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Heidelberger Zeitung (47) — 1905 (Januar bis Juni)

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Nr. 1-26 (2. Januar 1905 - 31. Januar 1905)
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feiern abgehalten tverben und anr 9. Mai der Unter-
richt ausgesetzt wird.

Preußcn.

— Der Hauptlehrer Nickel - Trakehnen, durch des-
fen Vorgehen die Trakehner Schulzustände
klargelegt worden sind. ist der „Breslauer Zeitung" zu-
folge vom Amte suspendiert worden und hat
fchon am 1. Februar seine Wohnung zu räumen. Der
Mann ist gebrochen. Seine Frau liegt seit langem krank
darnieder — die Familie leidet Not. — So haben.die
einslutzreichen Gegner des Lehrers doch ihr Ziel erreicht.
Wieder ein Beweis, wie >es mit dem Schutz der Le^hrer-
schaft bestellt ist.

Aus der Karlsruher ^eitung.

— Seine Kön-igliche Hoheit der Großherzog haben
dem Revisionsvorstand Rechnungsrat Leopold Brenzingcr
beim Grotzh. Vertvcrltungshof und dem Rechnungsrat Emil
Heinrich Ballweg, diesem untcr gleichzeitiger Ernennung
zum Revisionsvorstand bei der genannten Behörüe, den Titel
Oberrechnungsrat verliehen.

Karlsruhe, 18. Fan. Der Grotzherzog hörte
heute Vormittag den Wortrag des Präsidenten Dr. Nico-
lai und empfing den Geheinnerat Dr. Reinhard vor dessen
Wreife in Urlaub. Zur Mittagstafel erschien Prin-
zessin Wilhelm. Die 'Kronprinzessin von Schweden und
Norwegen nahm das Dejeuner bei den Erbgrotzherzog-
lichen Herrschasten ein. Der Grotzherzog hörte im Laufe
des NackMittags abermals den Vortrag des Präfidenten
Dr. Nicolai sowie denjenigen des Geheimerats Dr. Frei-
herrn von Babo und des Legationsrats Dr. Seyb.

Ausland.

Serbien.

Belgrad, 12. Fan. Der Wegfall des diesjährigen
N e u j a h r s e mP s a n g S am serbisckwn Hof, der offi-
ziell so schön damit motiviert wird, datz der Neujahrstag
kein Nationalfeiertag sei, stellt fich als einen nicht. geringen
Mitzerfolg des Königs dar, den er feiner zwischen Zuge-
ständnissen an die Königsmörder und Beschwich-
tigungsversuchen an ihre Gegner unentschieden hin und
her - schwankenden Politik zu Verdanken hat. Da das
diplomatische Korps sein Erfcheinen zum Em-
' Pfang von der dllnvesenheit oer am meisten kompromitticr-
ten Zeugen der Blutnacht abhängig machte, die Obersten
Maschtn und Popowitsch chre Perfönlichkeiten aber nicht in
den Hintergrund ^rängen lassen wollten, blieb dem König
nichts Anderes nbrig, als den Empsang abzusagen. Das
Qffizierskasinö ehrte dann den über die Absage etwas
verschnupften Obersten Maschtn in seiner Weise, indem es
ihn zum Präsidenten >erhob. Das hiesige diplonmtische
Korps hat in der Frage, in der es dem König weniger an
gutem Willen als an entschiedener Energie fchll, keinen
leichten Stand.

Aus Stadt und Lanö.

Heidelberg, 19. Janu-ir.

-tz Bo» der Univerfität. Profefsor Brühl wurde zmn
Ehrcnmitglied des physitalifchen Vereins in Frankfurt a. M.
gcwählt.

