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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 6.1926

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Heft 5 (Mai 1926)
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Gericke, Gustav: Märkische Kachelkunst einst und jetzt
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https://doi.org/10.11588/diglit.23685#0110

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Rolwkokacheln, 1715 bis 1770. Während der belden
lehken Perioden kamen die gröhten Kachelformate
auf, durch die z. B. eine ganze Ofemvand mit Hilfe
von zwei schmalen „Pilasterkacheln" gefüllt wurde.
Grohe Bildkacheln, „überschlagene Oefen", insbeson-
dere runde Oefen, wurden gefertigt, die man in gro-
ßen Ringen auf der Töpferscheibe aufbaute und mit
Ornamenten freihändig belegte. Der Kachelofen mit
seiner überladenen Schmuckgestaltung war nur noch
ein Prunkstück, aber kein zweckmäßiger Heizkörper
und Märmefpender. Das wurde er erst wieder in
der Zeit des deutschen Zopfstils und des Biedermeier-
stils, von 1760 bis 1840, französisch: Empirestil. Bor-
bildlich in der Bereinfachung der Kachelkunst wirkke
vor 100 Zahren der bedeutendsie Berliner Ofenfabri-
kant Tobias Christoph Feilner. Er begründete den
guten Ruf des Berliner Schmelzkachelofens, desien
Hauptfabrikationsort heute noch Belten ist. Die Feil-
nerschen Oefen in Fayencetechnik zeichneten stch aus
durch die Einfachheit der Formen- und Farbengebung,
durch eine geschmackvolle Ornamentik und fetne Be-
malung der weißen Kachelflächen. Nach der Bieder-
meierzeit hatten wir während des vorigen siahrhun-
derts keinen nakionalen Baustil. Man begnügte stch
mit der Nachahmung früherer Stilarten und Skilsor-
men leider auch bei der Formengestaltung der Kacyel-
öfen und der Kacheln. Neue Stilversuche führten
bisher noch nichk zum befriedigenden Äbschluß. Sie
sind alle auf Zweckmäßigkeit und Materialechcheit
gerichket.

Neben der Formengebung ist dle Schönheit des
Kachelofens abhängig von der Glasterung und Be-
malung der Kacheln. 5n der Zeit der Gottk herrschte
die grüne und braune Bleiglasur vor, bisweilen auch
Graphitanstrich. Bon den Spaniern erhielten wir
die Majolikatechnik, von den Ralienern die Fayence-
technik, von Holland die Delftmalerei, von Feilner
die enkaustische Malerei. Bei der vielseittgen An-
wenduna des farbigen Schmuckes für die Kachelkunst
beherrscht man heute die Bemalung unter, in und
auf der Glasur. Der Stand der heuttgen Kachelkunst
in ihrer großen Berfchiedenarttgkeit ist wohl am
besten erkennbar, wenn ich eine kurze Ueberficht über
die jeht gebräuchlichen Kacheln und Kachelöfen gebe.
Diese haoe ich nach 18 Gestchtspunkten eingetellt, und
zwar 1 bis 13 nach den Kacheln, 14 bis 18 nach den
Oefen. -77-

