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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 18,1.1904-1905

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Heft 10 (2. Februarheft 1905)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.8192#0765

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noch immer das, dem Gottfried Kel-
ler vor fünfzig Jahren die Schelle
feines Spottverses anband: „Groh-
stadt werden", der großstädtische „An-
strich", der ein noch größerer Schwin-
del und eine würdslosere Sache ist,
als die echt imitierte Saloneiche des
Bazars!

Jn anderen Städten hilft jetzt
die Erwägung von Kellers letzter
Zeile „Und keinsr sieht das Nest
mehr an!" zum Besseren. Die öko-
nomischen Motive der „Hebung des
Fremdenverkehrs" erhalten heute
rundum im Lande sicherer die alte
Schönheit am Leben als die Freude,
die der Einheimische haben könnte,
wenn ihm die Sache ausgegangen
wäre. Ja, diese Motive sind es
auch vor allem, die z. B. den Putz
von alten schönen Fachwerkbauten
entfernen und sogar — wie in Ein-
beck — zur Beseitigung neuerer Stö-
rensriede führen. Solche Denk-
m a l s p f l e g e gedanken haben wohl
in dem seitab gelegenen Stendal
noch keinen Kvrs. Aber auch die
H e i m a t s ch u tz gedanken sind dort
Fremdlinge. Anderswo türmt man
schon künstlich Hügel, um im Häu-
sergewirr Abwechslung und Ruhe-
punkte zu haben, hier wird man
das organisch Gewordene und noch
lebendig Brauchbare zerstören und
abtragen, aus daß die Nachkommen
dereinst sagen können: o, wie waren
doch unsrer Väter Ohren lang!

Lar! Nleißnsr

<A Jn Sachen der „Türmer-
Polemik"

und ihrer letzten acht Seiten gegen
mich werde ich immer wieder ge-
beten, die Lienhardschen Angrifse un-
beachtet zu lassen, sie könnten ja
doch keinen Menschen anfechten, der
mich und den Kunstwart kennt. Das
bezweisle ich auch nicht, aber nicht
alle gerade die, welche im „Türmer"
lesen, kennen auch den „Kunst-

wart" und mich, und wer in
seinem Volk in die Tiefen wirken
will, dessen Ehre verträgt nicht ein
Körnchen Staub. Uebrigens habe
ich schon gewartet: Lienhard hat
Zeit gehabt, zu widerrusen, nachdem
er aus dem vorletzten Kunstwart-
hefte gesehen hat, wie einsach sich die
Tatsachen aus anständige Weise er-
klären lassen. Er hat seiner Ver-
pslichtung bis jetzt nicht genügt.
Sei's drum, ich will mich noch eine
Weile gedulden. Jch sordere Lien-
hard hierdurch ausdrücklich auf, scine
persönliche Verdächtigung gegen mich
zurückzunehmen und dadurch sich und
mir das Weitere zu ersparen. Jhm
einen langen Termin zu stellen, hab'
ich keinen Grund, aber bis er Ge-
legenheit zum Sprechen gehabt hat,
werde ich schweigen. A

Von neucn Jugend-
büchern

haben noch manche an das schon
geschlossene Tor des literarischen Rat-
gebers geklopft, die nur eben dar-
um, weil sie zu spät anlangten,
nicht mehr hineinkommen konnten.
Ehe den Besten unter ihnen der
verdiente Platz im nächsten Rat-
geber wird, sollen sie hier will-
kommen geheißen sein. Das hat Sinn,
denn im Jahreslauf haben ja genau
so viel Kinder Geburtstage, wie Weih-
nachten feiern.

Da ist zunächst ein „Prutzel-
topf" (München, Albert Langen,
5 Mk.). „Auf dem Feuer blitzeblank
— Saß ein Prutzeltopf und sang":
was dem Kind geschieht, wenn's den
Brei nicht ißt; vom schlimmen Traum
der Annalies und was sie Graus-
liches und Schönes drin erlebt; wie
die Engel nachts zur Erde kommen,
um die Lichter in den Häusern zu
löschen; vom bösen Wassermann und
wie der brave Junge belohnt wird,
der die Vögel im Winter füttert.
Nach guter Struwelpeterart gibt's
immer eine kleine, unaufdringlichs

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Runftwart XVIII, s0
 
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