Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 18,1.1904-1905

DOI Heft:
Heft 7 (1. Januarheft 1905)
DOI Artikel:
Lose Blätter
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.8192#0537

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
logisch faßte. Aber wie unzivilisiert laut bei Spitteler geheult und ge-
jauchzt wird, er selbst steht daneben in gesundest ruhiger Festigkeit, wie
der Führer, der dem Fremden die Hand zum Schritte über den Schlund
mit einem gelassenen Scherzwort reicht. Was er uns zeigt, zeigt er halt,
weil's er's sieht; war' es nicht, säh er's nicht; ist es aber, so gilt es:
damit sich abzufinden, deun das ist das Männliche und das Männliche ist
die Kraft. An Jdeengehalt steckt genug in dem Werk, um zwöls neumodische
^ Höhendichtungen für ihre weitesten Kunstflüge zu verproviantieren. Will's
der Leser, kann er aus unsern Proben schon einen Kofser voll Jdeen
heimtragen. Aber ich hoffe, er will's nicht. Denn eine Dichtung ist doch
wohl keine Lernuhr zum Auseinandernehmen, sondern ein Lebewesen, das
beim Anschneiden schreit und beim Zerstückeln stirbt. Daß das Abstrakte
konkret ward, das schuf die Dichtung — eine zweckvolle Tätigkeit, dann
wieder vom Konkreten das Abstrakte zu abstrahieren!

Auch über den sonstigen „Jnhalt" des „Olympischen Frühlings" mag
ich nicht viel sagen. Zeus, Hera, Apoll, Ananke, lauter bekannte Namen.
Aber Ananke ist hier ein männliches Wesen, ist hier der Welttyrann Not-
wendigkeit, und auch sonst suche der Leser hinter den bekannten Namen
die altbekannten Herrschasten nicht. Es sind alles nur Vettern und Basen
von ihnen aus Wahlverwandtschast her, und oft stimmt nur ein einziger
wenn schon wichtiger Familienzug. Die Handlung? Es ist wieder ein
Weltjahr herum, Ananke stürzt Kronos und die Seinen zum Erebos, und
Hades weckt das drunten gefangene Geschlecht zur Höhenreise aus den Olymp,
wo Hera, die jungfräuliche Amazonenkönigin, erworben werden soll vom
Besten. Aber nicht der gewinnt die Herrschaft, sondern durch Hinterlist
und Trug tut es Zeus, das Schicksal will es so, und die grollende Hera
ergibt sich. Nun sind die Sturmtage des olympischen Frühlings verbraust,
blaues Glück sinkt über Götter und Welt, dies nützen sie zu Schabernack
oder .Heldentat. Zeus hat, an Heras Seite, von seinem Herrschertum nicht
viel, er grollt mit Menschen und Göttern, die Gattin auch, und selbst

als Zeus endlich in Herakles einen Mann gesunden, wird's nicht viel besser.
Resignieren, heißt es zum bitterbös süßsäuerlichen Schlusse auch auf dem
heiligen Olymp, und die Zeit so lustig vertreiben, wie's angehen mag.

Unsre Proben wollen nicht etwa den Verlaus dieser Historia begleiten,
sondern die Art des Gedichtes und des Dichters mit ein paar bezeich-
nenden Stücken andeuten — zu ihrer Vermehrung seien die älteren Leser
noch an die vor vierthalb Jahren gebrachten (Kw. XIII, stj) erinnert. Wir
erösfnen mit einem Stück aus dem eben erschienenen letzten Teil, dem
Gange der von ihrem srüheren Bewerber Apoll nun zurückgewiesenen Hera
nach dem „Enthosfnungsberg" mit dem „Automaten" — einem grausligen
und grausigen Stück von dantisch anschaulicher Symbolisierkraft. Dann

mögen allerlei Fragmente folgen, düsterer und heiterer Art, des Dichters
„Hand zu weisen". Den Abschluß aber bilde jener Sonnen-Gesang „Apoll
der Entdecker", von dem Weingartner meint, er sei „nur den allerhöchsten
Erzeugnissen der Weltliteratur an die Seite zn stellen".

Das Buch ist bei Eugen Diederichs in Jena erschienen. Jeder seiner

vier Bände ist ungebunden sür 2 Mk. 50 Pf. auch einzeln zu kaufen. A

*

49v Runstwart XVIII, 7
 
Annotationen