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Heidelberger Zeitung (47) — 1905 (Januar bis Juni)

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Nr. 101-125 (1. Mai 1905 - 29. Mai 1905)
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Kandidatur annehmen werden. Im Bezirk Bretten ist
seitens der Konservativen Rechtsanwalt Schmitt, im Ve-
zirk Durlach-Ettlingen Mühlenbesitzer Gierig von Ettlin-
gen und im Bezirk Durlach-Bruchsal Landwirt Franz
Reisf von Söllingen aufgestellt worden.

Karlsruhe, 1. Mai. Der Reichskanzler
wird nächsten Samstag vormittags hier eintreffen.

Mannheim, 29. April. Eine Kommission des
Reichsgesundheitsamtes in Berlin unter Führung des
Präsidenten des Amtes, Regierungsrat Dr. Schandin, ist
hier eingetroffen, um dis Wasserverhältnisse
des Nheins einer Untersuchung zu unterziehen.

^ Mauer, 1. Mäi. Die auf geftern Nachmittag
in den Gasthof „zum Ochsen" einberufene Versammlung
der nationalliberalen Partei hatte zahlreichen Besuch zu
verzeichnen. Der Vorsitzende des liberalen Vereins
Mauer, Herr Ochsenwirt V o g t, begrüßte die Erschie-
nenen und leitete die Versammlung. Zunächst referierte
Herr Bankassistent Dorn aus Heidelberg übe-r die Ver-
fassungsreform, indem er besonders auf die Pslicht auf-
merksam machte, die der Wählerschaft durch die direkte
Wahl erwachsen ist. Er wies weiter auf die Einigung der
liberalen Parteien im bevorftchenden Landtagswahl-
kampf hin und gab der Hoffnung Ausdruck, daß dem tak-
tischen Zusammenschluß in nicht zu ferner Zeit eine innere
Annäherung folgen möge und daß uns der Segen einer
Zentrumsmchrheit im bad. Landtag erspart werde. So-
dann sprach Herr Professor Quenzer aus Heidelberg,
von lebhastem Beifall begrüßt über die politische Welt-
lage. Er gab ein anschauliches Bild vom Krieg in Ost-
asien, erörterte die Ursachen und etwaigen Folgen des
Krieges, und gab seiner Genugtuung iwer den Sieg der
deutschen Diplomatie in der Marokko-Angelegenheit Aus-
druck. Auf die politische Lage im Reich eingehend, er-
wähnte er den Abschluß der Handelsverträge und hob
besonders deren Nutzen für unsere Landwirtschaft hervor.
Herr Prosessor Quenzer verstand es, die Versammlung
durch seinen volkstümlichen Vortrag zu fesseln und der
Beifall, der seinen Worten folgte, als er zum Schluß zu
energischer Arbeit für die gute Sache der nationalliberalen
Partei aufforderte, mag ihm bewiesen haben, daß die
Arbeit, dis er im Bezirk seit einer Reihe von Jahren ge-
leistet hat, von seiten der Wählerschast anerkannt wird.

Preußen.

— Wie der „Vossischen Zeitung" aus Göttingen ge-
meldet wird haben zu dem Protest des Göttinger
akademtschen Senats gegen das preußische Kultusmini-
sterium 148 amerikanische Hochschülprofessoren dem
Senat ihre Glückwünsche telegraphisch übermittelt.

— Auch die Lehrkörper der Universitäten Oxford
und Cambridge beglückwünschten den Göt-
stnger Senat zu seinem Protest gsgen den Kultusminister.

— Ueber die Stimmung der Bergleute im
Ruh-rrevier bringt die „Soziale Praxis" eine An°
zahl scharf gezeichneter Berichte, worin fast durchgehends
als letzter Hoffnungsanker die Zuversicht auf den Reichs-
tag ausgeworfen wird. Gerade aber in den letzten Tagen
haben sich die Stimmen gemehrt, welche einer Verständt-
gung der Parteien des Abgeordnetenhauses
mit der Regierung eid-ringlichst das Wort zureden, wie
andereseits einflußreiche und besonnere Elemente nach
Kräften zur Beruhigung der Bergleute im Ruhrrevier
wirken, um sie vor übereilten Schritten zu bewahren, die
eine mögliche und wünschenswerte Verständigung in
Frage stellen müßte. — Der beabstchtigte Besuch einer An-
zahl von Abgeordneten vor Wiederbeginn der Verhanö-
lungen im Abgeordnetenhause dürfte nicht ohne Einfluß
auf die Entscheidungen des Landtages bleiben.

