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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 6.1926

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Heft 2 (Februar 1926)
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Riemerschmid, Richard: Künstlerische Erziehungsfragen
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https://doi.org/10.11588/diglit.23685#0034

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zu besttmmten Makerialien oder bestimmken Arbeiks-
weisen In geheimnlsvollen Beziehungen zu stehen
schetnen. Handwerklich-kechnische und künstlerische
Begabung sind oft in merkwürdtger Art mitelnander
verflochken und die Phankasie, die vorher unbeweg-
lich schten, erwacht, erhebk sich zum Flug, sobald die
Berührung hergestellk ist mit dem Skoff, zu dem eine
Art Wahlverwandtschaft besteht." Die Anfänger
sollen also viele Möglichkeiten haben mit Werk-
stoffen zu arbeiten. Sie sollen Freihelt haben, das
Matertal zu wählen und „selbst die kühnsten Auf-
gaben 1n Angriff zu nehmen, mag auch der Muk in
nichts anderem als in jugendlicher Unerfahrenheit
seine Quelle haben." . . . „Gern wird ein Zweifel
an der Zweckmäßigkeit unserer Art, Natur zu stu-
dieren, zurückgewiesen mik einem Hinwels auf Aus-
sprüche und Lehren der grötzken Meister, Lionardo
wird genannk und Dürer. Aber gerade Dürer mützke
eigentlich zur Erkenntnis des Mißverständnisses
führen, das hier sich versteckt. Als Vierundzwanzig-
sähriger konnke er ein Blakt schaffen wie die „Apo-
kalypkischen Reiker". „Nun zeigk flch aber gerade
der Teil seines Könnens ganz wunderbar auSgebildek,
der sich nicht auf Nakurnachahmung beziehk! Auf
dem Blatt ist kein Skrich „richkig" gezeichnek, kekne
Wolke, nicht die Haare und nicht die Mähnen, keine
Tiergestalk und keine Menschengestalk, aber die
edelste Lust wühlk es auf neben den Schauern des
Welkgerichkes. Slcher sind die Maffen geordnek,
gehorsam fügen sie stch dem Formak als der ange-
nommenen Voraussetzung ein, ünd doch brechen ste
von der einen Seike herein, wälzen sich hinüber zur
anderen. Ein wunderbar feinfühliges Abwägen weiß
alles in den Dienst der einen erstrebten Mirkung zu
stellen: Die gespensterhafk grotzarkige Führung des
Lichkes, das Schaffen von großen Zusammenhängen
und das Fügen von kausend kleinen Beziehungen
von Form zu Form, das Stürmen und Stürzen, das
Zerren und Hüpfen und Aufblitzen der Striche, das
mühelofe Begrenzen der verschiedenartigen Erschek-
nungen durch das einheikliche Mitkel der krästigen
Holzschnitklinien."

„Wer so die Mikkel meisterk, nach welcher Aich-
kung kann der noch streben? Nur nach der, chatz er
sich nun die Herrschast dazu zu erobern suchk über
den ganzen, nie zu erschöpfenden Reichkum der Na-
kur. Denn alles andere hak er, den größten enk-
scheidenden Teil künstlerischen Könnens besihk er und
verfügk darüber mit einer SelbstverstSndlichkeit, die
ihn so wenia davon sprechen lätzk, wie der Gesunde
von selner Gesundheik sprichk. Ünd unsere Schüler?
Von diesem Können haben sie in unserer kraditions-
losen Zeit selbst bei starker Äegabung kaum Spuren.
Aber doch wird so vorgegangen, als ständen auch sie
auf dem gleichen starken Ankerbau, von dem einst
einDürer nach denhöchstenZielen langen konnke..."

„Aus der BewSltigung und Verwertung der Merk-
stoffe, aus dem Begehren nach Schmuck und nach
dem Festhalken eindrucksvollen Schauens wächst die
Kunst langsam heraus? Menn dke Verschiedenheiken
in der Art sich auszudrücken noch so grotz sind, die
Gesetze der Kunst, die in den Werkstoffen und ihrer
Eigenark, in unseren Augen unverSnderlich wohnen,
sino immer dleselben..."

Für den Unkerrichk ist zu merken.

