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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 18,1.1904-1905

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Heft 12 (2. Märzheft 1905)
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.8192#0897

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bereits einen schweren Stand in der Berliner Gesellschaft haben —, konnte
Jbsen, sag' ich, auf diese Thesen als Arkanum in Eheangelegenheiten (ach,
wie bequem wär' es, wenn man damit Ordnung in die Welt bringen könnte)
diesmal wenigstens verzichten, konnt' er sich entschließen, ohne zu seinen
Zauberformeln zu greifen, einfach auf dem alten hausbackenen Wege herz-
licher Liebe, die zuletzt mächtiger ist als aller Natur- und Höllenspuk und
besonders auch mächtiger als Freiwilligkeit, sreie Wahl und „unter Ver-
antwortung", konnte er sich entschließen, es mit dem Einfachsten, Natür-
lichsten und Bewährtesten, statt mit etwas Herausgeklügeltem, schließlich
durchaus Unwahrem und gewiß auch immer unwahr Bleibendem, weil sich
nichts im Leben auf solche six und fertigen Sätze zurückführen läßt —
zu versuchen, so hätten wir ein grandioses Stück gehabt.

*

Freilich ist es jetzt Mode geworden, bei dem bloßen Worte „Jdealität"
zu lachen. Aber was kommt dabei heraus? Ueberhandnahme jeder äußeren
und inneren Verwilderung. Entchristlicht ist die Welt bereits; entgöttert
man sie auch noch von dem, was nns die Griechen hinterließen, so werden
wundervolle Tage anbrechen. Jch mag sie nicht mehr sehen. Zu keiner
Zeit — ich bin alt genug, nm das zn wissen — ist die Weltgeschichte mit
Lavendel- und Rosenwasser gemacht worden; immer hat das äußerlich Grobe
den Tag bestimmt, aber das innerlich Feine bestimmte die Zeit. Und jede
Zeit hatte das Bedürsnis nach Gerechtigkeit, nach Ausgleich, nach Versöh-
nung. Das ist eine schöne Dreiheit, auf der sich die Tragödie aufbauen soll.
Wir wollen nicht füns Akte lang durch Blut waten, um schließlich den Trost
mit nach Hause zu nehmen, daß Tiberins sel. Erbe da sei, und mit frischem
Cäsarenwahnsinn das Geschäft fortzusetzen gedenke. Wir wollen wissen, daß
Fortinbras klirrend einrückt, und daß der wüste Skandal endlich ein Ende
nimmt. Selbst Richard III., in dem das „Kopf herunter" wie Morgen-
und Abendsegen mitklingt, entlüßt uns mit der Gewißheit, daß ein hellerer
Tag heraufzieht, nnd dem Streit der Friede und dem Fieber die Genesung
folgt. Nur hier lautet der Text: auf Tiberius folgt Calignla. Historisch
ist das richtig, poetisch ist es falsch.

Fräulein Frauenthal vom Residenztheater spielte die Phi-
lippine Welser. Sie könnte Augsburger heißen, aber eine Augsburgerin
ist sie nicht. Gerade deshalb nicht. Jch denke nicht so hoch vom Christlich-
Germanischen, daß ich nicht eine allerlebhafteste Wertschützung anderer Natio-
nalitäten hegen und pflegen könnte, aber wenn nun schon mal eine historische
oder dichterische Figur dargestellt werden soll, in Betreff deren das Blonde,
das Typisch-Germanische, das Deutsch-Jungsräuliche immer wieder und wieder
betont wird, so will ich nicht eine Künstlerin auftreten sehen, die in Hal-
tung und Gang, in Profil und Augenfarbe, vor allem aber in ihrer Stimme
das volle Gegenteil davon ausdrückt. Fräulein Frauenthal ist eine sehr
gefällige Bühnenerscheinung, gewandt und tout n knit eomms il knut, und
doch erschrak ich in dem Moment ihres Auftretens. So sehr war ich davon
durchdrungen, daß dies keine Welserin sei. Nun gibt es freiltch eine inner-
liche Macht, die sich schließlich alles nnterwirft, und von der ich in diesem
Falle sagen möchte: wenn das Herz nur blond ist; aber an dieser Macht
gebrach es.

-r-



8Zq.

Runstwart XVIII,
 
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