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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 18,1.1904-1905

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Heft 4 (2. Novemberheft 1904)
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Avenarius, Ferdinand: Literarischer Ratgeber des Kunstwart für 1905, [3]: Germanistik
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https://doi.org/10.11588/diglit.8192#0235

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Ausgiebig wird in dem Werke bildnerischer Schmuck verwendet, aber nicht nur
als Schmuck, sondern als ein wirklich notwendiger Bestandteil- Als ein recht
brauchbares Buch ist auch die „Geschichte der deutschen Literatur" sbis zum
Ausgang des Mittelalters) von Wolfgang Golther zu bezeichnen, die
zugleich einen sehr erwünschten Ueberblick über das altsranzösische Schrifttum
bietet. Desgleichen kann man den alten, immer wieder aufgelegten Vilmar
für die mittelalterliche Zeit empfehlen, während Wilhelm Scherers Buch
trotz seincr glänzenden Darstellung nur mit Vorsicht benutzt werden sollte. Für
Belehrung in knappster Form genügen auch Klees Grundritz und Adolf
Bartels' erste Abschnitte in der zweibändigen „Geschichte der deutschen
Literatur". Wer eingehendere Studien machen will, wird Wackernagels
durch Ernst Martin vervollständigtes Werk kaum entbehren können und sich
gelegentlich wohl auch an Go ed eke-Go e tz es Grundritz wenden müssen-

Jmmer aber möchten wir die Litsratur im Raymen der Gesamtkuimr
kennen lernen. Den Geist des deutschen Mittelalters bringt uns A. Schönbach
in der Einleitung zu seinem „Walther von der Vogelweide" nahe. An die
beiden ersten Bände von Freytags „Bildern aus der deutschen Vergangen-
heit" braucht nur erinnert zu werden. Die grotzangelegten und feinsinnig
durchgeführten Bücher von Alwin Schultz über „das höfische Leben zur
Zeit der Minnesinger" und das „deutsche Leben im 14. und 15. Jahrhundert"
verschaffen neben Piepers „Burgenkunde" und Moritz Heynes „Fünf
Büchern deutscher Hausaltertümer" (bisher sind Band l: Das deutscheWohnungs-
wesen nnd Band II: Das deutsche Nahrungswesen erschienen) den besten Ein-
blick in die äuhere und innere Kultur des Mittelalters. Als ein geschickter
Auszug aus gröheren Werken stellt fich Julius Dieffenbachers „Deutsches
Leben im 12. Jahrhundert" dar, und auch aus dem in ähnlicher Weise ent-
standenen kleinen Buche von Arnold Zehme über die „Kulturverhältnisse
des deutschen Mittelalters" läht sich das Bildungsbedürfnis leicht und gut
befriedigen.

Wer nach solchen allgemeinen Vorstudien zu den Quellen selbst hinauf-
fteigen möchte, kann einer fprachlichen Unterweisung nicht entraten. Die be-
treffenden Bändchen der Sammlung Göschen dürsten für den Anfänger genügen;
fie zeigen ihm den Weg zu ftrengwiffenschaftlichen Hilfsmitteln. Auch Bötticher
und Kinzels „Denkmäler der älteren deutschen Literatur" find der Empfeh-
lung würdig. Da die Texte meistens nicht in der Ursprache gelesen werden,
so feien einige wirklich gelungene Uebersetzungen genannt. Die älteste Volks-
kunde Deutschlands, des Tacitus „Germania", liegt z. B. in einer Ver-
deutschung von Fr. Seiler vor (Freytag). Das „Waltharilied", dieses leben-
sprühende Gedicht, dem man seinen klösterlichen Ursprung wenig anmerkt, hat
auher in Scheffel (am Schlusse des „Ekkehard") in Althof einen wackeren
Uebersetzer gefunden. Der „Roudlieb", der erste Roman aus deutschen Landen,
kann in Moritz Hepnes Uebertragung gewürdigt werden. Die besten der
mittelalterlichen Spielmannsgedichte hat Wilhelm Hertz in seinem köstlichen
„Spielmannsbuch" zu neuem Leben erweckt. Daneben sind die immerhin
recht beachienswerten Uebersetzungen mittelalterlicher Spielmannsgedichte und
Erzählungen durch Moritz Heyne schon wegen der kulturhistorischen Ein-
leitungen zu nennen. Vom alten fchwäbischen Ritter Hartmann von
Aue ist der „arme Heinrich" wiederholt in neuhochdeutsches Gewand ge-
kleidet worden. Auher Chamissos nicht gerade hervorragender Bearbeitung
mögen die von Gustav Hausmann und die freie, in Stanzenform auf-
tretende von Th. Ebner (Hendel) erwähnt sein. Will man das Werkchen
im Urtext lesen, fo greist man etwa zu Hermann Pauls Ausgabe.
Für Walther von der Vogelweide, um desfentwillen man fich schon
einige Kenntnis des Mittelhochdeutschen aneignen sollte, sei Anton Schön-
bachs oben erwähntes Büchlein empsohlen. Es enthält vortreffliche Ueber-
fetzungen, die dsm liebenswürdigen Bändchen Eduard Samhabers „Walther
von der Vogelweide, Ausgewählte Lieder und Sprüche" entnommen sind. Zum
Schöpfen an der Quelle ist Wilmanns' Ausgabe besonders geeignet, doch
genügt fürs erste wohl auch Sammlung Göschen Nr. 23. Wolframvon
Efchenbach und Gottfried von Straßburg, die beiden größten Epiker
des deutschen Mittelalters, sind, durch Wilhelm Hertz' Zauberstab berührt, zu
neuer Herrlichkeit auferstanden. Die Dorfgeschichte „Meier Helmbrecht" hat in

2. Novemberheft fZOH 203
 
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