)!( Ter sozialdemokratifchc Berein hat in feiner General-
oersammlung am letzten Mittwoch seinen Vorstand neu
bestellt. Es wurden folgende Herren gswählt: Zu Vorfitzen-
den Philipp und Walter, zum Kaffier Müller, zu Schrift-
tührern Spinger und Leh, als Rsvisoren Brecht, Groß und
Kuh, als Unterkassier Joos und Rummer. Als Vertreter des
Vereins zu Jugendorganisation wurden Ripp und Spinger
bestimmt.

stch auf nichts besinnen. Otte wurde verhaftet; seit fast
1Z4 Jahr befindet er sich in Untersuchungshaft. Die
Hauptverhandlung gegen ihn mußte bis jetzt vertagr wcr-
den, da er fortwährend Geistesgestörtheit simnl'rcne. Otte
iuchte das Mädchen nnd das zu erwartende Kind aus denr
Wege zu räumen, nm eine andere heiraten zu kvnnen.
Der Staatsanwalt beantragte eine Zuchthansstrafe don
10 Jahren, 10 Jahre Ehwerlust und Stellung untcr
Polizeiaufsicht. Der Gerichtshof erkannte auf 10 Jahre
Zuchthaus und 5 Jcchre Ehrverlusi. Jn der Urteils-
-egründung wird betont, datz bei der Scheutzlichkeit des
Verbrechens, durch welches zwei Menfchenleben vernichtet
werden sollten, anch von dem Vorleben des Angeklagrcn
mildernde Umstände nicht hergeleitet werden könnten.
Das Gericht -steht auf dem Standpunkt, daß der Aügeklagte
das Verbrechen ausgeführt hat, um feine Braut aus dem
Wege zu räumen, nachdem er ein Verhältnis mit einer
anderen angeknüpft hatte. Hervorgehoben wirch die ehr-
lose Gesinnnng, die in der Tat zum Ausdruck kommt, so
-daß das Gettcht als angemessene Sühne dem Sirafmatz
des Staatsanwalts bttgetreten st't.

— Breslan, 16. Jan. Oberschlosst'chen Blätterir zu-
folge erhielt die Deutschland-Grube in Schwientachlokvitz
berttts gtttern aus WestfaIen Kohlen-Btttellungen auf
telegraphst'chem- Wege. Es gingen bereits ttnige Tausend
Zentner Kohlen nach dem Streikgebiet. Wtttere Sen-
bungen werden in den nächsten Tagen abgelassen werden.

— Schlägcrci init einem Herero. Ein Ängehöttger
des Hereostammes, der schon snt Fo.hrsn in Berlin lebt,
defand fich Montag ^lbend in ttner Gafyvittfchast in der
Chausseeftrahe und getttt hier mit sinigen anderen Gästcn,
die den Schwarzen hänselten, in Streit. Der Herero ließ
fich dies ttne Ztttlang gesallcn; alö jeöoch seine Peiniger
auch den Aufsiand in Südwestafrika in dw Debatte
zogen, gerni er in Wnt nnd schlug einen seinen Gegner
mit ttnem Biersttdel auf den Kops. Zwischen den Gästen,
die zum Tttl fiir den Neger eintratcn, kam es nunmehr
gu ttner htttigen Schlägerei, die sich später aus der Stratze
fottsetzie. Dabtt erlitten zwer Arbeiter so bedentende
Berlehungen, datz sie die Hilfe der Unfallsiatton des Ger-
Hardt-Sttfts in Unsprnch nehmcn inutzten.

— Das Kast'er-Panorama filhrt seine Besucher bis ein-
schliehlich Samstag dicher Woche nach Ostindien und Kvar
nach Iava, eine der vier grotzen Sunda-Jnfeln, die den
wertvollsten holländischen Kolonialbesih darstellen. Wir werden
in die grandiöse Einsamkeit eines tropischen Uvwaldes ver-
setzt, werden in die Hütten dcr Eingetorenen gefiihrt, belau-
schen sie bei ihren Arbeiten und harmlosen Veranügungen
und weiter fiihrt uns 'die Reise im leichten Canoe fluha'bwärrs
nach Curabaja, Malang, dem Adjnnd-Gebirge und Fafuvuan,
n>o wir schlietzlich an Bovd eines Kricgsschiffes die Heimreise
«ntreten. Es ist eine Serie von höhemi ethnographischem
Wert, die uns hier vorgeführt wird, nnd kann ein Besuch der-
selben nur empföhlen wcvden.

