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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 18,1.1904-1905

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Heft 5 (1. Dezemberheft 1904)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.8192#0430

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Diteratur

^

auf seinem Gebiete verfügen muß —
auf tiefem, nicht etwa auf be-
sonders ausgedehntem, lexikalischem
Wisseu. Das Talent entbehrt der
höheren Grade der Phantasie. Es
hat vor allem großes Jnteresse und
reiches Wissen, oft mit hervorragen-
dem Gedächtnis und dementsprechen-
der Rezeptivität gepaart, von großer
Fähigkeit der Aneignung und der
Nachahmung.

Wenn man dem Drängen der
Hygieniker und vieler Schulmänner
nachgibt und täglich statt füns nur
vier wissenschaftliche Stunden in un-
seren Mittelschulen ansetzt, so sind
in Berlin heute ohne dauernde Neu-
belastung des Bndgets drei solcher
Schulen möglich (jede würde jährlich
sOOOOO bis ^20000 Mk. erfordern),
in ganz Preußen 25. Schon zehn
davon würden uns einen ununter-
brochenen Besitz von wenigstens 5000
vorzüglich ausgebildeten Männern
hervorragender Veranlagung gewähr-
leisten und schon so die Reform
durch Verkürzung der Stundenzahl
in allen Mittelschulen rechtfertigen.

Jn Unter-Sekunda würde bereits
das Pensum der heutigen Prima
erledigt werden. Jn den drei oberen
Klassen (j5. bis sZ.Lebensjahr) wünscht
Petzoldt nur eine bis zwei Stunden
täglich allgemeinverbindlichen wissen-
schastlichen Unterrichtes, in den wei-
teren zwei bis drei Stunden aber
weitgehende Differenziernng nach be-
sonderen wissenschaftlichen, künstleri-
schen und praktischen Richtungen.

Wir sind auf die Erörterung dieses
Vorschlages in den Fachblättern ge-
spannt.

G Mit Hans Hopfen ist wieder
einer derer vom „Krokodil" gestor-
ben, wieder einer aus dem alten
„Münchner" Kreise und wieder einer
von denen, über die das große Publi-
kum ganz anders dachte, als der
kleine Kreis der „engeren" Literatur-
freunde. Das große Publikum kannte

Hopfen nur als Romanschriftsteller,
sreute sich seiner bunten Erfindungs-
gabe, lächelte mit bei seinem guten
Humore und fragte nicht gar zu
genau danach, ob die einzelnen Gaben
mehr oder weniger gediegen waren.
Der Literaturkenner dagegen ver-
weilte gerade bei Hopfens Romanen
nicht allzu lange, wenn er sie gleich
mit Respekt als durchaus „bessere"
Unterhaltnngslektüre anerkannte. Er
griff noch lieber zu der lustigen
Literatursatire in Versen vom „Pin-
sel Mings", am liebsten aber zu
Hopfens „Gedichten". Balladen wie
die „Sendlinger Bauernschlacht", so-
ziale Hymnen, wie die „Not", Ge-
dichte von einer realistischen Kraft
wie die „Vagabnnden" — wer von
den Lebenden hat dergleichen ge-
schrieben und wer zumal schon vor
Jahrzehnten? Mit Gedichten wie den
zwei letztgenannten war Hopfen ein
Vorläuser der Modernen, und in
mancher Beziehung hat deren Lyrik
ihn nur hier und da einmal erreicht.
Diese Schöpfungen sind's, die des
Verstorbenen Namen ganz sicherlich
noch ein gutes Stück in die Zukunst
hineintragen werden. Wir müßten
sie in unsern Losen Blättern ab-
drucken, wenn sie nicht, gottlob, schon
in allen besseren Anthologieen stän-
den.

G Goethe-Ausgaben

Als die Rede einmal auf Goethe
kam, meinte einer: er wisse eine
neue Perspektive für die Betrachtung
dieses Einzigen unter den Großen:
man solle nur einmal zusammen-
rechnen, was er, er ganz allein durch
die wirkende Kraft seines Geistes
an rein äußerlich wahrzunehmender
Wirksamkeit ermöglicht habe. All die
Schreiber, Setzer und Drucker seiner
Werke, auch „der Mensch, der diese
Bücher bindet", wie es im Studen-
tenliede heißt, der Buchhändler, der
sie vertreibt, der Redakteur, der Re-
zensent, der Philologe, der tz»istoriker,

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