Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 27.1929

DOI Heft:
Heft 2
DOI Artikel:
Scheffler, Karl: Dächerkrieg und Universum
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7608#0106

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Die Häuser der Gagfah muten allzu wohlfeil und professions-
mäßig an, im Äußern wie im Innern. Sie haben recht
wenig Anziehendes. Was allerdings nicht zuletzt auch Schuld
der ausführenden Baufirma zu sein scheint. Die um zwei
Jahre älteren Häuser sind aber, in all ihrer programmäßigen
Modernität, um nichts besser. Überall erscheinen die Fenster
mehr oder weniger wie regellos in die Mauern geschlagene
Löcher, die Formen sind undisponiert, sind unreif, unrhythmisch
und unorganisch. Hüben und drüben ist alles noch Versuch;
manches Jahr wird noch vergehen, ehe die neue Bauweise
die Kraft eines Stils hat. Hier und dort gibt es Stellen,
wo Begabung sichtbar wird; doch sind es nur Stellen.
Denkt man an gute holländische Siedlungen, so ist der Ab-
stand groß. Freilich, im wohlhabenden Holland wird mit
besten Ziegelsteinen gebaut, und in Zehlendorf geht manche
Unvollkommenheit auf Kosten der poveren Bauweise. Auch
hier kommt, so scheint es, die Armut von der „Poverteh" her.

*

Am Lehniner Platz hat Erich Mendelsohn einen großen
Baukomplex errichtet, der für die Zeit sehr charakteristisch
ist. Mendelsohn und Oskar Kauffmann, sein kunstgewer-
belnder und reich dekorierender Antipode, haben zurzeit
vielleicht die meisten Bauaufträge. Beide sind in all ihrer
Gegensätzlichkeit Exponenten der Zeit und begegnen sich

in einem unbeugsamen Willen zur Wirkung. Das neue Haus,
der Kopf eines weiten Baugebietes, umfaßt das Universum-
Kino, das Kabarett der Komiker, eine Ladenstraße, Bureau-
räume u. a. Es beweist einmal mehr, welch ein geschickter
und erfahrener Architekt Mendelsohn ist. Geht man durch
dieses helle Haus mit verdecktem Licht, so glaubt man sich
manchmal in einem Ozeansteamer. Das Ganze ist eigent-
lich, bis auf die Farben, gut, manches ist imponierend.
Doch vergißt man die Formen, sobald man draußen ist.
Weil die Kunst nicht genügend beteiligt ist. Es handelt
sich um ein großzügiges Experiment und um einen Ingenieur-
bau. Das Beste steckt in der Anlage und in der Konstruk-
tion; es fehlt die festliche Wirkung, die Musikalität im
Ganzen und im Einzelnen. Mendelsohn hat als Architekt
den Mut, der derbe Wirkungen nicht scheut. In einem Pro-
grammvorwort hat er sich zu seinem eigenen Bau geäußert.
In einer Schreibweise, die an Heeresbefehle erinnert. „Ein-
fach, wahres Leben, keine Mätzchen, keine Palastfassade!"
Gut. Aber dann heißt es weiter: „Haltgemacht, Universum
— die ganze Welt; du sollst hinein, ins Leben, zum Film,
an die Kasse!" An die Kasse! Das neue Bauprogramm
steht hier im Dienste der Reklame, der Sensation — trotz
aller Einfachheit und „Sachlichkeit", nein, mit den Mitteln
der Einfachheit und Sachlichkeit. The biggest . . . . !

Karl Scheffler.

SOFA LOUIS XV., FORM CORBEILLE. SIGNIERT NOGARET Ä LYON

AUSGESTELLT BEI HERRMANN GERSON, BERLIN

Der Bericht in der Chronik des Heftes XII, Jahrgang 1926,
über die Sammlung von Frau H. Kröller-Müller in Haag ist
dahin Zu ergänzen, daß die Sammlung nicht vom Staate
käuflich erworben ist, sondern daß sie, um sie ungeteilt zu

erhalten, in eine Stiftung umgewandelt worden ist. Diese
Stiftung hat eigene Rechtspersönlichkeit. Auf Wunsch der
Besitzerin hat ein Regierungskommissar im Vorstand Sitz
genommen.

79
 
Annotationen