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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 45.1931-1932

DOI Heft:
Heft 1 (Oktoberheft 1931)
DOI Artikel:
Rinn, Hermann: Vom Sinn einer Zeitschrift
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https://doi.org/10.11588/diglit.8819#0022

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Willen, schweigendem OpfermuL, gesundem InslinkL und natürlichem Denken
zum Teufel gehL, oder eben gerade dadnrch verLrieben wird. Was ist der
denLsche Mensch in der unendlichen FaceLLierung dieser PubliziLäL? Eine
KarikaLur seiner selbst! Das deuLsche Volk im Zerrspiegel dieser Farce?
Ein unförmiges Tier, das man je nach GuLdünken für dumm oder gesährlich
hälL, streichelL oder per'LschL, gewissenlos beruhigt oder miL verbrecherischen
Täuschungen beschwindelL. Diese Tyrannis des unabsehbaren Geschwätzes,
der Salbaderei, UnkennLnis, UnverläßlichkeiL und BeranLworLungslosigkeiL
erinnerL unwillkürlich an die AnLwort HamleLs aus die Frage des Königs:
wie der VeLLer HamleL lebe — „Vortrestlich, mein Treu: von dem Chamä-
leonsgerichL. Ich esse LufL, ich werde miL Versprechungen gestopsL: man
kann Kapannen nichL besser süLLern." Woraus denn der König zu erwidern
haL: „Ich habe miL dieser ÄntworL nichts zu schasten."

Publizist sein heißt: sich es etwas kosten lassen, für sein WorL hasten, heißL:
daß der Mann sür sich und das Ganze stehe, im Ganzen und ins Ganze
lebe, daß aber mißverstandene FreiheiL, subjektive VelleiLäLen, Demagogie
und — Geschäst miL östentlichem Geist nichts zu schasten haben, sondern sein
eigentlicher Feind sind, besonders dann, wenn es daraus ankommL, daß über
nichts hinweggelogen, keine VeranLworLung abgeschoben werden darf und
jeder Einzelne an seinem Teil, an seinem Vermögen gemeinL und aufgefor-
derL ist, sein Bestes für das Ganze zu geben. Denn daran sind wir, daß
es um Würde, Rang und schon um die Existenz dieses Ganzen, der RkaLion
gehL und daß ihre leHLen geistigen, siLLlichen und materiellen Reserven her-
angezogen werden müssen.

Was also kann der Sinn einer ZeiLschrifL sein? Eben der: sich sernzuhalten
von dem immer mammuLartigeren und vielsach in Selbstzweck und unabseh-
bares geistloses Spezialistenkum ausartenden wissenschaftlichen Betrieb wie
von der demagogischen MassenhastigkeiL, dem Aberglauben und dem Fehl-
denken der ZeiL. Llbstand gewinnen von der groben, maßlosen AkLnaliLäL
hier wie von der lebenssremden SelbstherrlichkeiL dorL, von der Mechanisie-
rung, Technisierung nnd VereinseiLigung aus beiden SeiLen. Wirken gegen
die EnLwerLung des WorLes wie gegen die Verwirrnng der Maßstäbe. 2lr-
beiten im Sinne der Besinnung, der SichLung und Sammlung, der Ber-
anLwortlichkeiL des Geisteslebens, einer produktiven Kritik, der Erhaltung des
Lebendigen und Förderung neuer positiver KräfLe.

N!iemand wird uns ausreden, daß diese FnnkLion nichL mehr notwendig sei,
von der Tagespresse oder einem anderen „billigeren" PublikaLionsmiLLel
wahrgenommen werden könne. Das GegenLeil ist der Fall, gerade dann,
wenn diese MiLLel endlich sich auf ihre wahren Aufgaben beschränken werden.
Die ZeiLschrifL wird ein OrL des Sammelns bleiben, der MiLLe und Ber-
miLLlung, des Gespräches, der geistigen Begegnung, der ordnenden und
formenden Überschau über die ZeiL. RkichL die AktualiLäL des Tages ist ihre
Sache, soudern die AkLuierung der ZeitkräfLe im Sinne der Zusam-
men- und MitarbeiL an der gemeinsamen Sache. Diese Aufgabe ist noL-
wendiger und zeitgemäßer und hebL sich um so deutlicher als Anfgabe ab, als
die Verleugnung nnd Verfälschung dessen, was die GesamLheiL von uns zu
fordern haL, weiter getrieben wird, als sich hente wieder einmal der liebe

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