-st Wach- und Schlicßgesellschast. Jn der Nacht von Diens-
lag auf Mittwoch. gelang es dem Wächter ö Wergin von der
Wach- und Schlietzgesellschaft, einen Spitzbuhen zu ergreifen; er
übergab denselben der Polizei. Schon mehrere Tage beobachwte
der Wächter denselben, bis e'r ihn verflossene Siacht niit seiner
Bente festnchmen konnte.

Mannheim, 18. Ian. (Zu den Arbeiterentlas-
sungen) Lei der Speditionsfirma Theob. Fügen nnd der
Badischen Aktiengesellschast für Rheinschiffahrt nnd SeetranZ-
port effährt der „General-Anzeiger", dah beide Firmen durch
Neueinstellungen die entstandenen Lücken wieder ausgefiillt
haben. Wie es heitzt, wollten sämtliche Hafenarbeiter, söwcit
sie dem Verband angehören, am Montag die Arbeit hier in
Mannheini nicht wieder aufnehmen. Sie scheinen äber an-
deren Sinnes geworden zu sein, da bis jetzt teine weiteren
Arbeitseinstellungen erfvlgt stnd.

Lst Mannhcim. 18. Jan. (S ch w u r g e r i ch t.) 6. Fall.
Der 1861 zu Klötze in Preutzen geborene Bordellbesitzer Adoli
Fttedttch Schulle ist angeklagt, datz er, als cr am 16. Juli
1961 vor dein Amtsgcricht Heidelberg mamfestierte, den Besitz
von 1k Antrilsckieinen der Bohrgesellschaft „Glückauf" und 2600
Mart in Kaffenschcinen verschwieg. Der Angeklagte besatz hier
nnd in Heidelberg Dirncnhäuser. Scine geschäftlichen Erfolge
lietzen zu wünschen übrig. Er wuvde häufig Letrieben, insbe-
sondere von Wein-Handlungen. Die Baslcr Lebensversicherungs-
gesellschast, bei der er mit Prämien im Betrage von 170 Mark
in Rückstand geraten war, zwan-g ihn zum Osscnbarungseid,
dcn er, wie erwähnt, am 16. Juli 1901 leistctc. Er gab an,
datz er außer einem Hause in der -Schlierbacher Stratze in Hei-
delbcrg und einem Hause in der Friedrichsfelder Stratzc in
Mannhcim VermögenSstückc und Autzenständc nicht besitze. Der
Angeklagte verteidigte sich aus verschiedene Weise. Einmal, sagt
er, sei er zu der Zoit, da cr den Offenbarungseid leistete, nicht
mehr Eigentümer der Papicre gewescn. Er habe sie dem Schwa-
ger seiner Ehefrau, dem Sch-neidernieister Baher in Landau,
bei dem sein Sohn untergebracht war, zur.Bezahlung sür dessen
Verpflegung gegeben. Weiter behauptet er, die Papiere seien
zu jener Zeit wertlos gewesen nnd er habe es deshalb nicht für
nottvcndig gehalten, sie als Bevmögensstücke anzugcben. Die
Kaffenscheine gehörten nicht ihm, sondern seiner Frau. Der
Sachoerständige Dr. F i s ch e r sagt, zu dcr Zeit, da der Offen-
barungseid geleistet wurde, seicn cs allevdings der. Pefsimisten
mcht wenigc ge-west-L, die das Papier für Ivertlos gehalten HLt-
ten. Er glaube mcht, datz damals mehr als S—10 Mark für
Len Anteilschein zu crhalten gewchen wären. Der Angeklagte
wird nur des fahrlässigen Falscheides für schuldig crklärt und
zu fünf Monatcn Gefängms, abzüglich der erlittenen Unter-
suchnngshaft (seit 29. Novem-ber vor. Js.) verurteilt.

