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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 18,1.1904-1905

DOI Heft:
Heft 5 (1. Dezemberheft 1904)
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Dresdner, Albert: Das Kaiser Friedrich-Museum und seine Kritiker
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https://doi.org/10.11588/diglit.8192#0402

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Quattrocento bietet von dieser Kunst ein geradezu großartiges Bild
von geschlossener und überaus prächtiger Wirkung. Ueber die
Aufstellung der herrlichen Altartafeln der Brüder van Eyck, die
jetzt in einem kleineren Raum Platz gefunden haben, sind die Mei-
nungen geteilt; ich meinerseits finde, daß sie hier günstiger wirken,
als früher in dem großen Saale, weil doch auch bei diesem groß-
artigsten Werke der älteren nordischen Malerei die Jntimität des
Stils die Monumentalität überwiegt. Was die Frage der Wandbespan-
nungen angeht, so ist es unmöglich, jedem einzelnen Bilde den Hinter-
grund zu geben, der dafür am besten paßte, und auch die Wahl
einer besonderen Wandbespannung für jeden einzelnen Raum würde
sich nicht empfehlen, da dadurch eine unruhige Buntscheckigkeit in die
Gesamtwirkung der Räume kommen würde. Jch habe gefunden, daß
im ganzen und großen die Werke auf den gewählten Bezügen sehr gut,
viele selbst vorzüglich zur Geltung kommen; ob in dieser Hinsicht
sich Einzelnes noch besser machen läßt, das kann allein die Erfahrung
lehren.

Am erfreulichsten aber ist es, daß der ganze Geist, in dem die
Aufstellung der Werke vorgenommen worden ist, durchaus frei von
Pedanterie ist. Man hat jedes Schema vermieden. Man ist von der
starren Regel abgegangen, daß Gemälde und Skulpturen, jede Klasse
hübsch für sich und gesondert, aufzustellen seien. Der vielleicht von
Michelangelo stammende Giovannino und die dekorativen Porträt-
büsten des Alessandro Vittoria leisten den Gemälden der florentinischen
Hochrenaissance eine sehr glückliche Gesellschaft. Ein srisches Robbia-
Relies schmückt ein Kabinett von Gemälden der Frührenaissance. Die
lange Reihe der Säle der italienischen Malerei unterbrechen die Stein-
plastik, die Bronzen und die Plaketten der italienischen Renaissance
in erwünschter Weise. Am freiesten ist man in dieser Hinsicht in der
Abteilung für altdeutsche Kunst verfahren, wo man die köstlichen alten
deutschen Holzskulpturen, die ältesten deutschen Erzeugnisse der Malerei
und alte Glasfenster zwanglos vereinigt hat. Wenn nun hiervon ein
Mann, dessen Legitimation, über öfsentliche bedeutende Angelegen-
heiten das Wort zu ergreifen, allerdings wiederholt mit Nachdruck
bestritten worden ist, sagt: „Ein das Museum zur Zerstreuung besuchen-
des Publikum mag seine Lust an derartigen »malerischen« Arrange-
ments haben, — dem ernsten Studium sind sie hinderlich", so muß
man doch sagen, daß dieser Mann von ernsten Studien in Kunstdingen
unmöglich Bescheid wissen kann. Sind denn diese Erzeugnisse in ihrer
geschichtlichen Vergangenheit nicht gemeinsam, zuweilen selbst von
denselben Künstlern, geschaffen worden? Haben sie nicht in Kirchen
und Kapellen vereint gewirkt? Erklären sie sich nicht einander? Wie
kann es dann unangemessen sein, sie auch hier zu vereinigen! Das
ernste Studium wird vielmehr gerade durch diese Anordnung, die das
lebendige Jneinander des alten deutschen Kunstschaffens auf ver-
schiedenen wichtigen Gebieten anschaulich vor Augen stellt, in höchst
willkommener Weise gefördert.

Wir leiden in unserm ösfentlichen Leben unter dem Drucke einer
pedantischen Bureaukratie. Da haben wir nun eine Schöpsung, die
gottlob von diesem Geiste frei ist; und so erfahren wir denn, daß das

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