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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 18,1.1904-1905

DOI issue:
Heft 4 (2. Novemberheft 1904)
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Avenarius, Ferdinand: Literarischer Ratgeber des Kunstwart für 1905, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.8192#0208

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Büchersreund außerhalb seines Fachstudiums in Frage komrnt, eine
Uebersicht, die ihm das ganze Jahr hindurch ihre Dienste leistet.

Diese Erkenntnis zeitigte in uns natürlich den Wunsch, den
Fehlern abzuhelfen, die wie umgekehrte Sternlein, dunkel aus lich-
term Grund, regelmäßig nach der Fertigstellung des Ratgebers auf-
dämmerten. Unsere sämtlichen Mitarbeiter lasen, notierten, kritisierten
und rubrizierten die Monate seither, faßten dann zusammen und unter-
breiteten dann den Leseru das Ergebnis. Da uns die Kunst nur ein
Weg zu Natur und Leben ist und nicht der einzige, das Leben
selbst aber die große Hauptsache, aus die alles ankommt, so galt
es ferner, auch die Gebiete für uns zu öffnen, in denen der Gebildete
sonst noch zu schauen und zu denken verlangt. Der Berichterstatter
ist in jedem solchen Falle ein angesehener Fachmann eben des Ge-
bietes, das er bearbeitet hat, und weitere Fachleute unterstützen ihn.

Nennen freilich können wir sie nicht. Wir haben zwei Gründe
dafür. Der erste: von unsern nicht ständigen Mitarbeitern machte
einer Anonymität zur Bedingung, um ohne Furcht vor zeitraubender
Polemik genau so sprecheu zu können, wie er dachte, und fürchtete
ein anderer von seines Namens Nennung an dieser Stelle den Be-
kehrungseifer übergangener Verfasser uud Verleger vor Wiederholung
seiner Tat. Wir mußten diesen Herren Extraordinarien des Kunst-
warts nachgeben; sie sind eben gegen Angriffe nicht so schön ab-
gehärtet, wie wir vom Bau. Hätte das immerhin nur das Weg-
bleiben zweier Unterschriften veranlaßt, so zwang uns ein weiterer
Umstand, schließlich alle zu streichen. Die ungeheure Menge des
Stoffes ergab, daß nicht jeder Verfasser über jedes Werk aus eigener
Prüfung urteilen und also die Verantwortlichkeit für sein Urteil auch
allein übernehmen konnte; es mußten fast in jeder Abteilung einzelne
Werke auf die Prüfung zugezogener anderer Sachverständiger hin be-
urteilt werden, als des Hauptreferenten. Und so konnte keiner die
Verantwortlichkeit für alle Urteile »seiner« Abteilung selbst über-
nehmen.

Ratschläge, Ergänzungen, Wünsche, daß gestrichen, daß hinzu-
gefügt, daß verändert werde, sind uns aus dem Leserkreise zu Hun-
derten Mgegangen. Wir sagen den Einsendern für alle diese Anre-
gungen unsern ausrichtigen Dank. Geprüst worden ist alles, berück-
sichtigt worden manches. Wo unsre Vertrauensmänner schließlich doch
zu einem andern Ergebnis kamen, wird keiner züruen, der auch eine
andere Ueberzeugung gelten läßt.

Nachahmungen unsers Ratgebers sind von Jahr zu Jahr mehrere
aufgetreten. Eine, die für katholische Kreise bestimmt ist, hat sogar
den Namen »Literarischer Ratgeber« übernommen. Ein anderes Unter-
nehmen hat sich ausgesprochenermaßen das unsre zum Vorbilde
gesetzt. Weitere Nachfolger unsrer Arbeit melden sich. All solchen
Wettbewerb begrüßen wir natürlich erfreut: es kommt nicht darauf
an, daß man in allen Einzelheiten gerade unserer Meinung beipflichte,
es kommt vor allem darauf an, daß im Vorhof der Literatur nicht
der Krämer Herr sei. Jm übrigen gibt es ja auch in ihrem Hause
natürlich sehr viel mehr Wohnungen und mehr Aussichtsfenster, als
die unsrigen allein.



2. Novemberheft

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