8. Fal l. Unter üngeheurem Andrang des Publikums be-
gann nachmittags 4 Uhr die Vcrhandlung gcgen den 2b Jahre
alten Bäcker Georg Stcrn auö Durlach, den 24 Jahrc altcn
Bäcker Wilhelm MusIer aus Gernsbach wegen räuberischer
Erpreffung und das 21 Jahre alte Dicnstmädchen Anna Win-
ter aus Berolzhcim wegen Bechilfe. Auf dem Vorplatz cnt-
wickelt sich ein lebensgefährliches Gedränge. Man hörte Hilfe-
ruse und die Gendarmerie mutz mit blanker Waffe eingreifen,
um Luft zu schaffcn. Nach Eröffnung der Sitzung stellt sich
heraus, datz bei dcm Volksgemurniel, das an den Rhabarbertrick
der Meininger erinncrt, nicht verhandelt werdcn kann Ta die
Gendarmeric zu schwach ist, so wird telephonisch Polizei herbei-
gerusen, welche Vorplatz und Treppenhaus räunrt. Wicderholt
werden höhnische Beifallsrufe laut. Der Tatbestand, um den es
sich im vorlicgenden Falle handelt, steht noch in frischer Erinne-
rnng. Der Angeklagte Sterir unterhielt mit der Mitangcklagtcn
Winter, die bei dem Privatmann August Meeser in Heidclberg
in Dienst stand, ein Verhältnis. Sie wollten sich heiraten, aber
wegen ihrer Vermogenslosiykeit konnten sie nicht daran denken.
Ta kam die Winter auf den Gedanken, ihre Herrschast auszu-
plündern, um auf dies« Weise sich die Mittcl zu vcrschafstn.
Sie «rzähltc Stern von Lem Kasscnschrani, >der in dem Schlaf-
zimmer stehc und in dem sich oft 8—10 000 Mart befänden. Jn
Stern schlug die Anregung Wurzel, er suchtc und fand in dem
damais in Mannhcim arbeitenttn Angeklagstn Musler einen
Spietzgesellen und c§ wurdc beschloffen, die Eheleute Meeser
in ihrem Schlafzimmer zu übeffallcn und zu beranben. Die
häuslichen Gewohnheiten des Ehepaares Meeser gaben dem
Plan die Grundloge. Morgens gegen 7 Uhr Pflcgte dic Herr-
schaft dic Schlafzimmertür zu öffnen, und dem Dienstmädchen
den Hausfchlüsscl herauszuveichen, damit dieses dcm Milch-
mann und dem Bäckerjungen Einlatz gewähren kömre. Die
Schlaszimmertüre blieb dann angelehnt. Auf diche hänsliche
Ordn-ung stützte die Angeklagte Winter den Plan, den sie den
beiden Kompligen vorschlug. Jn der Nacbt vom 1. zum 2. T>e-
zember vorigen Jahres lieh sie dic Gartentüre nnd dic Türe des
Souterrains unverschlossen. Stern und Musler kamen abends
von Mannheim, schlichcn sich gegen 12 Uhr in üie Mceser'sche
Villa und schliestn bis morgens in ciner neben der Stube der
Winier gelcgenen leercn Mägdekammer. Programmähig wurde
dann der Uebersallsplan zur Ausfiihrung gebracht. Das Mäd-
chcn lictz sich von dcr Dienstherrin den Schlüssel geben und be-
gad sich daranf in üie Küchc. Dann stiegen die Bnttchcn vom
DacModen herab, drangen in das Schlafzimmer der Eheleure
Meeser, schtvarze Zipstlmützen über -das Gesicht gezogen, in die
Löcher filr die Angen geschnitten waren, und förtt:tten von >den
in den Tod erschrockenen Leuten, den Revolver ins Gesicht hal-
tcnd, Gcld odev Leben. Herr lNeescr ging zum Kaffenschrank,
ö-ffnete'und gab dem mit dem Revolver ausgerüsteten Musler
eine Tausendmattrollc in Gold in die Hand. „Das ist crlles,
was da ist". Eilig machten sich die Rciuber >dann aus den Rück-
zug. Auf einer Rundveise über Frankfiitt, Mainz, Ludwigs-
hafen, Karlsruhe machten sie fich einige vergnügte Tage, aber
gar bald erreichte sie die Hand der Staatsarrwaltschast. Stern
verriet fich dnrch einen Bricf an die Winter, dic fclbst eine
grobe Unvorsichtigkcit beging. Als rnan die beiden Räuber in
einer Karlsruher Wirstchaft fcstnahm, konntcn ihnen noch nahe-
zn 800 Mark aügenonrmen werden. Dcr Angeiklagte Stern bricht
btt stiner Einvernahnie in Tränen ans. Der Vorsitzende wies
ihn zurecht: „Sie brauchen jetzt nicht zu weinen. Sst haben Zeit
gcnug dazu gehabtl" Stern crilärt dann: Jch hcrtst mit der
W. seit 1902 ein Verhältnis. 1903 entsprarrg daraus ein Kind,
das aber schon nach 7 Wochen starb. Mein Vater wollst das
Verhältnis nrcht lerden, die Winter hatte ihn autzerdern durch
einen groben Bttef beleidigt. Heiraten konnst ich sie nicht, weil
wir beide kein Vermögen hatten. Sie wollst sich deshalb das
Leben nehmen. Während die Winter bei Mecher in Stellung
war, besuchst ich stc häufig. Als ich in Mannheim in Arbeit
war, seltener. Sst sprach ost vorr dem Kaffenschrank Meesers,
in dem ost 8—10 000 Mark lägen. Sie habe schon versucht,
mit ihrem Kofstttchlüssel zu öffnen, es fei ihr aber nicht gelnn-
gerr. Fm Novembcr bin ich mehrere Rächst im Meeser'schen
Haüse gcwesen, weil die Winstr behanpstst, es sei in ihr
Schlafzimmer gttchossen worden und sie fürchst sich. Am 26.

