Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 27.1929

DOI Heft:
Heft 4
DOI Artikel:
Glaser, Curt: Die Van Gogh-Affäre, [1]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7608#0164

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Man kann das zugeben, ohne damit die Ken-
nerschaft überhaupt in Frage zu stellen. Man kann
sagen hören, wenn auch der Kenner nur auf
Grund aktenmäßig gesicherter Provenienz die
Echtheitsfrage zu entscheiden vermöge, dann sei
er eigentlich überflüssig. Zur Prüfung des Stamm-
baumes sei ein Jurist besser befähigt. Es scheint
aber doch, als hätte es Augen gegeben, denen die
Wackerschen van Goghs verdächtig vorkamen,
ehe die Provenienzfrage gestellt wurde, es scheint
also, als sei das Unterscheidungsvermögen für
künstlerische Werte bei verschiedenen Menschen
in verschiedenem Maße ausgebildet. Und darauf,
nicht auf die immer zuzugebende Möglichkeit
von Täuschungen und Irrtümern, kommt es an.
Gestern noch haben die glücklichen Besitzer der
jetzt beanstandeten Bilder sie als Meisterwerke be-
wundert, heute erscheinen sie ihnen als schmut-
zige Fälschungen und morgen vielleicht wieder
als echte van Goghs. Wer die Bilder mit offenen
Augen gesehen hat, mußte sie immer als ziem-
lich schwache Arbeiten empfinden. Als dann
de la Failles Katalog mit den Abbildungen sämt-
licher Werke erschien und eingehenden Vergleich
ermöglichte, mußte man sich darüber wundern,
daß alle diese Bilder bekannte andere Werke im

Motiv leicht abwandelten, was wiederum aller-
dings auch im gesicherten echten Werke van Goghs
vorkommt. Dies aber im Verein mit der dunklen
Provenienz veranlaßte den Verdacht der Fälschung,
und man war nur erstaunt darüber, daß dieser
Verdacht gerade demjenigen, der das Material am
eingehendsten studiert hatte, nämlich de la Faille
selbst, nicht schon vor der Veröffentlichung seines
Werkes gekommen war.

Den Kunstfreund interessiert weniger das ur-
kundliche Material über die Provenienz der Bilder,
nach dem jetzt gefahndet werden soll, als der
sichtbare Tatbestand ihrer Qualität und ihres Ver-
hältnisses zu sicher echten Werken des Malers.
Wir möchten deshalb einen Vorschlag machen,
der sicherlich nicht leicht durchführbar ist, der
aber von den betroffenen Kreisen in ernsthafte
Erwägung gezogen werden sollte. Es müßten in
einer Ausstellung möglichst viele von den bean-
standeten mit möglichst vielen, sicher echten und
im Motiv verwandten Bildern zusammengestellt
werden.

Es sind in den Illustrationen dieses Heftes
einige Beispiele solcher Gegenüberstellungen ge-
geben, nachdem im vorigen Hefte Abbildungen
der sämtlichen von de la Faille beanstandeten

VINCENT VAN GOGH, DER MANN MIT DER PFEIFE
DE LA FAILLE NR. 529. BEGLAUBIGTES ORIGINAL

DER MANN MIT DER PFEIFE. DE LA FAILLE NR. 527 BIS
BEZWEIFELTES BILD

135
 
Annotationen