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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 18,1.1904-1905

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Heft 12 (2. Märzheft 1905)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.8192#0924

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den ein halbes Jahrhundert lang
das sinnverlassene Nachäffen städti-
scher Schablonen-Zivilisation ausge-
häuft hat, wieder den fruchtbaren
Boden der Ueberlieferung zu sinden,
diesen Boden, auf dern allein keim-
krästig etwas dauerhastes Neues in
der Sonne unsrer Tage wachsen
kann. Ganz ohne Ertrag, ja fast
ohne Versuch sind diese Bestrebnngen
ans dem Gebiete der Tracht, am
besten aber und kräftigsten setzen
sie bei dem ein, was der Landmann
ja auch nicht mit in die Stadt
nehmen kann, was ihn dort also
nicht geniert: bei seinem „weiteren
Kleid", dem Hause. Vereinzelte Be-
hörden wirken da schon mit mehr
oder minder geklärtem Wollen zum
Guten. Recht unterschiedlich und erst
neuerdings überhaupt in erfreu-
licher Richtung: die Posener An-
siedlungskommission, am ersprieß-
lichsten jedoch wohl sächsische Behör-
den, die nach des Oberbaurat Schmidt
Entwürfen jetzt ländliche Beamten-
häuser billiger und zugleich viel
traulicher bauen als früher. Von
den privaten Baukünstlern zeigen
neben tüchtigen anderem die Bauern-
hausentwürfe des Architekten Ernst
Kühn und sür das vornehmere Land-
haus die Bauten von Professor Paul
Schultze-Naumburg die klarste Einsicht
und das beste Gelingen. Sonst finden
wir doch noch häufig die spielerische
Freude am „Anbringen" der hüb-
schen heimischen alten Motive, auch
da wo sie nicht motiviert sind —
gerade den so gesund praktisch ge-
richteten Sinn des Landmanns wird
nicht ins Alte verliebte Schmuck-
freudigkeit, sondern nur die unbe-
dingte ganz aus dem Zweck gestal-
tende Sachlichkeit bezwingen, aus der
ja all üie alte Schönheit doch auch
erst ihre feste Würde empfängt.

Der Einwurf, daß alle diese Dinge
künstliche Pfropfreiser seien, für die
das entsprechende Bedürfnis nach Ver-

edelung im Volk nicht lebe, ist ein-
mal in feinem Relativfatz zu be-
streiten und im ganzen durch die
Gegenfrage zu erledigen, ob das
nicht noch viel mehr „Fremdkörper"
fei, was die Zeit her im Dorf
mispelartig gewuchert hat? Sehr zu
bedauern schien es mir, daß von den
„Hervorbringungen" diefer ländlichen
„Jetztzeit" im Maurermeister- und
Vorstadtgeschmack nicht einiges in der
Ausstellung zu einer Schreckenskam-
mer vereinigt war. MaH auch für
die Eingeweihten diese Methode etwas
Ermüdendes haben, das Unmittelbare
solchen Augenurteils im Vergleich
wäre gerade für die Mehrzahl der
ländlichen Besucher, die allem, was
hier gewollt und gelehrt wurde, doch
noch recht fern stand, von größtem
Eindruckswert gewesen.

Larl Meißner
M Teuer und billig

„Ja, ja, wir wollten schon besser
bauen — wenn es nur nicht mehr
kostete!" Es gibt keine Mäntelchen,
mit dem sich die Trägheit so gern
maskierte, wie mit dem. Denn
immer noch sind die Leute selten,
welche die Wahrheit durchschauen:
es gibt eine große Menge von Fällen,
in denen die Mehrkosten nur aus
dem Prunken und Putzen entstehen,
das Einfache aber kostet an sich
ganz sicher nicht mehr als das Ver-
zwickte, und innerhalb des Einfachen
fchön zu bauen, das erfordert wohl
einige geistige Gaben, aber keine
materiellen.

Vor einigen Jahren stellte sich's
in Sachsen heraus, daß tapfer ge-
spart werden müsse. Bei den Samm-
lungen hat das recht unerfreuliche
Folgen gehabt, aber beim Bauen
von Staats wegen hat es gar nichts
geschadet, wenn der rechte Mann
mitzureden hatte. Ein solcher z. B.
saß dort im Ministerium, wo über die
Regierungsbauten für ,',kleine" Forst-
beamte u. dergl. entschieden wird.

2. Märzheft sstOü 86t
 
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