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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 27.1929

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Heft 3
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Felixmüller, Conrad: Malerglück und Leben
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https://doi.org/10.11588/diglit.7608#0121

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H

CONRAD FELIXMÜLLER, MEINE SÖHNE. 1928

philosophie ein Ende macht. Wenn der tägliche
Tag mit seinem ganzen Drum und Dran einem
so in Fleisch und Blut übergeht, daß in der kärg-
lichen träumerischen Stunde die stillende Mutter
zu malerischer Pracht und zu einem Bilde wird.
Dann zeichnet man alles so wie es steht und liegt,
höchst natürlich auch die schundige Möblierung
seines dürftigen Malerheims. Und das von allem
Einverständnis mit der Welt erfüllte Glück seines
Lebens ist gerade der richtige Vorwand zur Malerei.

So etwa begann der Zusammenbruch hochge-
spannter Ideen über Kunst und Welt.

Tägliche Not rückte immer umfangreicher in
den Vordergrund, oft mußten Pinsel und Palette
ruhen. Statt Kunstdebatten gab es Mietstreitig-
keiten, Steuerpfändungen oder Pumpinterventionen.
Darnach Sparmaßnahmen, Erziehungs- und Schul-
fragen und Gartenarbeiten. Die größer gewordenen
Jungens verfrühstückten mehr als gute Malerei
an einem Tage einbringt. Deshalb eigner Gemüse-
und Kartorfelanbau. Und nicht nur das: aus diesem
um tägliche Notdurft durchsorgten Leben entsteht

ein Lebensbild, dem der noch so geübte Pinsel
kaum folgen kann. Die herrliche Erscheinung
lebensfroher Kinder enthusiasmiert das Malerherz
in trüben wie in frohen Tagen. Im Felde wie im
Hause. Und jede Situation ist recht. Uber die
Gedanken um Not oder Glück entsteht unter
kämpferischem Muß Bild um Bild. Ists nicht die
vielgeliebte Frau — sind's die Kinder. So richtig
himmlische Rosen im irdischen Leben.

Chronologisch baut sich das eigne Leben im
Malerwerke auf. Von der dunklen Stadt, — dem
Herkommen — über Theorien, Studien, Problemen
um Welt und Ich, Politik, Literatur, Musik und
Kunst — zum Weib. Von da an Selbstbesinnung
und Empfindung eignen Lebens. Und darnach
die Entdeckung, daß alle Empfindung allmensch-
lich ist. Also lebte man frei der Weisheit offen
entgegen.

Zu Anerkennungen kamen genug Anfeindun-
gen und neben hastigen Spekulanten entstanden
wahre Freunde, deren mit Vorliebe gemalte Por-
träts Wegstationen bleiben. Als Letzte das kürzlich
gemalte Porträt des unentwegtesten Freundes, Samm-
lers und Förderers Carl Sternheim, der durch sein
eigenes Werk über snobistischem Geplärr unsrer
Zeit steht und mit seinem persönlichen Leben kulti-
viertester Art zwischen erlesensten Kunstwerken
aller Epochen eine Bejahung und Bestätigung
künstlerischen Wollens und Seins, dazu mit prä-
gnantesten Worten, dem Maler gab.

Alle Umstände des Lebens entstehen in Bildern.
Dazu die Landschaften — Klotzsche, herrlich zwi-
schen Wäldern und Feldern, blumigen Gärten und
sandiger Heide gelegen — als Schauplätze unglück-
licher und freudiger Episoden. Ist es ein Mensch
im Bild — sinds die immer erlebten Nächsten:
beim täglichen Brot, beim Spiel, bei der Musik,
liebend, krank umsorgt, im Garten, am Meer,
animalisch faszinierend; und immer wieder das
Porträt. Erst an der Mutter Brust, später die ersten
Schritte, Schlittenfahren, Seifenblasen, masernkrank.
Ist das letzte Bild noch der unbewußte kleine
Mensch — muß nach der ersten Scheu das erste
Bewußtsein, in seiner kindhaften Kraßheit den
Menschen total verändernd — festgehalten werden.
Der Anzug in Blau oder die Bluse in Grün spielen
eine große Rolle. Einmal ist's das ungeschnittne
Haar — ein andermal ein zarter milchiger Flaum
um den glanzroten Mund, der den Maler reizt.

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