Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 27.1929

DOI Heft:
Heft 12
DOI Artikel:
Stokvis, Benno: Vincent van Gogh in Ables
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7608#0502

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
CHR. CL. DAHL, LANDSCHAFT BEI DRESDEN

IM BESITZ DER STADT KOTTBUS

haben könne, antwortete Gauguin, daß eine Dis-
kussion „über eine malerische Frage" der Anlaß
gewesen sei. Vincent wurde ins Hospital ge-
schafft, es zeigte sich, daß er einen starken Blut-
verlust erlitten hatte. Die Frau, der er das Ohr
gebracht hatte, übergab es einige Tage später dem
Dr. Rey, der es mehrere Jahre in Alkohol kon-
serviert hat. Bei einem Umzug nach Paris ist es
ihm abhanden gekommen.

Als Vincent dem Dr. Rey vorgeführt wurde,
„stammelte er unzusammenhängende Worte". Da
sich die epileptischen Anfälle wiederholten, mußte
man ihn in die Gummizelle sperren. Nach drei
Tagen konnte er in den allgemeinen Krankensaal
überführt werden. Er war gegen alles ganz „ab-
gestumpft" und während dieser ersten Periode war
er „völlig wahnsinnig". In seinen klaren Mo-
menten sagte er, daß er schon in der Zeit vor
einem Anfall nicht wisse, was er tue. Zum Beispiel
habe ihn eine fixe Idee verfolgt: daß es überhaupt

nur zwei Farben gebe, Rot und Grün, und daß
alle anderen nur Komplementärfarben seien. Be-
weis dafür: man brauche sich nur eine grüne
Wiese anzusehen, auf der rote Mohnblumen
wachsen; das sei das einzige, was wirklich exi-
stiert! Dr. Rey war der Ansicht, daß, abgesehen
von Überarbeitung, mangelhafte Ernährung eine
Ursache der Krankheit gewesen sei. — Nach der
Arbeit pflegte Vincent sich auf einem kleinen Ofen
in seinem Atelier sein Essen zu bereiten. Meist
nährte er sich von halbroher Kost, oft aß er über-
haupt nichts, sondern lebte von Kaffee, den er
mit Rum vermischte oder auch nur von Alkohol.

Kaum fühlte er sich besser, so ging er wieder
an die Arbeit. Damals porträtierte er auch Dr. Rey,
der aber nichts von dem Wert dieses Kunstwerks
verstand und es für einen Spottpreis verkaufte.
Dies Bild scheint jetzt in einem Moskauer Museum
zu hängen. Im Hospital malte er seinen berühmten
„Krankensaal". Als das Bild fertig war, bot er

473
 
Annotationen