1. Nach ihrem Ton- und Glasurmaterlal.

2. Nach ihrer Herstellungsart.

3. Nach ihrer Glasterung.

4. Nach ihrer Farbe.

5. Nach der Bemalung.

6. Nach der Größe.

7. Nach der Güte.

8. Nach dem Stil.

S. Nach dem Ursprung.

10. Nach threr allgemeinen Verwendung.

11. Nach ihrer Verwendung im Ofen.

12. Besondere Zubehörkeile.

13. Nach ihrer verschiedenarttgen Berwendung
außer Oefen und Herden.

14. Einteilung der Kachelöfen nach den verschie-
denen Typen und Bauarten.

15. Nach ihrer Größe.

18. Nach ihrem Standort.

17. Nach ihrem Brennstoff.

18. Nach ihrer Berbindung mit Etsen.

Die märkische wie die gesamke deutsche Kachel-
kunst, früher und jeht, wle sie von mir kurz gekenn-
zeichnet wurde, beweist, datz wohl setten ein kunst-
gewerblicher Gegenstand so vielseittg ausgebildek, mit
so viel Llebe und Hingebung im Laufe der Zeit ver-
besiert und verschönert worden ist, wie unser Kachel-
ofen, damit er immer ein zeitgemäßer Wohnungs-
schmuck, der beste, behaglichste, gesynoheitsdienlichste
Wärmespender und dadurch die Seele unserer Woh-
nungen hlieb. Megen seiner Borzüge gegenüber allen
anderen Heizanlagen flnd mehr als S0?L aller märki-
schen Wohnungen noch heute mik Kachelofenheizung
versehen. Seine Wertschähung in der Mark bewei-
sen auch die alken Kunstkachelöfen «nd Kachelsamm-
lungen in unseren brandenburgischen Museen, die
von allen Museumsbesuchern noch heuke als Glanz-
leistungen des frühersn Kunstgewerbes bewunderk
werden. Diese Werkschcktzung beweist auch die jehlge
Pflege und Förderung der märkischen Kachelkunst
seitens unserer Behörden, Architekten und Organi-
sattonen ln der Kachelindustrie und dem Ofensetzer-
gewerbe. Diese alle stnd zusammengeschlosien tm
Bunde für Deutsche Kachelwerkkunst e. B., Derlin,
den ich am 26. Äpril 1917 gegründek und seikdem
geleiket hahe. Er bezweckt die Nuhbarmachung, Ber-
breitung und Förderung der Kachelwerkkunst. Seine
Geschästssteüe habe ich verbunden mit der Berwal-
tung des Orksmuseums in Belten, mik dem ich den-
selben Zweck seik 20 siahren verfolge. Mie meine
Bundes- und Museumsziele bisher erreicht wurden,
ergibt flch aus meinen veröffenklichten Druckschristen,
insbesondere auch aus der vor vier Iahren von mir
ins Leben gerufenen und bisher geleiteten Zeikschrifi
„Die Kachel- und Töpferkunst", Monatsheste für
Keramische Kunst, seit dem 1. 7. 25 „Kunstkeramik"
genannk.

Für die Mikarbeik an der Pflege und Förderung
der märkischen Kachelkunst möchte ich mehr «nd mehr
auch unsere Bereinigung Brandenburgischer Museen
gewinnen. Ilnsere Mikglieder haben wohl sämklich
schon bis jehk ihre Liebe zur märkischen Kachelkunst
bewiesen, indem ln jedem Heimakmuseum der Mark
unsere alken märkischen Kunstöfen «nd Kunstkacheln
einen Ehrenplah als alte märkische Kulkurgüker zu-
gewiesen erhielten. Neue Ergänzungen könnten
überall dlese Museumssammlungen dadurch erhalken,
daß chnen auch Äeispiele der QuallkStslelstungen un«
serer neuesten Kachelkunst zugefügk werden. siedem
märkischen Museumsleiker, der hierzu bereik ist, will
ich dabel mik Nak und Tat behllflich sein. Wer mlr
alte Kunstkacheln für meln keramifches Museum
überweist, dem tausche ich als Gegenwert dafür Bei-
spiele unserer neuesten Kachelkunst oder sonstige neue
keramische Kunsterzeugnisse, lnshesondere auch aus
der neubelebten, märkischen Fayencekechnik ein.

Unsere Berelnigung hitte ich, bet unserer nächsten
Herbsttagung in Berlin die von mir jeht vorbereiteke
„Ausstellung neuer Märkischer Keramik" tm Licht-
hofe des früheren Staatlichen Kunstgewerbemuseums
in Berlin, Prinz-Albrecht-Straße 8, zu besuchen, dke
vom 15. Sepkember bis 31. Oktober ds. 3s. staktfinden
wird.

Die Ausstellung umfaßk die neuesten kunstkeramt-
schen Erzeugnlsse der leistungsfähigsten Fabrikeu «nd
Merkstätten in der Provinz Brandenburg: Porzellan,
Steinguk, Fayencen, Kachel- und Töpferwaren, wle
Kachelöfen und Kachelherde, aufgebaut oder einzelne
 
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