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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 10.1875

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Abrest, Paul d': Der Salon, [6]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4970#0334

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X. JalMlMst.
Lciträye

sindan vr. (5. V.Lützow
(Wien,Theresianumgasse

^)od.andieVerlagsh.
(Leipzig, Königsstr. 3),
zu richten.

30. Iuli

Nr. 42.
Znscrate

ü. 25 Pf. für die drei
Mal gespaltenc Petitzeile

nnd Kunsthandlnng an-
geitommen.

1875.

Btilllntt znr Zcitschrist sür bildendc Knnst.

Dies Vlatt, jcde Woche am Freitag erscheinend, erhalten die Abonnenteu der „Zeitschrift für bildende Kunst" gralis; für sich allein bezogen
kostet der Jayrgang 9 Mark sowohl im Buchhandel wie auch bei den.deutschen und vsterreichischcn Postanstaltcn.

Jnhalt: Der Salon. VI. — Kunstliteratur: „Ausgewählte Kunstwerke aus dem Schatze dcr reichen Kapelle der königl. Nesidenz in München"; llioms-
äi^'Ic, vsinturos muraltz« ätzeouvtzrtss äuus 1'o^1i86 paroisgo äs 8. llaogutz» ü. vtreolit. — Renaissance-Aufilahmcn. — Die Restauration des
Domes zu Nanmbnrg. — Ein nenes Werk von Kasp. Scheuren; Die Vorbereitungen znm Michelangelofest; Archäologische Gesellschaft in Berlin;
Nürnbcrger Stadnnaüern; Technischer Führer durch München. — Zeitschriften. — Jnserate.

Der Salon.

VI.

Gustave Dors, der berühmteste unserer Zeichner,
gehört offenbar auch zu jenen unstäten und stets beun-
ruhigten Naturen, die die Kunst studieren, um fich
selbst unglücklich zu machen; statt in der ihnen von
der Natur angewiesenen Sphäre ihre Thätigkeit zu ent-
falten, jagen sie auf anderen Gebieten, für welche sie
keine Anlage haben, dem Utterreichbaren nach. Nun,
wir wollen diesen Anstrengungen keineswegs jene Aner-
kennung vcrsagen, die der Fleiß, wenn er sich auch ver-
irren sollte, jedesmal verdient; aber es wird uns auch
gestattct sein, bci aller Rücksicht anf das Talcnt des
Autors im Allgemeinen diesen Jrrthum, die Aussichts-
losigkeit seiner erwähnten Anstrengungen zu konstalircn.
Und das dürfen wir behaupten, daß Dors das Zeug
zu einem Darsteller biblischer Stofse oder gewaltiger
übernatürlicher Kategorieen ebenso wenig besitzt, wic ihm
unstreitig das Genie der skizzenhaften Darstellung histo-
rischer Episoden und grotesker Figuren in hohem Maßc
eigcn ist. Schon voriges Jahr, beim Anblick jener selt-
samen, im blauen Zwielicht gemalten Gemälde „Christ-
liche Märtyrer im Cirkus", hatte man Bedenkcn laut
werden lassen, ob Dors sich in solchen großeren Rah-
nien wirklich zurecht finden werde. Der Künstler wollte
offenbar diese Bedenken entkräften und zeigen, daß er,
der sich scine Berühmtheit mit fanstdicken Bücher-
und Albumillustrationen erkämpft hat, vor einer einige
Meter mcssendcn Wandfreske nicht zurückschreckt. Sein
„Dante und Virgil in dcm sicbenten Cirkel" entstand.
I» diesem „siebenten Cirkel" überliefert Satan die un-

glücklichen Gepeinigten den Schlangen — aber was für
Schlangen? Riesige aufgeblähte Regenwürmer sind es,
mit silbernen Schuppen bedecktj^schmutzig schimmernd,
lauter Thiere, die weder auf der Erde zu finden sind,
noch einer übernatürlichen Vision entsprechen: Thiere, die
keine Furchl einflößen, sondern einen unbezwinglichen
Ekel, der bewirkt, daß man sich von diesem Bilde ab-
wendct, wie etwa wemi nian Nachts beim Nachhause-
gehen an eine Ratte anstreift, die von einem Loch in's
andcre huscht. Die Körper der Gepeinigten sind ohne
jede anatomische Richtigkeit und Proportionalität- Jn
dieser Hinsicht hätte Dors Vieles von einem weniger
bekannten Maler, St- Correntz, zu erlcrnen, der von
seinem Bilde: „Im Nort" den Ausdrnck sowohl der ver-
schiedenen Abstufungen der Trauer auf den Gesichtern der
die Leiche Umstchenden, als auch den Ausdruck des eben
eingetretenen Todes auf dem Antlitz des Verblichenen
vortrefflich auffaßte. Die stumme Verzweiflung der
Mutter oder der Frau (man unterscheidet nicht recht),
die ernste Miene des Priesters, die stark mit Neugierde
vermischte nnd ein wenig erheuchclte Theilnahme der
Nachbarn sind ebenso viele Abstusungen ein und des
nämlichcn Gesichtes, wo bei keiner Nüance ein Pinsel-
strich zu wenig oder zu viel gegebcn wurde.

Die meisten der biblischen Geschichte entlehnten
Episoden erhcben sich nicht übcr das Nivcau einer an-
ständigen uursu lusäiooritus. Der bitterböse Kain
und seine Mordthat an dem süßen Abel haben, wenn
ich nicht irre, drei Malcr angeregt, ohne die Bildhaner
zu rechnen. Auch das seltsame Mißgeschick der Thamar,
gegen die sich Ammon mit eincr Ungalanterie benahm,
über die in den Büchern der Könige näherc Aufklärungeu
 
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