Aus der Karlsruher ^eitung.

KarIsruhe, 29. April. Heute Vormittag 9 Uhr
reisten die Großherzogin und der Erbgroßherzog übsr
Heidelberg nach Sinsheim, um 'dort der Einweihung der
Kreispflegeanstalt anzuwohnen. Die Großherzogin be-
fuchte nach beendigter Feier einige Wohltätigkeitsanstal-
ten, während der Erbgroßherzog an einsm Festmahl teil-
nahm, nach welchem bie gemeinsame Heimkchr angetreten
wurde. Die Ankunft Jhrer Königlichen Hoheiten in
Karlsruhe erfolgte ab-ends halb acht Uhr. Der Großher-
zog empfing nach der Abreiss der Grotzherzogin den Ober-
hofmarschall Grafen von Andlaw, und darnach den Prä-
ftdenten Dr. Nicolai und den General der Artillerie und
Generaladjutanten von Müller zur Vortragserstattung.
Nachmistags von 6 Uhr an hörte Seine Königliche Hoheit
die Vorträge des Geheimerats Dr. Freiherrn von Babo
und des Legationsrats Dr. Seyb.

— Seine Königliche Hoheit der Grotzherzog haben
ben etvtmätzigen autzerorbentlichen Professor an Ler llniversi-
tät HeiLelberg, Dr. Mfred Hettner, zum ordentlichen Ho-
norarprolfessor daselbst, den Bahnverwalter, Jnspektor Iohann
Stahl in Mann-Heiin unter Verleihun-g des Titels Wetrisbs-
inspektor zum Vorstan'd der Eisen-bähn-Verkehrskontrolle II,
unld den StationÄontrolleur Georg Hauser in Mann-Heim
zum> Bahnvcrwalter ernannt.

— Dem Bahnverwalter Georg Hauser wurde das Sta-
tionsamt Manniheim RangierVahnlhos übertragen.

— Bahnverwalter, Jnspektor August -Eisele in Karls-
rühe ivurde nach Mannheim -versetzt und dcm> Grohh. Betriebs-
inspektor daselbst äls Hilssbeamter zugeteilt; ferner wurde dem
Bahnverwalter Paul Herrmann in Karlsruhe das Sta-
tionsamt Karlsruhe übertragen.

— Die Ucbertragung einer Be.zirksaufsichtsbeamtenstelle bei
der Kais. O-ber-Postdirektion in Karlsruhe an den Ober-Post-
inspektor Wolfhagen aus Potsdam hat die lanidesherrliche
Bestätigung crhalten.

Ausland.

Frankrcich.

P a r i s, 29. April. Der allgem-eine Pariser S t u -
dentenbund hat sich m-it einem Einspruch! an den
Unterrichtsmin'ister gewandt, weil das n eu e M il i t är-

gesetz nicht mit der Prüfungsorduung der Un-iversstäten
vereinbar ist. Es tst feststehende Sitte, daß die Kandi-
daien, bie im Juli durchs Examen gefallen sind, im No-
vember Gelegenheit erhalten, ihre Scharte auszuwetzen,
damit ihre Werufslaufbahn nicht verzögert werde. Nun
bestimmt aber das neue Gesetz, daß alle Rekruten am 10.
Oktobrr einrücken müssen. D-a ferner der zweijährige
Dienst zur allgemeinen Regel wird, so würde in fehr
vielen Fällen die zw-eite Prüfun-g durch einen Zeitraum
von drei Jah-ren von- der ersten getrennt. Die Studenten
ersuchen daher die Rsgisrung, für bie Leute in Examen-
nöten den Appell auf Ende November zu verschieben. Mi-
nister Bienvenu-Martin hat versprochen, Liese Matzregel
beim Krisgsminister Berteaux LNgelegentlich zu empfehlen.

