Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 27.1929

DOI issue:
Heft 5
DOI article:
Hübner, P. G.: Preussische Schlösser, [1]
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7608#0221

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
SCHLOSS WILHELMSHOHE, RUNDER SPEISESAAL
ABB. 5

Die Neugestaltung von Wilhelmshöhe wurde
durch die Errichtung des jetzt bestehenden Schlosses
(1786—1800) vollendet. Der Entwurf zum Schloß-
bau rührt her von Simon Louis du Ry, dem
hessischen Oberbaudirektor, der einer eingewan-
derten Hugenottenfamilie entstammte und mit seinen
Bauten der Neustadt von Kassel das Gepräge ge-
geben hat. Leider ist das Schloß noch schlimmer
als das Herkulesoktogon durch spätere Verän-
derungen entstellt worden; der ursprüngliche Bau-
gedanke ist kaum noch erkennbar. Der Gesamtbau
war — in leichter Abwandlung der in Wilhelms-
tal noch streng durchgeführten Triklinienanord-
nung — in drei Teile aufgelöst, ein Mittelgebäude
und zwei Flügelbauten, die im stumpfen Winkel

zueinander standen und nur durch
Terrassen in der Höhe des Sockel-
geschosses verbunden waren. Aus
dem Innern des Gebäudebogens,
aus dem heute der Blick gegen
die Ebene verschlossen ist, sah
man über die Verbindungsterras-
sen hinweg in die Ferne der Fulda-
landschaft; beim Anblick von un-
ten erschien statt der heutigen
drohend öden Gebäudemassen eine
leichte rhythmisch gegliederte Bau-
gruppe. Der Verfolgungsangst des
vorletzten Kurfürsten, der mit sei-
ner schrankenlos entwickelten
Mätressenstaatswirtschaft eine der
unerfreulichsten Erscheinungen
unter den deutschen Fürsten des
neunzehnten Jahrhunderts ist, ent-
sprang die lieblose, festungsartige
Aufmauerung der beiden Verbin-
dungsterrassen bis zur Höhe der
Schloßflügel (Abb. 3 u. 4).

An dem zuletzt errichteten
Hauptgebäude in der Mitte wurde
gegenüber dem Plan du Rys
eine wesentliche Änderung auf
Betreiben seines späteren Amts-
nachfolgers Jussow durchgeführt.
Die vorgelegten Säulen wurden
durch drei Stockwerke geführt
und als Vorhalle mit Giebel
ausgebildet, eine Änderung, die
sicher nicht zugunsten des Ge-
samteindrucks ausgefallen ist. Im Innern hat
das Hauptgebäude nur in den Festsälen des Ober-
geschosses das Dekorationssystem aus der Zeit der
Erbauung einigermaßen bewahrt (Abb. 5). Die
unteren Räume wurden erst durch Jerome Napo-
leon, der hier von 1807—1813 die üppige Hof-
haltung des Königreichs Westfalen führte, zur
repräsentativen Wohnung ausgebaut. Aus dieser
Zeit ist z. B. der Innenausbau des runden Speise-
saals, der die zarte Geistigkeit des deutschen Empires
wohl am reinsten zeigt (Abb. 6); vielleicht stammt
der Entwurf von Leo Klenze, der auch das Theater-
gebäude neben dem Schloß für Jerome ausführte.
Als der schon genannte vorletzte Kurfürst von
Hessen, Wilhelm IL, zur Regierung kam (1821)

192
 
Annotationen