Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 27.1929

DOI Heft:
Heft 4
DOI Artikel:
Glaser, Curt: Die Van Gogh-Affäre, [1]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7608#0165

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Bilder gezeigt worden sind. Es mag jeder ver-
suchen, nach dem Augenschein ein Urteil zu bilden.
Ein wirklich aufschlußreicher Vergleich aber kann
selbstverständlich nur angesichts der Originale
möglich sein. Auch dann werden Schwierigkeiten
genug bleiben, denn es ist unbestreitbar, daß
van Gogh selbst viele schwache Bilder gemalt hat,
und die geringere Qualität allein kann darum nicht
als beweiskräftig gelten. Es müßten, wenn der
Verdacht der Fälschung sich bestätigen soll, die
beanstandeten von den sicher echten Bildern in
ihrer Gesamtheit sich so unterscheiden und mit-
einander so eng verbunden sein wie etwa die
Werke Dossenas, die zur gleichen Zeit mit der
Van Gogh-AfFäre die Öffentlichkeit beschäftigten.

Die Fälschungen des italienischen Bildhauers
waren mit außerordentlichem Geschick hergestellt,
und sie konnten für kurze Zeit in der Tat viele
Kenner düpieren. Auch in einer Berliner Kunst-
handlung stand einmal eine große Madonnenfigur
aus der römischen Werkstatt — eine Abbildung
des Werkes wird hier gezeigt —, die auf Giovanni
Pisano zurückgehen sollte, und die meisten, die
sie sahen, waren von der mächtigen Statue vor-
behaltlos überzeugt. Aber es stellten sich sehr
bald Zweifel ein, die sich zur Gewißheit verdich-
teten, als aus Amerika Photographien verschiedener
Arbeiten offenbar der gleichen Werkstatt kamen,
die untereinander verwandt, den Stil der ver-
schiedensten Epochen und Meister geschickt nach-
zuahmen versuchten. Die Kennerschaft hatte ge-
Julius Meier-Graefe schreibt uns zu demselben Thema
das tolgende:

«Sie weisen im letzten Heft in dem Aufsatz „Echt oder
Unecht" darauf hin, daß de la Failie den „Pont d'Auster-
litz", ein in Deutschland wohlbekanntes Gemälde van Goghs
in seinem Katalog weggelassen hat, vermutlich, weil er es
nicht für echt halte. Ihre Annahme trifft zu, denn de la Faille
ist, wie er mir seinerzeit mitteilte, von der Fälschung über-
zeugt. Ich bin nicht seiner Ansicht. Das Bild stammt aus
der Pariser Übergangszeit und verrät alle Komplikationen
dieser Periode. Auch ich habe eine Zeitlang geschwankt
und mich erst nach einer sehr gründlichen Untersuchung,

nügt, die Fälschung zu entlarven, und es war für
niemanden mehr eine Überraschung, als nun auch
der Name des Verfertigers der Skulpturen bekannt
wurde. Er wird neben seinem Vorläufer Bastianini
in den Annalen der Fälschergeschichte einen Platz
erhalten. Seine Werke aber werden aus den Samm-
lungen, in denen sie noch stehen, vermutlich rasch
verschwinden.

Der Fall ist klar, und die Entscheidungen, die
von den Gerichten noch zu fällen sein werden,
interessieren den Kunstfreund wenig. In der Van
Gogh-AfFäre darf man im Gegenteil gespannt
sein, ob es der Staatsanwaltschaft und dem Gericht
gelingen wird, die Fäden zu entwirren und eine
Klarheit zu schaffen, die allen Parteien nur er-
wünscht sein kann. Denn nichts ist peinlicher als
die Ungewißheit. Entweder muß der Fälscher
gefunden, oder die Echtheit der Bilder muß für
jedermann einleuchtend bewiesen werden. Die
heutige Lage ist für die eine Partei ebenso un-
haltbar wie für die andere. Herr de la Faille hat
seinen Ruf als Kenner ebenso zu verteidigen wie
Herr Wacker seinen Ruf als Händler. Sind sie
Gegner, so sind sie doch aneinander gebunden,
da beide kompromittiert sind, wenn nicht die
Wahrheit an den Tag gebracht wird und einen
von ihnen rehabilitiert. Die Wahrheit zu finden,
sollte darum das gemeinsame Interesse beider Par-
teien sein, wie es im Interesse der Allgemeinheit
liegt, den dunklen Fall vollkommen geklärt zu
sehen.

nachdem ich das Bild vier Wochen bei mir hatte und alle
Möglichkeiten der Forschung erschöpfen konnte, von der
Haltlosigkeit der Einwände überzeugt. Ich halte das Bild
für unbedingt echt und in allen Teilen eigenhändig. Soviel
ich weiß, stimmen die anderen van Gogh-Forscher mit mir
überein, und de la Faille steht mit seiner Ansicht allein.
Dasselbe gilt übrigens von zwei Blumenstücken der Pariser
Zeit, die sich seit Jahrzehnten in deutschen Sammlungen
befinden und ebenfalls von de la Faille bestritten werden.
Es gibt auch noch andere Unstimmigkeiten in dem Katalog,
die man gelegentlich bereinigen müßte.»

1x6
 
Annotationen