— Zwischsn den RadikaIen und den Sozia -
I i st e n hät sich> wegen der Ann-ahme bes Artikets 4
der T r e n n u n g s v o r l a g e in der von den Sozia-
listen Briaüd unb 'Jauräs beantragten- Fassung ern fehr
scharfer Zeitungskampf entsponnen. Clämen-
ceau erklärt in seiner „Aurore", der Konservative Graf
de Mnn habe Recht, -wenn er die Fassung 'der Sozialisten
als einen die ganze Vorlage bedrohenden Strei-ch- ansehe.
Pelletan hat in der einflußreichen „DspSche de Toulouse"
ein-en heftigen Feldzug gegen Jaurbs eingeleitet. Jau-
rbs sagt nun heuts rn der „Humanitä", 'die letzte Hoffnung
des Grafen de Mun u-nd d-er übrrgen Konservativen, die
da wissen, daß bre epfolgreiche Durchführung der Tren-
nungsvorlage nicht mehr aufzuhalten sei, beruhe offenbar
-auf der den Republikanern eigentümlichsn Sucht, ernander
anzufchwärzen urrd zu befehd-en. Jauräs ermahnt schließ-
lich die republikanifche Partei dringenb zur Einigkeit.

Rußlauü.

Petersburg, 29. April. Der Kaiser hat ern
Toleranzedikt erlassen, durch welchss die Stellung
der Sektierer fehr geb-essert wird, da es der Verfol-gung
der Sekten im Wesentlichen ein Ende macht.

Petersburg, 29. April. Der Minister des Jn°
nern, Bulygin, hat als Präsrdent der besonderen- Kom-
mission- zur Einberufung einer Volksvertretung
bisher überhundertProjekte erhalten, die Vor-
schläge für den Mo-dus der Wahl der Volksvertretung, für
die Art und die endgültigen Formen des P-arl-aments ent-
halten. Alle diese Projekte werden von denr Mnister und
seinsn Beratern durchgesehen. Manche enthalten wert-
voll-es Material. Große Schwierigkeiten bereitet das
Wahlsystem in jenen Teilen des Landes, wo dre Semstwo-
Verwaltun-g noch n'icht eingeführt ist. Es -gibt nur 34
Semstwo--Gouvernements. Jm- äußersten Norden und rm
Süden- Rußlands, wo die Lebensbedingungen der Völ-
kerschaften -diese Verwältungsart nicht zulassen, ist eine
passende Form für die 'Wahl der Volksvertretung äußerst
schwer zn finden. Alle Hoffnungen, datz die Komrnrssion
noch vor dem russrschen Qst-erfest mit ihrer Aufgabe zu
Ende kommen w-erde, mnssen endgültig fallen gelassen
werden.

Warscha u, 29. -April. Um A u s s ch r e i t u n g e n
vorzubeugen, -erließ die Polizei bine Bekan-ntm-achung- an
die Bevö'lkerung, mit d-er Ausforderung, arrr 1. Mar zu
Hause zu bleiben und die Krnder nicht auf bie Straße zu
schrcken. Es sin'd alle Vorsichtsmaßregeln getroffen, um
Ruhestörungen zu verhind-ern. Dre Ordnnng wird, wsnn
es rr-ötrg söin sollte, mit Milit-ärgewalt aufrecht erh-alten
werden. Allgemein herrscht trotzdem große Besorgnis
und man fieht dem 1. Mai mi-t banger Spannung ent-
gegen.

Jtalien.

'Venedig, 29. April. Gr-af Goluchowski ist hsute
Vormittag 11 Uhr und T'it-toni um 3 U-Hr nachrnittags
eingetroffen und machte d-em italienischen Minister Tit -
tonr seinen Besuch. Die Unterredung zwischen Tittoni
und -Goluchowskr sowie 'den Botschaftern Averna und Bü-
low bei dem Gegenbesuch, den Tittonr Goluchowski heuts
Nachmittag 5 Uhr in des letzteren Hotel machte, dauerte
eine Stun-de.

