Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 27.1929

DOI Heft:
Heft 8
DOI Artikel:
Chronik
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7608#0358

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
LIEBERMANN UND CORINTH IN WIEN
"T^ine kleine Sievogtausstellung war im Winter dieses Jahres
' vorausgegangen; jetzt im Frühling lernt das Wiener
Publikum fast gleichzeitig die beiden Künstler, die das Ber-
liner Kunstleben durch so viele Jahre so stark beherrscht
haben, durch umfangreiche und sorgfältige Ausstellungen
kennen. Die geschlossenere Darbietung ist die Lieber-
mannausstellung, die einen Teil der Jubiläumsveranstaltung
des Künstlerhauses bildet; dank dem großzügigen Entgegen-
kommen vieler öffentlicher und privater Sammlungen ist
ein Ganzes zustandegekommen, das wohl nicht alle Höhe-
punkte der Kunst Liebermanns vereinigt, aber doch in vier
Sälen ein gut zusammengestelltes und des Meisters würdiges
Bild seiner Tätigkeit als Maler, Zeichner und Graphiker
bietet. Für Wien ist diese Ausstellung eine einzigartige
Gelegenheit, lange Versäumtes nachzuholen. Die Corinrh-
Ausstellung des Hagenbundes, durch eine Schau von Aqua-
rellen, Zeichnungen und Graphiken in der Neuen Galerie
ergänzt, enthält weniger Hauptstücke aus früheren Jahren,
treibt aber dafür die Spätzeit mächtig heraus. Auch hier
empfängt Wien etwas Neues und Wichtiges.

Beide Meister lernt es nicht als Werdende, sondern als
Gewordene kennen. Liebermann und Corinth werden hier
nicht erobert, sondern geschenkt; sie setzen sich nicht aus
dem Stückwerk der mehr oder weniger gelungenen Einzel-
werke zusammen, sondern stellen sich in jener organischen
Ganzheit, in jener Geschlossenheit dar, die die Gestalten
der großen alten Meister so zwingend macht. Das ist we-
niger und mehr, als die Künstler in ihrer deutschen Heimat
gelten: weniger, weil nur das selbst Erarbeitete zu einem
Stück der Geistigkeit des Empfängers werden kann; mehr,
weil die Künstler durch die Konzentriertheit der lange auf-
gesparten Wirkung mythologisiert werden, weil ihre unge-

TIZIAN, BILDNIS EINES VENETIANISCHEN EDELMANNS

AUSSTELLUNG VENETI ANISC HER KUNST IN DEN
VAN DIEMEN GALLERIES, NEW YORK

3*9

heure Bedeutung innerhalb der Malerei eines halben Jahr-
hunderts mit einem Schlage sichtbar wird.

Dieser Eindruck ist um so stärker, als Potenzen ihrer
Art in der gleichzeitigen Wiener Kunst durchaus fehlen.
Die Generation Liebermanns streift noch die der Ring-
straßenkünstler, die Corinths entspricht ungefähr jener, in
der in Wien Klimt die stärkste Persönlichkeit gewesen ist.
Der Gegensatz ist schlagend. Während die Berliner Künstler
ihre ganze mächtige Lebensfülle in ihre Malerei einbezogen,
haben die Wiener aus ihrer Malerei in andere Gebiete hin-
über gewirkt; Makarts größter Triumph ist der Festzug über
die Ringstraße, und Klimts nachhaltigste Tat ist die Wiener
Werkstätte. Beide haben in der Schaffung eines neuen
Lebensstils die überschüssigen Kräfte erschöpft, die bei
Liebermann und Corinth die Malerei selbst immer tiefer
und reicher gemacht haben. Eine solche Beschränkung ist
in Wien unbekannt und unerhört. Die beiden Gäste wirken
infolgedessen mehr als durch die Vollkommenheit einzelner
Leistungen durch die Summe ihrer in ihrer Malerei ver-
dichteten Lebensfülle, die bei dem einen als unerschöpf-
liches gesundes Hinströmen, bei dem anderen als vulkanische
Eruption zutage tritt. H. T.

NEW YORKER AUSSTELLUNGEN
In New York wurden drei interessante Ausstellungen alter
Bilder veranstaltet. Knoedler zeigte eine Leihausstellung
von primitiven Italienern, zweiundzwanzig ausgewählte Stücke,
unter denen sich Werke von Pesellino, Mantegna, Crivelli,
Filippo Lippi, Botticelli, Bellini befanden. Van Diemen
stellte aus eigenem Besitz eine bemerkenswerte Ausstellung
venezianischer Meister zusammen, in der Tizian mit zwei
bedeutenden Porträts vertreten war. Das 1561 datierte
Selbstbildnis mit der Aufschrift aetatis 84 bestätigt das
vielfache angezweifelte Geburtsdatum des Meisters und damit
die Tatsache seines fast hundertjährigen Lebens. Auch das
Porträt eines alten Edelmannes ist ein bedeutendes Werk
aus der Spätzeit des Meisters. Die Reinhardt Galleries ver-
anstalteten zu gleicher Zeit eine Leihausstellung alter und
neuer Meister, die von Memling, Cranach, Rembrandr, Ver-
meer bis zu Manet, Renoir, Cezanne und Matisse, Derain,
Picasso reichte.

NEUE RADIERUNGEN VON LIEBERMANN
In den letzten Monaten hat Max Liebermann vier neue
Bildnisse radiert: den bekannten Berliner Arzt Prof. Dr. v. Berg-
mann im Auftrage seiner Schüler, den holländischen Kunst-
historiker Hofstede de Groot für eine Anzahl holländischer
Kunstfreunde, den Altphilologen der Berliner Universität
Professor Dr. Werner Jäger, ebenfalls für dessen Schüler,
und den Dichter Heinrich Mann.

EIN MANET-KATALOG
Der Verlag Bruno Cassirer bereitet im Verein mit „Les
Beaux Ans" in Paris einen vollständigen Oeuvre-Katalog
Edouard Manets vor, der, neben einem kritischen Verzeichnis,
alle Bilder, Pastelle und Aquarelle reproduzieren wird. Der
Verlag wird den Besitzern von Werken Manets für geeignete
Angaben und für die Einsendung von Photographien sehr
dankbar sein.
 
Annotationen