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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 18,1.1904-1905

DOI Heft:
Heft 5 (1. Dezemberheft 1904)
DOI Artikel:
Dresdner, Albert: Das Kaiser Friedrich-Museum und seine Kritiker
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https://doi.org/10.11588/diglit.8192#0405

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mehr, daß einem wahrhaft originellen Künstler sich hier eine überaus
ssmnkbare Aufgabe bot. Wir möchten uns die langen Wasserfronten
in Fassaden von großer, ruhiger und einfacher Formengebung denken,
deren Wirkung nur in der Macht und Schönheit der Verhältnisse
läge; und die architektonische Ausgestaltung des Abschlusses des Ge-
häudes gegen die Jnselspitze hin bietet Gelegenheit zu einem dekora-
tiven Architekturwerke größten Stils, wobei, wie ich schon an anderer
Stelle im Kunstwart andeutete, der Einbau eines Triumphbogens als
Platz für das Kaiser Friedrich-Denkmal vielleicht als wirkungsvolles
Motiv zu verwenden gewesen wäre. Nun hat man für das Museum
wieder einmal einen historischen Stil, und zwar den des Schlüterschen
Barocks, gewählt. Es ist unbekannt, inwieweit der Baumeister, Ge-
heimrat Jhne, hierbei vielleicht gebundene Marschroute hatte; aber
man macht ihn für die Architektur verantwortlich und muß ihn schließ-
lich dasür verantwortlich machen. Sein Bau zeigt eine sehr gediegene
geschichtliche Kenntnis unü technische Gewandtheit und Sicherheit;
aber er entbehrt des eigentlich künstlerischen, des schöpferischen Cha-
rakters. Was ein Mann, der nicht nur ein tüchtiger Baumeister, son-
dern auch ein schöpserischer Künstler war, selbst unter Anknüpfung an
geschichtliche Stile, aus einer solchen Aufgabe machen konnte, das
zeigt der nahegelegene Bau des Alten Museums, aus dessen majestä-
tischer Säulenhalle der Geist der Weihe auf den Besucher sogleich
übergeht. Diese Weihe fehlt dem Jhneschen Bauwerk. Es ist billig
anzuerkennen, daß der Barockstil daran mit Maß und auch mit Ge-
schmack verwandt worden ist, und daß das Gebäude im ganzen den
Stempel der Würde trägt; aber der Zug des Schöpferischen und
Charaktervollen geht ihm ab. Dazu kommt, daß die Kuppeln, durch
die es an den beiden Abschlüssen gekrönt ist, der sinnlichen Schönheit
-entbehren, und damit im Grunde auch überhaupt der künstlerischen
Daseinsberechtigung. Denn wenn ein gewaltiger Rustika-Bau, wie der
Pitti-Palast in Florenz, den Geist des Urgebirgs in den Formen der
Kunst ausdrückt und eine Flucht von Säulenstämmen uns an die
stille Heiligkeit des Waldes erinnert, so hat der Mensch im Kuppelbau,
bewußt oder unbewußt, die Schönheit des Firmaments wiederholen
oder neu bilden wollen. Eine Kuppel, in der von dieser Schönheit
nichts lebt, wird ein leerer Zierat.

Glücklicher hat sich der Architekt im Jnnern bewährt. Ja, hier
hat er sogar wirklich originelle Raumgedanken entwickelt. Denn erst-
lich war es ein glücklicher Gedanke, die Schwierigkeit des sehr unregel-
müßigen Grundrisses des Gebäudes dadurch zu überwinden, daß man
ihm eine Zentralachse dekorativer Räume gab. Und sodann ist auch
die vielgenannte Basilika, obgleich sie nicht in jeder Hinsicht glücklich
ausgeführt ist, doch an sich eine ansprechende Schöpfung, indem dem
Beschauer hierdurch ein Orientierungspunkt und zugleich eine Ruhe-
stätte geboten ist, an der er sich von ermüdender Wanderung immer
wieder erholen kann. Daß die kleinere Kuppelhalle ein glückliches
Werk ist, wird fast allgemein anerkannt; die größere ist akademisch
und wirkt daher etwas frostig, doch auch hier ist der Charakter der
Würde nicht zu verkennen.

Mag man aber über die Architektur denken wie man wolle, mag



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