V e n e d i g, 29. April. Bei denr D1 ner, das Tit°
tonr heute Abend zu E-Hren des Grafen Golu -
cho-wskr im- „Grand Hotel" gab, brachts Tittoni
in itälicnischer Siprache folgenden,T rinkspruch aus:

,,-Jch spreche de-m hervorra-genden Staalsm-cmn, dessen Tätig-
keit wahrhast LPlxrr für die Sache des Friedens ist, meinen
DanL für den- Besuch ans, den er mir in Venedi-g >hat machen
wollen, -und der eme Bekrä'ftigung der intimerr iBeziehunigen
zwischen Oesterreich-Ungarni und Jtalien ist, und ich bitte, an-
zustotzen au!f das Wohl ües -Kaisers von Oesterreich, KönigK -von
Un-garn."

Gra-f Golncho-wski erwrderte:

„Jch bidr -glücklich darüber, hierher aetommen zu sein, um
die Haud meinom illiustren Mitarbei'täi au dem Werte des
Friedcns zu drücken, das 'den Geigenstan-d- un-seres ständigen -Be-
mühens -bildet, un!d um dadurch ein neues Zeuguis zu er-
bringcn -von der ivoWomimenen Uebereinstimmuntz der Ansich-
ten, die in. den ausgezeichneten BezichunNcn zwischen Jtal'en
nnd Oesterreich-Ungarn oibwalten. -Jch trinle au-f die Gefund-
heit des Frcun-dcs un'd Verbün-detcn meines erhabcnen- Sou-
vcrän-s, des Küni-gs Vikto-r Emanuel."

England.

—- Wie aus Ram gemeldet wird, empfing der Pap st
den- Führer der irischev Partei, Mr. Redmon d.
Papst Pius soll bei dreser Gelegenh-eit die Bestrebungen
der 'irischen- Partei s-ehr anerkannt uüd gesagt haberr, die
Nationalisten seien die Verteidiger der katho-Iischen Krrche
in Jrland, der Katho'Iizismus sei die N-ationalreligion
der Jrerr und d'ie Natronalisten die wahre Nationalpartäi.
Die Bestrebungen der Partei, vollkommene Freiheit für
Jrland auf gesetzlichem Wege zu erlangen, hätten seine
volle Sympathre und seinen- Segen. Er sende seinen
apostolischen Segen allen Angehörrgen der rrischen Par-
tei und ihren Faririlien. Beim Ab-schied schenkte der Papst
dem Abgeordneten sern Bild mit einer eigenhändigen
Unterschrift, irr welcher noch eiirimal ausidrücklich betont ist,

daß der Papst 'der irischen Partei allen Erfolg wünscht,
solange sie auf gesetzlichem Wege volle Frerheit und Un--
abhängigkeit für Jrland anstrebt.

Amerika.

Washington, 29. April. Generalmajor Fitz.
hngh - Lee, einer der bevühiMtLsten Anführer der Kon-
fö'derations-Armee, rst hier gestorben.

Aus Stadt und Lano.

Heidelbcrg, 1. Mai.

* Vom „Heidclberger Frcmdenblatt" ist heute die erlte Num-
mer evschienen. Bestellungen für regelmcrtzige tägliche Zu-
stelluntz sowie aujf Jnserate (ManverlangeProspektl)
nimmt noch imimer entgegen der Verlag, Un't. Neckarstratze 21.

Tjerasyl. Der Tierschutzverein dankt allen freundlicherk.
Gebern f-ür ihre Unterst-ützung. Um aber einen Erfolg in dem
geplanten Umsange zu erzielen, bedar'f es noch viel stärkerer Be-
teiligung. Darum bittet er alle Tiersteunde um -Beiträge zu
seiner Perlosung. Die Samimluug mutz spätestens anr 1. Funi
abgeschlossen werden, da d!e Ziehung im Juli stattsin-den soll.
Beiträge in- Geld oder Gegeriständen nehmen entgegen die Vor-
standsmitglieder des Vereins Prof. Menzer, Oberingenieur Ga-
mer, Polizeikomimissär Mietsch, Prof. Rösch.

