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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 27.1929

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Heft 4
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Dornhöffer, Friedrich: Das Bildnis der Helene Fourment mit ihrem Erstgeborenen in München
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https://doi.org/10.11588/diglit.7608#0185

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darüber sind nur Vermutungen möglich. Vielleicht sollte
das Bild zu irgendeinem dekorativen Zwecke geeigneter
gemacht, etwa einem Gegenstück angepaßt werden. Wahr-
scheinlicher aber ist mir noch, daß man das Rubenssche
Werk dem veränderten Zeitgeschmack zum Opfer gebracht
hat. Während es Rubensscher Stil ist, daß die Figuren den
Raum stark füllen, verlangte die spätere Zeit weiteren Raum
und größere Bewegungsfreiheit der Gestalten. Daß ein Er-
gänzer sich seine Arbeit dadurch erleichterte, daß er, statt
seine Zutaten dem Original anzugleichen, dieses umgekehrt
den Zutaten durch Übermalung anpaßte, ist oft genug vor-
gekommen. In dem vorliegenden Falle aber begnügte sich
der freche Pinsel nicht damit, das ganze Bild zu übergehen,
sondern er nahm auch wesentliche Veränderungen der Kom-
position vor, die nun nicht mehr recht in den neuen Raum
passen mochte. So wurde die Figur der Helene mehr nach
vorne gedreht, ihre rechte Schulter, um die leere Stelle zu
decken, unförmig vergrößert, das Gesicht derb und gemein
verbreiten-, der Hals zu einem Blähhals ausgedehnt; für das
Gelenk der linken Hand, die entsprechend der neuen Hal-
tung mehr nach vorn kommen mußte, wurde das rechte
Armchen des Kindes geopfert. Während früher die Füße
unsichtbar waren und sich der eine übergeschlagene Fuß nur
in der Erhebung am Kleid bemerkbar machte, wurden zwei
neue Füße dazugemalt, so daß die unglückliche Frau nunmehr
drei Füße zeigte. Das Kind wurde um seine reizvoll spontane
Bewegung gebracht, indem der rechte Arm verschwand und
das rechte Händchen in ganz ungeschickter Weise an das
andere Ärmchen angelegt war; das Häubchen wurde in der
rechten Hälfte mit zum Kopf geschlagen, so daß ein scheuß-
licher Wasserkopf entstand. An die Stelle des Häubchens
trat ein ganz unwahrscheinliches Barett mit einer Feder, in
der Makart vorgeahnt war. Aus der einen Säule wurden zwei,

von denen die hintere vollständig in der Luft stand. Will-
kürlich und derb wurde auch die Landschaft verän-
dert usw.

Kurzum es entstand ein Machwerk, von dem sich schon
früher mancher feinfühlige Betrachter unbefriedigt und be-
fremdet abwandte, das aber erst jetzt durch unsere Arbeit
als das enthüllt wurde, was es wirklich war, als die skrupel-
lose Malübung eines unbekannten Rokokomalers, die sich
über einem Rubensschen Werke austobte.

Die unmittelbare und zwingende Veranlassung, an die
Wiederherstellung des Bildes zu treten, lag aber für uns
nicht sowohl in der künstlerischen Verunstaltung des Wer-
kes als in einem äußeren, technischen Umstände. Die Ver-
größerung der Tafel durch Ansetzen von Streifen war näm-
lich holztechnisch falsch gemacht worden, das heißt die Holz-
faser der horizontalen Ansatzstücke verlief entgegengesetzt
zu der der ursprünglichen Tafel. Die notwendige Folge war,
daß die Tafel, ihrer organischen Bewegungsfreiheit beraubt,
reißen mußte. Es läßt sich feststellen, daß schon vor meh-
reren Jahrzehnten zwei große Vertikalsprünge aufgetreten
waren. Die damals angewandten Vorkehrungen (Aufleimung
von Querriegeln) erwiesen sich als wirkungslos, ja sogar als
schädlich. Die Risse traten notwendigerweise, wie jedem,
der in holztechnischen Fragen Bescheid weiß, einleuchten
muß, immer von neuem auf. Eine endgültige Beruhigung
des Brettes war nur durch Beseitigung der falschen Ansatz-
stücke zu erreichen. Daran schloß sich dann erst als nicht
zu umgehende Folge die Entfernung der Übermalungen.

Dabei ist es trotz äußerster Vorsicht nicht gänzlich ohne
kleine Fehlstellen abgegangen, deren Art und Umfang in
zahlreichen, den Fortgang der Arbeit ständig begleitenden,
ein- und mehrfarbigen photographischen Aufnahmen do-
kumentarisch festgehalten wurde. Sie wurden streng lokal,

ARISTIDE MAILLOL, RADIERUNG

MIT ERLAUBNIS DER D. D. A.

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