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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 18,1.1904-1905

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Heft 6 (2. Dezemberheft 1904)
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Avenarius, Ferdinand: Vom Schenken: ein Strauß Binsenweisheiten
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https://doi.org/10.11588/diglit.8192#0456

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diesem Flittergold-,,Künstlerischen" an sich hat, und ganze Jndustrieen
bauen sich auf diesem Flugsande auf. Wer hat schon den Geistesver-
worrenen gesehn, der sich z. B. ein typisches „Prachtwerk" selber
gekauft hätte? Sollten aber wir Herren der Schöpsung vermeinen,
Glitzerkram verehre man immerhin nur Damen, so möcht' ich ihm
wieder ein kleines Beispiel aus der Wirklichkeit erzählen. Eine große
Sportgesellschaft wendet sich an einen, der im Rufe eines Kunstver-
ständigen steht, um Rat wegen schöner Preisgeschenke. Bei der näch-
sten Sitzung höchstes Erstaunen: Der Mann empfiehlt weder Skulp-
turen, noch Bilder, noch Prunkgeräte, sondern „Trieder-Binocles".
Seine Begründung: Es sei ja ein Sport zum Genuß der Natur,
durch solche Gläser könnten die Jnhaber nicht allein ihre Wettkämpfe
vortrefflich beobachten, sondern sie böten überhaupt vortreffliche Hilfs-
mittel zum Genusse der Gotteswelt. Einer vom Ausschuß wiegt den
Kops: Eigentlich habe der Mann schon recht, er wünsche sich so ein
Ding schon lange. Man spricht über die neuen Jnstrumente, alle
sind einig in ihrem Lob. Aber alle kommen doch überein: Solch
ein schwarzes Ding in Futteral „gibt nichts her," „sieht nach nichts
aus". Es werden vergoldete Pokale mit Baumelgehängen bestellt,
denn die sind etwas „Künstlerisches".

Trieder sind teure Gegenstände, das aber, weshalb sie hier emp-
sohlen wurden, trifft auch von billigeren zu: Die Bermittelung von
Freude an der Natur. Jst es nicht wunderlich, daß sich fast all
unser Schenken von Naturgegenständen auf ein einziges Gebiet be-
schränkt, auf „Blumen"? Gerade wir halten vom Pslanzenzüchten
mit seinen mannigsachen Anregungen besonders viel, aber Topfge-
wächse spielen beim Schenken schon eine kleinere Rolle als Sträuße,
und ist denn mit Pslanzen die Gotteswelt erschöpst? Wie selten
schenkt einer statt eines Blumenstraußes, der obendrein schnell ver-
welkt, einmal einen Schmetterling oder eine Muschel, wie deren so
viele an Schönheit den edelsten Blumen doch wahrlich nichts nach-
geben! „Wir sollten das Vertilgen von schönen Tieren nicht sör-
dern", wohl, dieses Bedenken gilt. Aber warum nicht einen schönen
Kristall, aus dem der Zauber der Berge glänzt, oder ein Stück
Bernstein, das etwa noch einen uralten Lebensrest goldig bewahrt,
oder einen Stein, dessen Schlisf mit Bändern und Spitzen wie der
Widerschein des Nordlichtes an einem kleinen Märchenhimmel glänzt?
Das sind auch Geschenke, die jeden Künstler erfreuen, weil sie ihm
Auge und Phantasie nicht mit Fertigem binden, sondern mit edelstem
Rohstoffe erregen. Freilich, all das ist nicht gleich an nächster Straße
zu beschaffen, die Nachfrage danach ift zu gering, und der bescheidene
Handel ist aus naturgeschichtliches Jnteresse, nicht auf ästhetisches ein-
gerichtet. Und mehr noch gilt das von einer Gruppe von Natur-
gegenständen, deren Schönheitsernst vom großen Publikum noch gar
nicht entdeckt ist, von — ja, man erschrecke nicht — von Tiergerippen
und Schädeln. Es muß schon mancherlei weggeräumt haben, wer
sich zum Genuß ihrer Schönheit einstellen kann. „Tod", „Leiche",
„Verwesung" — prr und hu — eine Menge unlustvoller Assoziationen
gruseln uns zunächst vor dem Blick. Hat er sich freigemacht, so erkennt
er doch im Geripp den im räumlichen wie im geistigen Sinne inner-



2. Dezemberheft

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