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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 18,1.1904-1905

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Heft 4 (2. Novemberheft 1904)
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Avenarius, Ferdinand: Literarischer Ratgeber des Kunstwart für 1905, [12]: Geschichte und Kulturgeschichte
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https://doi.org/10.11588/diglit.8192#0342

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schildert. — Von einer staunenSwerten Gelehrsawkeit zeugt Viktor Hehns
Untersuchung über die Elnführung der .Kulrurpflanzen und Haustiere* aus
Asien nach Jtalien und Grrechenland und in die übrigen Länder Europas. —

Dle romantische Schwärmerei für die vergangene tzerrlichkeit des deutschen
Kaisertums, in der die Menschen um die Milte des vorrgen Jahrhunderts
lebren, hat einen Niederschlag gefunden in Giesebrechts umfänglicher „Ge-
schichte der demschen Kaiserzeit^, die — mit der Forrsetzung nach des Verfassers
Tode —bis zum Lode Friedrich Barbarossas reicht. Lesenswerrift für uns wohl
nur noch ihr erster Band. tzeute liegen unserem Jnteresse näher als die Römer-
fahrten der Könige die verschiedenen Seiten des deutschen K u l t u r lebens.
Prächrige Schilderungen davon hat in seinen „Bildern aus der deutschen Ver-
gangenheit^ Guftav Freytag gegeben, der — auf eine zusammensassende
Darstellung bewutzt verzichtend — uns mitten hineinsührt in das Tun
und Treiben unserer Vorsahren. Jn der Jntimilät der Beobachtung erscheint
Freytag noch überlegen Riehl. Dem politischen und wirrschastlichen
Treiben der modernen Zeit steht er, ein Lobpreiser der guten alten Zeit, mit
unverhohlenem Mitzlrauen gegenüber. Keiner vermag, wie er, den gesunden
Regungen eines in dec alten Sitte wurzelnden, ungebrochenen Volkstums
nachzuspüren. Jn dem Matze, als heute der tzeimatSkunst und Kultur steigende
Aufmerksamkcit zugewandr wird, wird auch das Jnteresse an Riehls
geschichtlichsn Arbeiten wachsen. Sein kulturgeschichtliches Hauptwerk ist die
„Naiurgeschichte des deutschen Volkes", die sich aus vrer selbständigen Teilen zu-
sammensetzt (.Land und Leute*, .Die bürgerliche Gesellschaft", .Die Familie^,
.Wanderbuch"'). Viel feine Beobachtungen sind auch in seinen .Kulturftudien
aus drei Jahrhunderten"' niedergelegt.

Freylag und Riehl sind nicht eigentlich Fachhistoriker. Aber dem all-
gemeinen Drange nach vertiefter Einsicht in die deutsche Kultur konnten sich
aus d:e Dauer auch die Venreter der historischen Wissenschaft nicht entziehen.
Jn K. W Nitzschs nach dem Tode des Verfassers herausgegebener .Geschichte
des deutschen Volkes bis zum Augsburger Religionsfrieden" ist mit der alten
politischen Schablone gebrochen; sie ist noch heute oielen ein besonders wertvolles
Buch. Doch muh als die eigentliche moderne deutsche Geschichle heute diejenige
von Lamprecht bezeichnet werden. Für Lamprecht sind schlechtwcg alle
Lebens- und TäligkeitSäutzerungen des Menschen notwendige Gegenstände ge-
schichtlicher Forschung. So erhebt sich seine Darstellung der Vergangenheit unseres
Volkes zu einer bislang noch nie erreichten Universalität. Dabei hält er stets
den Blick auf das aüen Elnzelerscheinungen zugrunde liegende, gemeinsame
Substrat gerichtet: Wirlschafc, Recht, Verfassungsleben, Kunsi, Literamr er-
scheinen als Aeutzerungen desselben einheitlichen, seelischen Gesamtempfindens,
das einem Zeitalter eignet. Jn der Schilderung dieses Gesamttypus und seiner
Entsaltung auf den geschlchttlchen Lebensgebieten bewährt er sich als groher
Meister. Elf Bände liegen bislang von Lamprechts Werk vor- Abgeschlossen ist
dte — vorausgenommene — dreibändige Analyse der jüngsten Vergangenheit,
der Kultur der „Reizsamkeit" (1. Band: Das moderne Geistesleben; 2. Band:
Die wirtschaftliche Kultur unserer Zeit, mit grohartigen Rückblicken auf die
Wirtschaftsstufen früherer Perioden; 3. Band: Jnnere und äutzere Politik).
Die übrigen Bände behandeln die Zeit bis 1648. Neu herausgekommen sind
im letzten Jahre der sechste Band und die erste Hälfte des siebemen, in denen
die Kultur des 17. und dre erste Hälfte des 18. Iahrhunderts geschildert wird.

Jn der neueren Zeit sind die Ergebnisse kulturgeschichtlicher Forschung auch
in einer Rsihe witklich guter Verössentlichungen einem weiteren Kreise Ge-
bildeter zugänglich gemachl worden. Zu ihnen rechne ich Meyers „DeutscheS
Volkstum"' und eine im Erschetnen begrifsene „Geschichte der deutschen Kultur^
von Steinhausen; beide Werke stnd durch reichsn Bilderfchmuck ausge-
zeichnet. Steinhausen ist auch der Herausgeber der im Verlage von Diederichs
erscheinenden, sehr verdienstlichen kulturgeschichtlichen Monographieen. Bis jetzt
sind von ihnen erschienen: »Der Soldat* von Liebe, „Der Kaufmann" von
Steinhausen, »Der Arzr"' von Peters, ,Der Richter" von Heine-
mann, .Kinderleben" von Boesch, „Der Bauer" von A d. Bartels,
„Der Gelehrte" von Reicke, ^Der Handwerker" von E. Mummenhoff,
„Lehrer und Unterrichtswesen" von Reicke und Th. Hampe: .Fahrende Leute".
Wir wiederholen an dieser Stelle den Wunsch, dah jede einzelne Mono-

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