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Bund Deutscher Kunsterzieher [Editor]
Kunst und Jugend — N.F. 6.1926

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Heft 1 (Januar 1926)
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Stiehler, Georg: Vom ''wissenschaftlichen'' Zeichnen
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https://doi.org/10.11588/diglit.23685#0011

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schastliches" Zeichnen isi zn eng, irreführend und prä-
tenkiös. „Technisches Zeichnen trifft eine Seite
der Stoffwahl und Skoffgestaltung. „Linearzeichnen",
„gebundenes" Zeichnen hält sich an das Ziel früherer
Zeit, die in dem Gebrauch des Handwerkszeuges und
der korrekten Linie den Hauptwerk sah, stimmt auch
nicht, denn dieses Zeichnen kann sowohl frei-
skizzierend als auch werkzeuggemäß ge-
bunden erfolgen (Riedler, Lewicki). „Zeichnen" trifft
auch nicht das Ganze, denn neben der Zeich-
nung kommt Darskellung mit Flächen in
der Fläche (Papierform), im Raum (Körperdarstel-
lung), plastisches (Äachformen, Kristallformen) und
werkkechnisches Gestalten (Physik, Biologie, Archi-
tektur, Technik, Handwerk) in Frage.

Wir müfsen deshalb einen allgemeinen Begriff
wählen: Gestalten; Gesjaltungsunter-
richk: in dieser Bezeichnung liegen die verschiede-
nen Formen der Darstellung enthalken, da
aber .sn erster Linie das Dlng, der Sachwert, das
Objekkive und nichk das persönlich geschaute, ge-
fühlke, phankasierke im Vordergrund stehk, lst auf
diese Richtung die Bekonung zu legen. Um die Ein-
heit und Grötze der Aufgabe zu kennzeichnen, nennen
wir dieses werkvolle Gebiet eines konzentrischen
Gedankens

„Sachlichen Gefialiungsanierrichk".

Und dle Aufgabe des „sachlichen Gestal-
kungSunterricht s" (siehe Zielstellung der Denk'
fchrist), der in groher konzentrierender
Arbeit, freies und konskruierend es
Zeichnen, Flächen- und Körperdar-
stetlungen, werktechnisches Gestalten
mik Bekonung des Sachlich-Begrisflichen, Praktisch-
Technischen betreiben mutz? Die Ergänzung und
Zufammenfassung in einem bedeuket: „Der
sachliche Gestaltungsunkerrichk hak
an typischen Bildungsstoffen die
Kraftobjektiv gerichteker Auffassung,
denkender Berarbeitung u n d zweck -
enksprechender Darstellung zu enk-
wickeln (Körper-, Raumgefehliches, Begriffliches).
Werkvolle.typische Stoffe aus Natur,
Kunsk, Technik, Gewerbe und Wissen-
schaft find im Sinne aufskeigender
Darstellungsformen sozu ordnen, datz
grundlegende Kräfte sinnvoll und
planvoll entwickelt werden.

Nicht der Stoff, sondern sein Bildungswerk und
seine Eignung zur zeichnerischen, körperlichen oder
werkgemäßen Gestaltung stehen im Vordergrund.
Von diesen Gefichkspunkten aus bekrachtet, ersches-
nen die Stoffvorschläge des Reichsverbands der
Mathematiker als „wisfenfchafkliches" Zeichnen ein-
seiktg und in der Stoffülle gleichwohl wieder be-
ängfiigend, selbst wenn man auf Mahl nach den je-
weiligen VerhSltnissen dringt.