Zu den wichkigsten Erkenntniffen gehörk die:Werk-
skoff und Werkzeug stecken voll Feindseligkeit, wenn

ihnen Gewalk angetan wird. Aber sie sind die besten
und bereitwilligsten Aelfer, wenn sie mik rechter Fein-
fühligkeit behandelk werden. Selbst dem Mittel-
mäßigen, wenn er kreu genug ist, lätzt dann zuweilen
eine bestimmte Handfertigkeik eine beschrSnkte Voll-
endung erreichen, zu der ihn ein nachahmendes
Naturstudium nie geführk HSkke. Die Werkstoffe
überkreffen an erzieherischen Gaben die besten
Lehrer. Sie sind immer da, sind unermüdlich und
leiken mit glelchmäßiger Geduld dle Hand beim
Herausholen der Form und der Formen. Sie irren
niemals, — keinem anderen Lehrer gelingk das und
die llrrkümer des Lehrers sind immer gefährlich —
sie drängen nke dem Schüler auf, was seiner Eigen-
art nlchk gemäß ist, sie gehen nle zu rasch vorwärts:
es ist die Nakur selber, die aus dem Werkstoff her-
aus mitlehrend wirkk. Sie erspark ntchk nur dem
Lehrer viele Worke, sie sprichk auch in ganz anderem
Maß überzeugend und klar. Mik dem Werkstoff
zugleich lernt seder sein Werkzeug lieben und pflegen
und gewinnt auch da stch wieder einen guken
Selfer..."

„Der Lehrer muß Lber die Grundgesetze künstleri-
scher Gestalkung sich klar gervorden sein. Das wird
chn befShigen, die Schüler an den elnfachsten Formen
und Zusammenstellungen formale Erfahrungen ge-
winnen zu laffen, die ste stch an schwierigeren und
umfängreicheren Aufgahen nichk aneignen können,
weil es ihnen dazu noch an Krafi und Reife fchlk.
Sie sollen sö die Ausdrucksmögllchkelken kennen
lernen, dke in den Zahlenverhälknlflen, im Ouadrak,
km Kreis, im nebeneinanderverlaufenden Beglelken,
im Begegnen und Abstößen verborgen liegen, ste
sollen Stnn und Wirkung dek Wiederholung, des
Aneinanderreihens, der Rickkung und Richtungs-
Snderung, der Teilung, des ZusammendrSngens, der
GegensShe an solchen einfachen Formgebilden stch
vergegenwSrkigen und begreiflich machen, sollen
lernen, daß diese Mikkel zu beherrschen mehr ist als
ein stnnreiches Spiel, daß fle hier an die Grundlagen
der Kunst rühren, daß im Grund dasselbe Verkeilen,
AbwSgen, Spielen, Skeigern, Zwingen, AuftÜnnen
zu allen Zeiken die großen Künstler vor ihren großen
Werken beglückk und um ihren Schlaf gebrachk hak."
Klelne und einfache Arbelken, die mik geringem Zelk-
aufwand ganz durchgeführk werden können, dienen
am besten dazu, aus den wenigen Lehrjahren einen
Schah von Erfahrung zu holen.,.

„Das, was auf unseren Schulen und Ahademien
gewöhnlich Nakurstudium genannk wird, ist, sowelk,es
nichk überhaupk in stnnloser Weise gekrieben wird.
an den Schluß der Lehrzeik zu verweisen oder noch
besser ganz ln dte Zeik selbständigen Arbetkens nach
der Schuke. Es lst eine Sache, die der Reife, der
stch felbstSndiger Meisterschast schon nüherk, kreiben
soll. Denn er wird ste dann so kreiben, datz er eine
ErgSnzung, eine Bereichemng drln stehk, die er
nühen kann, soviel es seine Begabung nur erlaubk.
nachdem er vorher feine Arbeik auf feste Grund-
lagen gestellk hak und ihm wirds ketne Gefahr mehr
bedeuken, Skrich für Skrich mfi dem Vorbild ver-
gleichend, stch den Einzelhefien mtt liebevollstem Efier
hinzugeben. Doch gibk's auch nych eine andere Ark
von Nakurstudium: ich möchk's «nkerscheiden und zu-
glekch verdeukschen mik dem Ausdruck „Nakur-
erschauen". Davon will ich mik besonderem Nach.
druck sprechen; denn nur äus diesem Erschauen der
 
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