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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 27.1929

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Heft 5
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Hübner, P. G.: Preussische Schlösser, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7608#0222

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wurde für seine Mätresse, die Gräfin Reichenbach,
die Innenausstattung des Hauptgebäudes in präch-
tigster Weise erneuert. Diese Einrichtung im Stil
des prunkvollen, kalten, nicht sehr erfindungsreichen
späten Empire beherrscht den Eindruck, den der
heutige Besucher beim Durchschreiten des Schlosses
empfängt (Abb. 7).

Es ist bezeichnend für die zersetzende Wirkung
der romantischen Ideen auf die Architektur am
Ende des achtzehnten Jahrhunderts, daß bei der
Erbauung des Schlosses geplant war, die Seiten-
flügel mit ruinenhaften Aufsätzen zu versehen,
etwa wie es beim Schlößchen auf der Pfaueninsel
geschah, und daß allen Ernstes erwogen wurde,
das Mittelgebäude fortzulassen und den Raum
zwischen den beiden Seitenflügeln mit einem Ruinen-
feld zu füllen. Glücklicherweise erhielt die Ruinen-
romantik ein anderes Tätigkeitsfeld; etwas oberhalb
des Schlosses im Park wurde eine ganze Burgruine
aufgeführt, die nach dem hessischen Wappentier

so genannte Löwenburg (Abb. 8). „Dieses Gebäude,"
schreibt Jussow, der Urheber des Entwurfs und
Leiter der Bauarbeiten, „das der ersten Idee nach,
nur durch die Vorstellung einer alten Warte und
weniger Reste zerfallener Mauern die Erinnerung
der verflossenen Zeiten zurückrufen sollte, ist seit
dem Anfange seines Baues bis zu einer beträcht-
lichen Größe erweitert worden, indem des Herrn
Landgrafen Hochfürstliche Durchlaucht jene erste
von Höchstdenenselben mit so glücklicher Auswahl
des Platzes gefaßte Idee in die eines ganzen gothi-
schen Bergschlosses umzuschaffen gnädigst geruhet
haben." Das „gotische Bergschloß", das man nach
Abbildungen für ein Korkmodell halten möchte,
diente dem Wunsche des Landgrafen nach diskreter
Zurückgezogenheit mit seinen Favoritinnen; um so
merkwürdiger ist es, daß er dort sich auch eine
Gruft bauen ließ, in die er zu Zeiten hinunterstieg,
um zu meditieren. In der Gruft ist er im Jahre 1821
tatsächlich, mit phantastisch mittelalterlichem Zere-

LÖWENBURG IM PARK VON WILHELMSHOHE

ABB. 8

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