Es bedarf also elner starken Sichtuna und Be -
schrSnkung aof das Wesenkliche, wenn
dieser „sachltche Gestaltungsunterricht" im Bildungs-
plan der höheren Schule berechtigt fein soll: die gro-
tzen Kerngebiete werden

^ das alte „L i n e a r z e ich n e n" sein in Verbin-
dung mit Werkunterricht und Stoffen der
Technik, der Archikektur, des GewerbeF
und der skakiskischen Graphik. Dieses Ge-
biet ist Angelegenheit des Zeichenlehrers:

6. Mathematisch-geomekrische Anwen-
dungen zeichnerischer, körperlicher, werktechnischer
Art: unter gewisser Voraussetzung nach ber technlsch
gestaltenden Seite hin, Gebiek des Mathemati-
k e r s.

0. Skoffe aus der Naturwissenschaft, Erd- und
Himmelskunde im Sinne elementarer typischer Ge-
staltung, Angelegenheit des betr. Fachlehrers,
der nach der Seike der Formgestaltung den Äat oder
die Mithilfe des Zeichenlehrers und Mathematikers
i. S. der Arbelkskeilung heranholt: ohne besondere
Stunden, gegebenenfalls vom Zeichenlehrer und
Mathematiker mit üoernommen. Ie nach den vor-
handenen Kräften wird die Vertetlung der Skunden
erfolgen.

Menn nach Ansicht der Mathematiker zwei Stun-
den von O II bis O I notwendig sind, wir be-
tonen, neben dem freien gestallenden
Zeichnen, dann könnte eine Teilung in der
Weise erfolgen, datz der bekreffende wiffenschastliche
Fachlehrer mit dem Zeichenlehrer von Ö II bis OI
sich semesterweise teilt, im Wechsel oder alle
14 Tage jeder Gruppe zwei Skunden erteilt. Dle
Trennung ln je eine Skunde würde gegen die Sache
und Gefialtllng stehen.

Das wäre eine Lösung auf Sicht i. S. der Ar -
beitsgemeinschaft und der Beschrän-
kung aufs Nokwendige. Wir sehen in diefer
Löfung im Zntereffe der Schüler, der Sache, der he-
teiligten Lehrpersonen einen gangbaren Weg. Matze-
matiker, welchen wir die Denkschrist vorlegten.
haben sich gegen die FLlle der einseikig mache-
makischen Lösung gestellk und bedauert, datz man
Bundesgenosfen der Form, des Raumes, de?
Matzes beiseite gelaffen hat und die neuen Forde-
rungen gegen den Beftand des notwendigen
freigestalkenden Zeichnenshat durchschen
wollen. Wir zekgen keine Empstndlichkeik, KSnnen
uns aber Gruppen, -ie kein Gefühl für notwen-
dige Arbeitsgenroinschaft tm 3n,ter-
esse der höheren Schule haben, nicht
anbieken. Unsere DorschlSge waren bisher
nie gegen die Mathematik an den höheren
Schulen gerichtek aus fachlichen und gewiffen Grün-
den des Taktes, wir werden auch in Zukunft
dle gleiche Haltung einnehmen in der Erwar-
tung, datz die notwendige Entwichlung die Lehrer
der höheren Schule alle wie in Bayern, Oesterreich
zu einer Arbeiksgemeinschast und Notgemeinschast zu-
sammenführen mutz.

Die Sache des „Technischen Zeichnens", des
„Wissenschastlichen Zeichnens", des „Sachlichen Ge-
stalkungsunkerrichts" an den höheren Schulen ist also
noch nicht geklärk.

Weder in der Aufgabe, noch im Plan» der
Stoffwahl, des Skundena«smatzes. Ler
Lehrkräfke. Einseitige Vvrfchläge ver-
hindern die Lösung, nur wenn in Aückstchk auf die
Eesamtarbeit der höheren Schule, der Reform, der
Kulturlage, der neuen Anforderungen die Kretse
zusammentreten in enger Arbeiksgemeinschast. dle
Ausführende sind und eine Erziehergemeinschast an
der höheren Schule bilden, ist ein Echrist vorwärk?
möglich. Die Äorfchlüge des Relchsverbandes der
Machematiker werden dann als werkvoll in einew
neuen Vorschlag einbezogen werden müffen.
 
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