Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend
— N.F. 6.1926
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https://doi.org/10.11588/diglit.23685#0035
DOI Heft:
Heft 2 (Februar 1926)
DOI Artikel:Riemerschmid, Richard: Künstlerische Erziehungsfragen
DOI Seite / Zitierlink:https://doi.org/10.11588/diglit.23685#0035
29
»Wrihnachten'
Schwarzpapterschnitt. Schülerarbeit der AMHelmSrealfchuIe Stuttgart
(Stndienrat Schöllkops). AuS «inem Wettbewerb der.Schülervereinigung
für Kunstpslege.
.
Nakur läßi sich der edle Stoff gewinnen, der dem
Werkfkoff eingehaucht, zur belebenden Seele wird.
Dieses Erschauen beginnt aber bei jedem, der Be-
gabung hat, in den Kinderjahren und wird nie unter-
blvchen. Diese Arbeit vor der Natur kann nun
freilich nicht genug und nie zu eindringlich gekrieben
wcrden. Bon nirgends anders her ist die Kenntnis
von der Sprache der Formen zu haben? D ie For -
men der Kunst sind ja die Fo^rmen der
Natur, Nur zu anderem Dienst kaug-
lich gemach.t; losgelöst von ihren Trägern, nicht
mehr dlese, sondern sich selber aussprechend, in
neue Beziehungen geknüpfk, aber doch die Formen
der Natur. Ov nun ein Schüler dieses empfängliche
Schauen vor der Natur schon hat oder erst lernen
soll, der Lehrer wird nicht genug zu solchen Be-
obachkungen anregen können. Die Augen auf! Dem
Leben unserer Zelt, unsern Bauwerken, u n -
sern Kleidern, unserm Gerät, dem gebt eure
Form, von dem nehmt eure FormU Schaut ln dem
Wellengekräusel elnes Masierstrudets, tn dem wuch-
tigen Aufprallen, dem Zerstäuben, dem Zurückgleiten
der Brandung, an Bäumen und Halmen, die tm
Winde schwanken und flch neigen oder die der
Sturm peitscht, in den ziehenden Rauchwolken einer
Zigaretke, an den in hestiger Wirkung und Gegen-
wirkung stch kreuzenden, scharfen, gespannten For-
men bei der höchsten Kraftanstrengung eines an-
zichenden Pferdes oder eines zum wuchtigen Schlag
ausholenden Holzknechtes, auch an dem Dränaen
und Rennen einer Bolksmasie, aber auch an den
ausdrucksvollen Linien eines flch streckenden, schwel-
lenden, aufwachsenden Pflanzenkriebes, dem Aufbau
eines schlanken Halmes oder einer knorrigen Eiche
weglichkeik die charakteristischen und ebenso die
zierenden Formen uns zufirömen . . ."
Es ist aver Notwendig, das Mesenkliche und das
»Wrihnachten'
Schwarzpapterschnitt. Schülerarbeit der AMHelmSrealfchuIe Stuttgart
(Stndienrat Schöllkops). AuS «inem Wettbewerb der.Schülervereinigung
für Kunstpslege.
.
Nakur läßi sich der edle Stoff gewinnen, der dem
Werkfkoff eingehaucht, zur belebenden Seele wird.
Dieses Erschauen beginnt aber bei jedem, der Be-
gabung hat, in den Kinderjahren und wird nie unter-
blvchen. Diese Arbeit vor der Natur kann nun
freilich nicht genug und nie zu eindringlich gekrieben
wcrden. Bon nirgends anders her ist die Kenntnis
von der Sprache der Formen zu haben? D ie For -
men der Kunst sind ja die Fo^rmen der
Natur, Nur zu anderem Dienst kaug-
lich gemach.t; losgelöst von ihren Trägern, nicht
mehr dlese, sondern sich selber aussprechend, in
neue Beziehungen geknüpfk, aber doch die Formen
der Natur. Ov nun ein Schüler dieses empfängliche
Schauen vor der Natur schon hat oder erst lernen
soll, der Lehrer wird nicht genug zu solchen Be-
obachkungen anregen können. Die Augen auf! Dem
Leben unserer Zelt, unsern Bauwerken, u n -
sern Kleidern, unserm Gerät, dem gebt eure
Form, von dem nehmt eure FormU Schaut ln dem
Wellengekräusel elnes Masierstrudets, tn dem wuch-
tigen Aufprallen, dem Zerstäuben, dem Zurückgleiten
der Brandung, an Bäumen und Halmen, die tm
Winde schwanken und flch neigen oder die der
Sturm peitscht, in den ziehenden Rauchwolken einer
Zigaretke, an den in hestiger Wirkung und Gegen-
wirkung stch kreuzenden, scharfen, gespannten For-
men bei der höchsten Kraftanstrengung eines an-
zichenden Pferdes oder eines zum wuchtigen Schlag
ausholenden Holzknechtes, auch an dem Dränaen
und Rennen einer Bolksmasie, aber auch an den
ausdrucksvollen Linien eines flch streckenden, schwel-
lenden, aufwachsenden Pflanzenkriebes, dem Aufbau
eines schlanken Halmes oder einer knorrigen Eiche
weglichkeik die charakteristischen und ebenso die
zierenden Formen uns zufirömen . . ."
Es ist aver Notwendig, das Mesenkliche und das