Noocmber behaupstte dst Winstr, sst sci in andcrn Umständen
und rcdete viel darauf hinaus, datz wir Geld znm Heiraten
austreiben mützten. Sie sagst, das Schlafzimmer von Meesers
stehe morgens gewöhnlich aus und da tönne man die Herrschasi
zwingen, Geld hcrzugcben. Ost liege das Pottemonnast auf dcr
Kom-mode mit 8---400 INark. Jch erzählte der Winstr dann,
datz ich dst «ache schon in Mannheim einem Bücker gesagt bättc.
Es war Diusstr, dcn ich iin Bäckerinnungshaus getroffen hattc.
Er Ivar gstich mit cinvcrstanden. Auch ein anderer Bäcker na-
mens Sachs wollte mitrnachen, abcr den wollten wir nicht, weil
er cin Merkmal am Auge hatte. Musstr wollre die Hälfst Ler
Beust. Jm „Amtsstübel" (einem Lokal gegenüber dem Landge-
richt, in dem die hcutige Verhandlung sich abspielt) wurde die
Berabredung getroffen. Bei Althändler Herzmann kauste ich
einen Rcvolver zu 2,50 Mark mit zwei Platzpatronen und zwei
Kngeln, bei Kander beschafften wir uns schwarzc Zipfelmützen
zu 22 Pfg. das Stück, um sie über den Kopf zu ziehen. Wir
wollstn auch falsche Bärte anlegen, aber wir bekamen keine. Am
1. abcnds suhren wir dann nach Heidelbcrg nnd trafen die Win-
str auf der Srratze. Sst holtc in der Apotheke Arznei. Jch
machte mit ihr aus, datz wir ihr Geld unter den Treppenlänfer
stgen würden, damit sie nach vollbrachstr Tat nach Köln reisen
könrie. Von dort aus wollst ich mit ihr nach England reffen.
Jch bin srüher zur See gefahren nnd zwar auf holländifchen
unü englischen Arnerikalinicn. Der Angeklagst schildcrt dann,
Ivic sie nachts in's Haus stiegen und tam dann zur Affäre sellbst:
Als wir in das Schlafzimmer trastn, Ivar es noch dnniel. Fvan
Meeser sagte: „Wer ist da?" und machst gstichzeitig Licht.
M-usler verlangte den Schlüffel zum Kassenschrant. Frau Mee-
ser gab keine Antwort. Unstrdessen war Herr Meeser wach ge-
worden. Er stand auf, schlotz selbst dcn Kaffenschrank cruf'und
gab Muslcr eine Rolle mrt 1000 Matt. Musler machte die
Rollc aus und zählte nach, woraus cr fragtc, ob das alles sei.
Meeser antwortete, er körme selbst nachsehen. Jch langte daraup
noch nach einer Schüssel mit Münzen, stellst sie aber wieder hin
nnd rührst sonst nichts mehr an. Als wir dann sottgingen, sagte
Musler zu Aiecser, cr solle nichts vettauten lasseip Meeser er-
widerst, er sage nichts. Dann sprangen wir dic Treppe hinun-
str. Das Geld für üie Winstr zu hinstttegen, vergahen sie in
der Eile. Am Handschuhshcimer Teiche gab mir Musler die
Hälstc des Geldes, 500 Matt, dcn Revolver warf ich in der«
Weiher. Vom städtischen Schlachthof aus fuhren wir darnr nach
Maiinheim und von hier nach Frantfurt. Die Verhafturrg
schah in Karlsruhc, wo ich mich auf Muslcrs Rat unter salschem
Namen im „Großen Hirsch" einlogiett hatst. Der Angeklagte
MuSler hatte an der Darstellnng seines Kamcraden nur wenig
richtig zu stellen. Er behaupstt, er habe zu Sstrn gesagt, er
solle nur üie Patronen wegwetten, sie brauchten keine. Sstrn
sagt, das sei nicht wahr. Weitcr behauptet Musler, er habe
uicht gesagt: „Das Geld oder üas Leben". sondern auf dst Frage
von Fran Meeser: Was wollt rhr? habe er gesagti „Nur Geld?"
Meeser ha-be darauf gesagt: „Gut, das könnt ihr haben!" Die
Angeklagtc Wintcr suchst den Angeklagstn Sstrn «rls den-
jcnigen hinzustcllen, der die erste Nnregung zu der Tat gad.
L>strn hcrbe znettt den Kassenschrank auf's Korn genouianen,
Seifenabdrücke vom Schlüffel gemacht nnd gesagt, cr Ivcröc
Geld holen. Als sie ihn gewarnt habe, er könne vcrwischt wer-
den, habe er gesagt, üas Iväre das ersst Mal. Sie habe ihm
eimnal crzählt, datz der 18jähttge Sohn des Herrrr Meeser öhne
Wissen seines Vaters 400 Mark aus dem Kassenschrank geholr
habe, er meintc, von dein könne man auch noch meor
auf dicsen schicbcn. Als sie ihin gcsagt habe, fie
wollstn lieber noch ein paar Jahre arbeistn, habe er fie dnmm
genannt. Die reichcn Lenst hästen sich ihr Geld all' gestohlc::.
Sie will bis znm letzstn Moment abgeraten nnd gewarnt haben.
Aus Bttragen des Staatsanwalts mutz sie zugeben, datz der Gc-
richtsarzt festgtttellt hat, datz sie nicht in anderen Urnständen ist.
Hieraus bstzann die Einvernahme der Zeugen. Tne Ehestau
Meeser ist wegen Krantheit nicht crschienen. Rentner Mee-
ser, ein 64 Jahre alter Herr von groher stattlichcr Figur.
ausdrucksvollen Gttichtszügen nnd larrgsamem krästigen We-
sen, gab eine detaillierst Schil-dcrung der Vorgänge seneS Dc-
zembcrmorgens. Als dic Bnrschen mit Kapuzen- über dem Kopf
cindrangen und Licht vcrlangtcn, habe der eine untcr Vörhalten
des Revolvers ausdrücklich gesagt: „Das Geld her odcr es koster
Euch das Lebenl" Natüttich sei er durch dcn Bcsuch „unange-
nehm überrascht" gewescn, wie der Zeu-ge unstr dcr Heistttcw
der Hörer versichette. Dst Drohnng hätten sie noch nrehrstrch
wiederholi. Ilm Schmncksacken nnd Wertpapstrc hätten sie iictz
nicht gekümimert. Nachdem sie das Geld hatten, hätten sst sich
ängstlich beeilt,. ivegzukommen. Die Winter sei nachher toeürend
hercingekoiniinen, und habe crzählt, zlvei Kcrle hätstn sie gegew
dre Wand geworfen. Ter nächste Zenge, Büchsenmacher Srba„
berichstt über den Bcstmid der Waffe. Es ser ein Revolver ge-
wühnlichster Art. Er war mit zwei blin-den und einer scharfeir
Patrone geladen. Der erste Schuh wäre blind gewesen. Der
Zeuge, Polizeikonnniffär Zimrnerma n n - Heidelbewg, er-
zählt, wie dst Angeklagte Winter sich nack der Tat verhiclt.
Sie log vstl. verriet sich aber hauptsächlich dadurch, datz sie an
den Babnhof ging und fragte, wann ein Schnellzug nach »Parrs
gehe. Ueber den Leumnnd des Angcklagstn Stcr n bestagt.
gibt der Zeuge an, Stern, ücr Sohn eines Postsekretürs, habe
ursprünglich Kaufmann werden sollen, habe aber in zwei Lehr-
stellen nicht gut getan. Seine Prinzipale hätstn- ihn als stichi-
sinnig nnd nicht chrlich geschi-ldctt. Bäckermeister Dietz strde
ihn nur seiner Eltern wegen in der Lehre bchalten.

