Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 27.1929
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https://doi.org/10.11588/diglit.7608#0455
DOI issue:
Heft 11
DOI article:Troendle, Hugo: Das Erbe Poussins
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NICOLAUS POUSSIN, LANDSCHAFT MIT DER BAHRE DES PHORIAS
PARIS, LOUVRE
glücklicher waren in ihren Bildern, als wenn sie
sich dem großen römischen Franzosen des sieb-
zehnten Jahrhunderts näherten.
Wenn wir die beste Zeit Böcklins bewundern,
so ist es die frühe Zeit, die im Zeichen Poussins
stand. Da, wo Feuerbachs Kompositionen von
reifster und ausgeglichenster Abrundung sind, ist
er Poussin nahe. Und Marees höchstes Lob ist
es, wenn wir ihn neben Poussin stellen. Thoma
hat durch seinen zu sehr mit Unrecht vergessenen
Lehrer Schirmer in seinen besten früheren Land-
schaften etwas von der Klarheit und Räumlich-
keit Poussins bekommen, ebenso Lugo.
Wir fragen uns, wieso dieser große Einfluß
Poussins möglich war in Frankreich und in
Deutschland bei so verschiedenen Künstlern. Wir
sehen, daß Gewaltigere als Poussin, daß Rubens,
Rembrandt und Tizian keine so glücklichen Lehrer,
Befruchter und Wegweiser waren für spätere
Zeiten wie dieser vornehme, stille und gelehrte
Maler. Wir suchen in den Bildern Poussins nach
dem Warum. Sehen wir die Bilder unbefangen
mit Maleraugen an, so entdecken wir unter dem
klassischen Aussehen eine ungeheure Lebendigkeit,
ein reiches Naturgefühl, eine wundervolle feine
Farbigkeit und oft in Einzelheiten eine große
Naivität der Darstellung. Wir finden unter einem
oft scheinbar konstruierten klassischen Aufbau,
unter großen, sieghaft sicher gezogenen Linien
und unter wunderbar richtig placierten Licht- und
Schattenmassen viel unmittelbaren Reiz des Lebens
ausgebreitet.
Da liegt ein nacktes Mädchen unter einem
Baum. Die Wahrheit und Richtigkeit des Fleisch-
tones zum Boden, zum Grün der Bäume ist er-
staunlich, der Charme der Haltung ist vollendet.
Da sind Blumen und Büsche von einer Zierlichkeit,
die uns ganz unmittelbar ans Herz geht. In der
großen und gebauten Komposition gibt es an-
dauernd intime Schönheiten zu entdecken, Lieb-
lichkeiten und Köstlichkeiten, von einer feinen,
gewissermaßen modernen Empfindung.
Da sind Schatten von einer Feinfarbigkeit im
Fleisch, von einer Feinfarbigkeit im Laub der
Bäume, Fernen, wie sie erst Meister wie Renoir
und Cezanne wieder entdeckten. Und dann die
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PARIS, LOUVRE
glücklicher waren in ihren Bildern, als wenn sie
sich dem großen römischen Franzosen des sieb-
zehnten Jahrhunderts näherten.
Wenn wir die beste Zeit Böcklins bewundern,
so ist es die frühe Zeit, die im Zeichen Poussins
stand. Da, wo Feuerbachs Kompositionen von
reifster und ausgeglichenster Abrundung sind, ist
er Poussin nahe. Und Marees höchstes Lob ist
es, wenn wir ihn neben Poussin stellen. Thoma
hat durch seinen zu sehr mit Unrecht vergessenen
Lehrer Schirmer in seinen besten früheren Land-
schaften etwas von der Klarheit und Räumlich-
keit Poussins bekommen, ebenso Lugo.
Wir fragen uns, wieso dieser große Einfluß
Poussins möglich war in Frankreich und in
Deutschland bei so verschiedenen Künstlern. Wir
sehen, daß Gewaltigere als Poussin, daß Rubens,
Rembrandt und Tizian keine so glücklichen Lehrer,
Befruchter und Wegweiser waren für spätere
Zeiten wie dieser vornehme, stille und gelehrte
Maler. Wir suchen in den Bildern Poussins nach
dem Warum. Sehen wir die Bilder unbefangen
mit Maleraugen an, so entdecken wir unter dem
klassischen Aussehen eine ungeheure Lebendigkeit,
ein reiches Naturgefühl, eine wundervolle feine
Farbigkeit und oft in Einzelheiten eine große
Naivität der Darstellung. Wir finden unter einem
oft scheinbar konstruierten klassischen Aufbau,
unter großen, sieghaft sicher gezogenen Linien
und unter wunderbar richtig placierten Licht- und
Schattenmassen viel unmittelbaren Reiz des Lebens
ausgebreitet.
Da liegt ein nacktes Mädchen unter einem
Baum. Die Wahrheit und Richtigkeit des Fleisch-
tones zum Boden, zum Grün der Bäume ist er-
staunlich, der Charme der Haltung ist vollendet.
Da sind Blumen und Büsche von einer Zierlichkeit,
die uns ganz unmittelbar ans Herz geht. In der
großen und gebauten Komposition gibt es an-
dauernd intime Schönheiten zu entdecken, Lieb-
lichkeiten und Köstlichkeiten, von einer feinen,
gewissermaßen modernen Empfindung.
Da sind Schatten von einer Feinfarbigkeit im
Fleisch, von einer Feinfarbigkeit im Laub der
Bäume, Fernen, wie sie erst Meister wie Renoir
und Cezanne wieder entdeckten. Und dann die
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