder aufge-
nommen werden. Gleichfalls am Mitrwoch grissen 2000 Mann
russtsche Kavallerie unscre Stellung bei Niutschwang an. Die
Japaner zogen sich zunächst zurück, griffen aber, nachdem sie
Verstärkungen erhalten hatten, die Nussen an und vefiolgten
sie in nördlicher Richtung. Tie Russen griffen auch Ninfickis-
tung an, wurden hier aber gleichfalls zurückgeschlagen.

Hierzu noch eine Melbung aus Tientsin, wonach eine
Abteilung von 500 Kosaken in Knhantze bei Niutschwans
bie japanischen Vorräte zerstört hat. Der Ort Haitscheng
liegt etwa 70 Kilometer südlich von Liaoyang, wo süb-
bekanntlich das jastanische Hauptquartier befindet. Die
russischen Kavallerieabteilnngen haben bcmnach in
einem großen südwestlichen Vogen die japanische Hanpt-
stellung-umgangen. Man glanbt, daß sie dabei chinesisches
Gebiet betreten haben. Ob das richtig ist, nürd nicht
lange verborgen bleiben. Gelingt es den Russen die
Vereinigung der bisher vor Port Arthur verwendet ge
lvesenen Trnppen mit der Feldarmee zu verhindern,
ihnen, wie sie beabsichtigen sollen, die schweren Geschützc
abzufangen, so wäre dies ern starker Erfolg. Jn Japan
scheint man zunächst keine größeren Besorgnisse zu hegen.

Lo n 'd o n, 14. Jan. Nach einer Meldung der „Ti-
mes" aus Port Arthur, betrug die Gesamtzabl dsr
Soldäten, Seelente und Zivilisten in Port Archur bei
Beginn der Belagerung 56 000 . Tavon wurden 10 000
getötet oder starb-en an Lkrankheit, 878 Osfiziere nnd
23 500 Soldaten und Matrosen wnrden twn den Fapa°
nern gefangen genonmien, während 441 Offiziere un-d
1100 Marincarbeiter ihr Ehrenwort abgaben, nicht mehr
gegen Japan zu känrpfen. 14 000 Kranke nnd Verwun-
dete bleiben in den Hospitälern. 5000 russische Arbeiter
werden nach Tschifn gäschickt. Mangel litt Port A-rthur
nicht, denn Nahrung war noch für zwei Monate aus-
reichend dorhanden. Auch fanden die Japaner nichk
3000 Kilogramm Pulver, sondern noch 30 000 Kilo-
gramm. Als Erklärung snr die Uebergabe werden an-
geführt: Der Verlust der ffriegsschiffe, der Tod des wirk-
lichen Verteidigers, des Generals Kondratenko, die Hef-
tigkeit des japanischen Artillerieseuers und die Schwierig-
keit, die Arbeiter in der Fe'tung in Ordnung zu halten.
Die japanffchen Verluste seit der Schlacht bei Nanshan
betrugen 55 000 wovon ein Fünftel getötet worden ist.
 
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