Polizeiscrgemit Wolf hat Erhebungen über NrS Vor-
lcben Muslers gemacht. Man schildette rhn als eincn schwa-
chen <ÄMer, aber bösen- Buben. Sein cigener Vater habe ihm
prophezeit, er werde noch im Zuchthaus sterben. Ter Winstr
wurd-e von- ihren Dienstherrfch<rft«i: terls etn gusts teils ein
mangelhastcs Zengnis ausgtttellt. Nach den Straflisten sinv
Mnsler und die Winstr noch nicht, Sstrn wegen Unstttchlagung
nnd Bettels bestrast. Der Staatsan'walt (Sebold-Heidelbergi-
richtest seine Anklagerede vornehmlich gegen die Winstr, die
der leiten-de büse Geist gewesen ser. -Ohne ihre Einleirung-
ihre Raffchläze wäre die Sache unm-öglich gewesen. Er forberte
einen Spruch anf Schuldig ohne mildernde Umstäirde. Die
Vetteidiger, Dr. Ebettsheinr fiir Stcrn, Dr. Wittmann fiir
Musler uüd Dr. Frantz fiir die Winter, plädicttcn fiir die
Geiwährung mildern-der Umistände. Um- 7Ä Uhr -ivurde daS
Urteil verkiindet. Untcr Ausschlntz mildernder Uinstärtde-wur-
den Stern nnd Musler zu 6 Jahren Zuchthaus und zeh« Jah-
ren Ehrverlust, die Winter zn 4 Jahren ZuchthauS verurtrikt.