— Aus der sozialdemokratischen Partei. Am Voräbend des
Mai sprach gcstern im grotzen Saale der Stadthalle Fran
Zetkin aus Stuttgart über die Forderungen der Arbeiter-
schcrft am 1. Mai, nachdem der hiesige Arbeitersän-gerbund e'.-n
Mailied gesungen und Herr Philipp die Versammlung üe-
grützt hatte. Eo stark be-setzt wie am Bernstein-Abend war der
Saal nicht, aber es war doch eine sehr grotze Zahl von Zu-
hörcrn anwescnd. Frau Zetkin ist eine mittelgrotze Damc,
etwa in üer Mitte der Vierziger. Das Haar trägt sie glatt ge-
scheitelt ihre. Gesichtsgüge sind tveich, keinoswegs scharf ausge-
prägt, so Latz sie aussieht wie eine behäbige Bcamtenfrau, die-
niit äbgemessener Würde im häuslichen Kreise schaltet und wal-
tet. Um so grö-tzer ist der Konträst zwischen ihrer vielfach recht
blutrünstigen Sprache und ihre-m friedlichen Aussehen. Mit
üen Worten -Revölution, Ausbeuter, Tyranneu wirft sie nur so-
um sich, während sie im gleichen Atem- schwärmerisch alle Jde-
ale der Kultur und der Menschlichkeit anruft. Jndesseu, Worte
brechen keine Knochen, und d-urch die sozialdemokratsche Presse
ist man cine scharfe un-d überscharfe Ausdrucksweise ja längst'
gewö-hnt. Schjwerer zu ertragen war die Stimme der Fraw
Zetkin. Um den grotzen Naum- zu beherrschen, mutzte die Red-
nerin sie stark anstrentzem So arbeitete sie meist in scharfem,
kreischeüdem DiÄant; zudem schien sie unpätzlich zu sein und-
ost gintz ihr der Atem- aus. Gs war Mr die Ohreu der Zu-.
hörer geradezu eine Marter. Der Forderuntzen, 'Lie Frau Zet-
kin- sfiir die Maiseier der Sogialdemokratie aufftcllte, waren
z-wei. Die erste lautcte: Heraus mit dem durchgre'tfendeni Ar-
beiterffchuh und spcziell dcm Achtstundentag; die andcre: Nie-
Ler mit dem Militarismus. Ueber die erste sprach die Red-
nerin eine starke Stunde, über die zweite eine gute ha-lbe StunLe-
lan-g. Da-s iBestreben 'Ler Arbeiterschast auf Abkürzuny der
bielfach no-ch zu langen- Arbeitsgeit, insbesondere auch für
Frauen und Kinder, ist auch nach unserer Ansicht durchaus ge-
rechtserti-gt. Wir glauben aber nicht, da-tz dieses Zie'l dadurch-
-gesördert wird, datz man es mit aller Gewalt zu einem rcvo-
lutionären stempeln will, wie die Redneriri sich zu tun bemühte.
Das vermehrt nur die Schwierigkeiten und- die Widerstänbe.
Was sollen solche Phrasen!. wie die: der Achtstundentag ist nur
eine Mschliagszahlung auf die Forderung, welche dahin geht,
datz das Shste-m der kapitalistischen Ausbeutung zerschmettert.
wcrden mutz? Was soll eine solche Phrcrsc insbesonüere im
Munde einer Reünerin, die gleichgeitig den -Nachweis unter-
nimmt, datz eine Verkürzuug der Arbeitszeit auch der heuti-
gen Pröduition, -wie sie ist, von Nuhen sein würde? Was dern
Militarismus anbctrffft, so war die Rednerin sehr öffenherzig;
sie forderte seine -Er'sehung durch die Volksbewaffnung, da-
mit die Flinten nnter Umständen gegen dcn inneren Feind 'der
„werktätigen Arbeiterschast", gegen die Reaktion, wie sie es
nannte, losgehen, a>Iso im Namen und zu Gu-nstcn der Revolu-
tion. Die Auslaffungen über Kolonialpol'tik Lleiben besser
unerwähnt, die ganze Sozialdemokratie sipricht über dieseS
Thema mit dem Verst'äriduis etwa des Minden von den Far-
ben. Zum Schluß verweilte Frau Zetkin ziemlich lantze bei deu
prolet. Wewegun'g in Rutzlaud u- zog aus ihr mit mehr als küh-
ner Logik die Fol-gerung, daß auch in Deutschland- nicht die
Entwickelungstheorie, son'dern die revolutiionäre Theorie das'
entscheidende Wort haiben. müffe. Bon den nichtsozialdemökra-
tischcn Parteien grisf sie speziell nur 'das Zeiitrum- au. Es
sprach dann rwch Herr Philipp über die bevorstehenden -Land-
tcrgswahlen-. Er ischlotz mit einem Hoch auff die Sozialdemokra-
tie, das ihm erst im zweiten Aulauf qlückte, denn beim ersten
Anlaus b'lieb alles still, Augenscheinlich war neben Anhäntzerir
der Sozialdecmokratie mindestens die gleiche Zahl nichtsozialde-
mokratifcher Zuhörer anwesend, Auch die Frauenwelt hatie
zahlreiche Vertreterinnen entsendet.

