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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 27.1929

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Heft 2
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Jedlicka, Gotthard: Lautrecs Tod
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https://doi.org/10.11588/diglit.7608#0093

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Augenblick an seinem Bett: die Mutter, der Vater,
die Mutter Louis Pascals, Gabriel Tapie de Celey-
ran und Viaud.

Der Graf von Toulouse-Lautrec hat nun sehr
viel zu tun. Der Tod des Sohnes hat ihn nicht
bekümmert. Das Begräbnis beschäftigt ihn sehr.
Er denkt dabei vor allem an die Umgebung. Er
fürchtet, die Träger könnten sich beim Sargtragen
einen Bruch zuziehen. Er entwirft eine Zeichnung,
die darstellt, wie man einen Sarg vom Boden heben
soll. Zugleich will er eine Hauptprobe des Sarg-
tragens veranstalten. Man verweigert es ihm. Sofort
quält ihn ein neuer Einfall. Er erklärt, dem Sarge
zu Pferde folgen zu wollen, da er an einem Fuß-
leiden kranke. Und da man ihm auch das verbietet,
äußert er: „Gut. Dann folge ich barfuß dem Sarg."
Man hält ihn nur mit Mühe von diesem Vorhaben ab.

Am Morgen des Begräbnistages wartet man
mit dem Sarg vor dem Schloß. Alle Verwandten,
die man gerufen hat, sind erschienen. Auch der
Priester mit seiner Begleitung wartet beim Sarg,
der kurz und so leicht wie der eines Kindes ist,
und über dem ein schwarzes Tuch mit silbernen

Sternen liegt. Aber der Graf Alphonse de Toulouse-
Lautrec hat sich dem Geleit noch nicht angeschlossen.
Man sucht ihn überall und findet ihn zuletzt in
seinem eigenen Zimmer. Er sitzt nackt am Boden
und ist im Begriff, sich die Haare zu schneiden.
Man begräbt Lautrec zuerst in Saint-Andre-du-Bois,
nahe am Schloß Malrome, das zu dieser Gemeinde
gehört. Da die Mutter kurz darauf fürchtet, der
Friedhof werde zerstört (man hat die Absicht,
eine Straße hindurchzulegen), läßt man den Sarg
ausgraben. Gabriel Tapie reist an den Ort, bringt
ihn zur Bahn und begleitet ihn nach dem be-
rühmten Wallfahrtsort Verdelais in der Gironde.

Der Friedhof ist zwischen Eichenwäldchen und
Weinhügel eingebettet. Uber dem Grab liegt eine
einfache Platte. Das Kreuz der Grafen von Tou-
louse ragt darüber empor. Die Stätte ist von einem
schlichten Gitter umgeben, an dem eine Weinrebe
rankt. Neben dem Grab ist Raum für ein anderes
frei gelassen. Es ist für die Mutter bestimmt. Die
alte Frau hat mir im dunkeln Gang ihrer Wohnung
fröstelnd erzählt, wie sehr sie sich auf den Tag
freue, da sie neben dem Sohn liegen darf.

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