Sandhofcn, 18. Jän. (Fcuer.) Heute früh Vc6 Ubr
brach rn dem Lökom-otivschnppen >der Nebenbahn- Waldhvf'-
Sandhofen- anf unbekannst Weise Feuer aus, welcheS dcn gan-
zen Schuippen brs auf den Gr-und ernäschertc. Der Schäden
beläuft fich anf etwa 5—6000 Mart. Jn deni Schuppen stand
-cine Lokonwtive, welche nebst einem in nächsstr Nähe befind-
lichen Köhlen-, Bttkett- nn-d Holzlager vernicktet wurde.

X Lörrach, 17. Jan. (Todesfall.) Jn Wollback cst
dcm „Ob. Bote" zufolgc der srühere Hauptlehrer W. Er
hardt im- Alstr von 81 Jahren gcstorben. J-m Fahr«
1824 rn BoderSweicr bei Kehl geboren, trat devselbc rmt 18
Aahren 1842 in den- badischen Lehrerkreis ein; nachdem
eine Reihe von Fahren Unstrlehrcrsstllcn bersah, wurde. er
Hauptlehrer in Burgberg-Erdniannsweiler bei Mllingen!
1857 Lehrer in Bogelbach bei Kandern und vom Oktober 1864
b.rs Apttl 1896 in Wollbach, dann setzst er sich zur woblver-
dienstn Rühe. 1892 konnst er in voller Gttunhhttt uttd
Rüstigkeit das KOjähttge Dicnstfubilänm sttern.

Aus Baben. Die badischen Lehrer habcn für arhw
Lehr-erswttlwen und Waff'ert im ganzen 3436 Mark 70 PfS-
auf Wtthnachstn und Neuscchr gttaunnelt. -— In Haßmer s-
 
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