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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 18,1.1904-1905

DOI Heft:
Heft 7 (1. Januarheft 1905)
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Batka, Richard: Peter Cornelius
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https://doi.org/10.11588/diglit.8192#0522

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schule Schunke, das ist für die „Neudeutschen" Peter Cornelius ge-
worden, obwohl er keineswegs in so jungen Jahren starb wie jene.
Aber das Bild, das wir Jüngeren von seinen Zeitgenossen über-
kommen haben, hat die zärtlichste Pietät, die liebevollste Sympathie
mit dem weichsten Pinsel gemalt. Tiefer, als wenn es unsern gewalti-
gen Großmeistern gälte, verletzt uns jedes unfreundliche Wort, das
dem Wirken des edlen Künstlers etwa nachtönt. Doppelt beglückt
empfinden wir, was ihm glückte, und möchten mit der unwillkür-
lichen Regung einer sorgsamen Mutter über das, was ihm etwa miß-
lang, die schützenden Hände breiten.

So lebt Cornelius fort, so wird er fortleben, wenn auch die Kennt-
nis seiner Werke sich mittlerweile natürlich verbreitet hat und er jetzt
auch nicht mehr als das Nesthäkchen der herrschenden Musikpartei
betreut und gehätschelt zu werden braucht. Denn auch die Tradition
ist eine mächtige Göttin. Von dem, was er in Tönen geschasfen, lebt
eine Anzahl seiner Lieder, Duetten nnd Chöre wohl als nnvergäng-
liches Besitztum deutscher Tonlyrik fort, ebenso wie der „Barbier von
Bagdad" von unsern besseren Bühnen niemals ganz verschwinden
dürfte. Aus allen diesen Werken spricht — kein Vollblutmusiker zwar,
aber ein ganzer Künstler, eine auf sich selbst gestellte Natur, ein Poet
in leisen, aber echten Tönen, dem die Fülle der Empfindung und
Erfindung nicht in rauschenden Strömen sich ergoß, sondern wie durch
seine Poren aus dem Herzen drang, immer mit einem Zuschuß von
Reflexion. Wie er als Wortdichter kein Dichter der inneren An-
schauung war und gern einer spielerischen Neigung zu allerhand
Vers- und Reimkünsteleien nachgab, so hat er zuweilen auch als Musi-
ker die Glut der Jnspiration nachher in den Erwägungen eines sin-
nierenden Kunstverstandes abgekühlt. Mit seinem zurückhaltenden,
seinen „aristokratischen" Wesen schien er bestimmt, das demokratische,
in pathetischer Rede an das Volk sich wendende Wirken seines großen
Freundes Richard Wagner zu ergänzen, als dessen bloßer „Trabant"
er der slüchtig urteilenden Welt erschien. Wer näher zusah, erkannte,
daß die beiden einander menschlich so nahestehenden Meister als Künstler
doch mehr trenne als bloß der Unterschied zwischen Talent und Genie.
Sie waren jeder von besonderer Art. Und die Tragik in Cornelius'
Leben bestand darin, daß die stärkere und weitere Persönlichkeit
Richard Wagners die seinige schließlich übermannte. Er verlor an seiner
schönen Selbständigkeit, indem ihn Wagners Vorbild immer mehr aus
das dramatische Gebiet hindrängte, und indem Wagners musikalische
Ausdrucksweise immer mehr Einsluß aus die seine gewann. Die uns
soeben erschlossenen Briese lehren, daß er diese Gesahr rechtzeitig
erkannte, daß er sich kräftig und tapfer dagegen wehrte und sich von
Zeit zu Zeit auch immer wieder zur Freiheit durchkämpste.

Cornelius war kein Dramatiker, trotzdem eine unbezwingliche
Leidenschaft ihn immer wieder ins Bereich der Oper lockte, trotzdem er
in seinem „Barbier" eines der köstlichsten musikalischen Bühnenspiele
geschrieben hat. Jch persönlich gestehe, daß keine zweite Opernszene in
mir ein so wohliges Glücksgefühl auszulösen vermag, wie das Salem-
aleikumfinale. Aber diese und alle anderen Entzückungen des Werkes
sind rein lyrischer bezw. humoristischer Art, und unser Wohlgefallen

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