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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 27.1929

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Heft 4
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Waldmann, Emil: Das Museum Cà d'Oro in Venedig
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https://doi.org/10.11588/diglit.7608#0177

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an einem Fluß mit Badenden
die Beziehungen zwischenMann
und Weib weniger tugendhaft
aussehen.

Auch die berühmtesten Aus-
länder, die in Italien malten, zog
Franchetti in seinen Kreis.
Dürer gelang ihm nicht; das
schöne, in Venedig entstandene
Mädchenbildnis, das jetzt in
Wien ist, war noch nicht auf-
getaucht. Aber von Rubens,
der ein Jahrzehnt lang in Ita-
lien arbeitete, ist eine alte Kopie
da und von van Dyck, der ein
Jahrzehnt lang das genuesische
Patriziat porträtierte, ein lebens-
großes Ganzfigurenbild eines
Edelmannes aus dem Hause
Brignole-Sale.

Beim Sammeln der plasti-
schen Werke, mit denen er Hal-
len, Korridore und Zimmer
schmückte, war Baron Fran-
chetti vornehmlich auf Vene-
zianisches aus. Die Bildhauer-
schule Venedigs war damals so
gut wie kunsthistorisches Neu-
land. Auch der Bau selbst
brachte Entdeckungen. Im
Mauerwerk verborgen fand
man eine Männerbüste aus dem
ersten Drittel des fünfzehnten
Jahrhunderts, aus Kalkstein,
vielleicht das Porträt des Antonio Contarini, von
robustem Realismus. Aus dem sechzehnten Jahr-
hundert bevorzugte er Allessandro Vittoria. In der
Halle des ersten Stockes stehen viele Marmorbüsten
von ihm, Sebastiano Venier, der lange die Fassade
von San Giovanni e Paolo geschmückt hatte, und
zwei Mitglieder der Familie Duodo. Die etwas
frühere Schule der Lombardi, besonders Tullio, ist
reich vertreten, nicht nur mit Marmorwerken,
sondern auch mit einer Bronzearbeit, einem Relief
der Maria Himmelfahrt vom Altar Barbarigo. Auch
Vittoria kommt als Bronzeplastiker vor, mit einer

ANDREA MANTEGNA, DER HEILIGE SEBASTIAN

MUSEUM CA D ORO, VENEDIG

Aktäonkomposition. Vor allem
aber der Paduaner Riccio. Vier
Reliefs mit der Geschichte der
heiligen Helena von seiner
Hand stammen aus der ehe-
maligen Servikirche; der be-
rühmte Stier ist in einem schö-
nen Schwarzguß da, und die
Bronzebüste eines bartlosenMan-
nes, die früher Pietro Lombardi
gegeben wurde, wird heute
auch als ein Werk des Padua-
ners angesehen. Arbeiten Roc-
catagliatas leiten in das Gebiet
des Kunstgegewerbes über, in
welchem als das große Prunk-
stück das riesige Fanal des vor
Korfu im Jahre 1720 gefallenen
Großadmirals Francesco Pisani
gilt. Diese SchifFslaterne be-
herrscht mit ihrem noblen For-
menreichtum die nach dem
Canale grande geöffnete Loggia
des ersten Stockwerks. Unter
den wenigen nicht veneziani-
schen Skulpturen fesselt beson-
ders eine Knabenbüste, das
Bildnis eines Fürstenkindes aus
dem Hause Montefeltre oder
Gonzuga. Man meinte früher,
es stamme von Francesco
Laurana, glaubt aber heute
eher an Gian Cristoforo Ro-
mano. Eine bemalte Terra-
kottagruppe der Pietä aus der Mitte des fünf-
zehnten Jahrhunderts, lombardisch oder padua-
nisch, steht an Ausdrucksstärke gleichzeitigen nor-
dischen Werken nahe.

Es ist eine auch museumstechnisch sehr be-
deutende Leistung, die Baron Franchetti mit seiner
Lebensarbeit vollbracht hat. Kunstwerke der größten
italienischen Meister aus vier Jahrhunderten in einer
Umgebung, für die sie gedacht sind und die für
sie geschaffen ist, sieht man in solcher Harmonie
an keiner anderen Stelle.

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