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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 18,1.1904-1905

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Heft 10 (2. Februarheft 1905)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.8192#0766

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Moral von der Geschichte, aber das
Beste sind doch die ganz kindermäßi-
gen und zngleich echten, oft fast großen
Phantasieanschauungen, die das Kind
aus den klaren und künstlerisch feinen
Bildern ernpfängt. Wilhelm Schulz,
der Malerdichter, der unter seinen
Simplizissimusgenossen oft wie ein
sanster Waldsänger zwischen scharf-
äugigen Raubvögeln und klugen
Krähen erscheint, gibt in diesem
Buche unbeeinflußt von seinem
Besten. — Und noch ein recht gutes
Bilderbuch ist mit „T r a r i Trara"
hinterdrein gekommen. Kleukens
hat die in Farbe und Form schön
deutlichen Bilder und Emil Milan
die Verse dazu gemacht. Beide treffen
ganz ausgezeichnet den Kinderton.
Die „Steglitzer Werkstatt"
aber versteht Bücher auszustatten —
und das ist immer noch etwas Sel-
tenes. — Vom neuen „Deutschen
Bilderbuch" (I. Scholz, Mainz, je
Mk. s.—) bringen fünf Hefte Dorn-
röschen, Hänsel und Gretel, Aschen-
puttel, Rotkäppchen und Marienkind
mit je acht Vollbildern, unter denen
mir in ihrer dramatischen Lebendig-
keit die von A. Schmidhammer am
besten, aber auch die von A. Münzer,
R. Scholz und Julius Diez gut ge-
sallen haben. Lefler und Urbans
„Marienkind" hat dagegen die stili-
sierten Wiener Wunderlichkeiten, die
nicht ohne ästhetischen Reiz aber kaum
etwas für Kinder sind. — Gutes
Material für das Beschäftigungsspiel
bringt der gleiche Verlag mit einem
„Malbuch". Die Hefte (zu je
Pfennigen) — zum Ausmalen
mittelst eines Zehn-Farben-Tuschka-
stens — beginnen mit einsachen Ge-
genständen und steigen über hübsche
Märchenhefte zum „Landschaftsma-
ler" empor, in dem Hans Thoma
das Kinderauge zum vereinfachten
Farbensehen in der Natur ungemein
glücklich anleitet. — Alte Schätze neu
gesaßt bringt das Ludwig Rich-

terbuch (G. Wigand, Leipzig), 62
Zeichnungen — und von seinen aller-
schönsten darunter — kosten hier nicht
mehr sechs oder acht, sondern drei
Mark. Wenn nur die neue Fassung
nicht gar so unzulänglich wäre! Jch
meine nicht die Ausstattung, die ist
solide, sondern die neuen faden und
süßlichen Geschichten und Reime, die
den edlen Kern umzuckern. — Das
„deutsche Kinderbuch" (A. Dürr,
Leipzig), das einst Georg Scherer
für den späteren Ludwig II. von
Bayern zusammengestellt hat, hat
sich über das gute halbe Jahrhundert
hin gehalten. Scherer gibt's nun als
alter Herr in einem Bande heraus
und zu Neureuther, Pletsch, Schwind
u. a. sind jetzt besonders mehr Bil-
der von Richter hineingetan. Dieses
„klassische Kinderbuch", wie es einst
Justinus Kerner nannte, war jeden-
salls eines der ersten künstlerisch
guten Bilderbücher, es ragt noch
immer über manche Niederungen
voller Pappendeckel und Buntdruck
heraus. Nur unter dem Volkstüm-
lichen seiner Verse scheint mir man-
ches etwas verlindert und verzier-
licht zu sein.

Zu einem guten billigen Märchen-
buch haben sich die Hamburger Arbei-
ter (Verein für Kunstpflege, M.d.DB.)
selber verholfen. Andersens Mär-
chen und Geschichten, vom Hambur-
ger Jugendschriften - Ausschusse ge-
wählt, gut gebunden, (60 Seiten
stark, (9 farbige Vollbilder unter-
schiedlichen Wertes von Eitner da-
zu, und der Preis — (.25, das heißt
für sie selbst und befreundete Ar-
beitervereine! Natürlich geht das nur
bei einer Auflage von (5000 Exem-
plaren und auch dann nur, wenn
die Beteiligten um der Sache willen
die Arbeit tun.

„Jn der Sprache der Achtjähri-
gen" erzählt Helene Otto „Sagen
und Märchen"; „in der Sprache
der Zehnjährigen" die Nibelun-

2. Februarheft (ft05 709
 
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