§8 Fahrplan. Der heutigen Nummer der „Heidelberger
Zeitung" lietzt ein- Fahrplan (Somimer 1905) bei.

—Das crste Stadtgartcnkonzert des städtischen Orchesters.
in dieser Saison am gestrigen Sonntag Abend war sehr gut
besucht. Es wurde von dem trefflichen Orchester tzanz vorzü-g-
lich -ges-pielt. Die Klan-gwirkung lietz nichts zu -iwüruschen Mrig.

X Hervorragcnde Leistung. Dem Besiher des Hotel „Prinz:
Carl" hierselbst wurde 'der Auftrag erteilt, für die Höchsten
Herrschaften und Gefolge anlätzlich der Eiuweibung der Kreis-
pslegeanstalt in Sinsheim dort an Ort und Stelle von hier
aus ein FrühWck bereit zn halten. Morgens um 6 llhr ging
am- Festtag ein Wagen mit dem Frühstück, dem Servis und son-
stigem Zubehör direkt nach Sinsheim ab, der Wirt und das Be-
dienun-gs-personal folgtcn mit der Bahn und pünktlich zur fest-
gesehten Zeit konnte das Frühstück dort zur grötzten Zufrieden-
heit der Gäste scrviert werden.

X Seltcnes Ausammcntrcffen von drei Feiern. Jm Hause
des Herrn Ottv Curtaz , techuischen Assistente-n am erzbischös-
lichen Bauamt hicr, wurde gesteru im engstcn Familienkreise
zugjleich siWerne Hochgeit, Verlobung un'd Erstkommunion ge-
feiert.

Ausstand. Heute ist ein grotzer Teil dcr Maurer in
Ausstan-d getreten. Jnsbesundere streiken -die Arbeiter aus der
Rheine-bene, während -die Maurer aus dem Odenwald arbeiten.
So wird uns berichtet. — Die Arbeiiter verlangen: 1. Mschaf-
fun-g der Ueberstunden mit Ausnahme dringender Fälle; 2.
einen Stunden'lohn von 50 Psennig zu zahlen; 3. für drin-
gende Ueberstunden eincn Zuschlag von 10 Psg. pro Stunde,
für Nachtarbeit einen Zuschlag von 50 Prozent, und für Scmn-
tag-sarbeit einen Zuischla-g von 100 Prozent pro Stunde; 4.
wöchentliche Lohnzahlung und Auszahlung des Löhnes vor
Feierabend auf der Baustelle; 5. Abschäsfun-g der Kündigungs-
srist; 6. Aushändi-gung des Löhnes und der Papiere am gleichew
Tage des Austritts o-der der Entlassung; 7. Matzregelungen
wegen Zugehörigkeit zur Orga-nisation düksen nicht statffinden;
8. diese Anträge vertragsmätzig festzulegen; 9. dieserhalb mit
der Lohnkom-miffion in Unterhcmdlung zu treteu. —- Zwei Ar--
LeUgeber haben die Forderungen der Arbe'-ter bewilligt.

8 Wieblingen, 1. Mai. (G r u n d st e i n le g u ng.) Ge-
stern Nachmittag fand die feierliche Grundsteinlegimtz zu der
neuen evan-gelischen Kirche statt. Dem Akte wohnten 'sehr viele-
An-gehöri-ge beider Konfeffionen an. NLHerer Bericht morgen.
 
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