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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 18,1.1904-1905

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Heft 5 (1. Dezemberheft 1904)
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Dresdner, Albert: Das Kaiser Friedrich-Museum und seine Kritiker
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https://doi.org/10.11588/diglit.8192#0403

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Verdienst dieser Schöpfung wieder doch nicht verstanden wird. Spricht
doch selbst einer der einsichtigsten und originellsten Berliner Kritiker
sein Bedauern darüber aus, daß die kostbare Sammlung persischer
Teppiche, die Geheimrat Bode dem Mnseum als Patengeschenk verehrt
hat, hier ihren Platz gefunden habe, da sie doch ins Kunstgewerbe-
Museum gehöre. Welche Pedanterie! Mögen sich die Museen ihre
Schätze untereinander teilen, wie sie wollen; dem Knnstfreunde kann
es nur erwünscht sein, wenn er das Kunstschaffen der Zeiten, das ja
doch nur Eins ist und sich nicht nach Etiketten nnd Schubläden ent-
wickelt hat, in lebendiger Vereinigung zusammen findet. So ist auch
gesagt worden, jene Tempelmauern von Mschatta, die der Sultan dem
Kaiser jüngst geschenkt hat, die ein höchst merkwürdiges, ja unschätz-
bares Werk der orientalischen Kunst bilden und in der Geschichte ihre
ganz besondere Stellung einnehmen, geüörten nicht in ein Museum.
Wohin gehören sie denn sonst? Wie sollen sie denn sonst der Betrach-
tung und Forschung zugänglich gemacht werden, wenn nicht in einem
Museum?

Die Ausstellungsräume selbst sind fast durchweg in einfachen
Formen gehalten und gut belichtet. Da hören wir nun, daß an der
Ausstattung der Säle und Kabinette gespart worden sein soll, die
dem Bauwerke durch ihren Jnhalt überhaupt erst den Daseinsgrund
gegeben haben. Meines Erachtens erfüllen Ausstellungssäle dann ihren
Zweck, wenn sie in vornehmen Formen gehalten, gut beleuchtet, übrigens
aber so zurückhaltend und bescheiden gestaltet sind, daß sie nur als
Rahmen für die Schätze dienen, die sie beherbergen; nnd diese An-
sorderungen erfüllen die Ausstellungssäle des Kaiser Friedrich-Museums
in ihrer großen Mehrzahl. Hätte man eine üppige und pikante Aus-
stattung dieser Säle, die die Kunstwerke beeinträchtigt haben würde,
vielleicht vorgezogen? Hätte man dann nicht jene oft erhobene An-
klage wiederholt, daß die preußisch-berlinische Kunst sich in protzen-
hafter Schaustellung von Schmuck und Reichtum gefalle?

Durch alle Ausstellungsräume sind Erzeugnisse der Architektur,
des Kunstgewerbes und der dekorativen Kunst verteilt, die die Räume
beleben und zugleich die Aufmerksamkeit auf die Verbindung der ver-
schiedenen Künste, auf den gemeinsamen Geist, dem sie entsprungen
sind, hinführen. So sieht man schöne alte Portalumrahmungen, hier
und da einen alten Kamin, zahlreiche herrliche Stücke alten Mobiliars,
Gestühl, Bänke, Schränke, Truhen; ein Kabinett zieren zwei schöne
Türen aus dem alten Medici-Palaste in Florenz, ein anderes ist durch
ein dekoratives Deckengemälde des Paolo Veronese geschmückt. Auch
diese Anordnung ist den Vorwürfen nicht entgangen. Man hätte mehr
gewünscht; man hätte gewünscht, daß die Räume in reicherer Weise
zu stilgerechten Zimmern der betreffenden Perioden ausgestaltet worden
wären. Wozu kämpfen wir nun seit zwanzig Jahren für die Ehrlich-
keit in Kunstdingen? Wenn wir verlangen, daß ein Stuhl sich als
ein Stuhl und eine Tünchmauer als eine Tünchmauer darstelle, soll
denn dann nicht ein Museum sich auch als ein Museum darstellen?
Jn einem Museum soll die Aufmerksamkeit jeweils auf bestimmte
Gruppen von Kunstwerken konzentriert, aber sie soll nicht zerstreut
werden; und sie würde zerstreut werden, wenn man sich in einem



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